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Öko-faires SmartphoneRaus aus der Nische

Mit Vodafone verkauft einer der größten Mobilfunkanbieter das neue Fairphone 3. Die meisten übrigen Hersteller pfeifen auf Nachhaltigkeit.

Schon das Vorgängermodell des Fairphone 3 ließ sich leicht öffnen – und damit auch reparieren Foto: dpa

Von diesem Dienstag an kann man das Fairphone 3 bei Vodafone kaufen. Das Smartphone mit ökologischem und sozialem Anspruch etabliert sich damit auf dem Massenmarkt. Nach Angaben der Firma in Amsterdam steigt auch die Produk­tionsmenge. Angepeilt werden künftig 100.000 Stück pro Jahr. Auf dem Gesamtmarkt sind das allerdings nur Spurenelemente: Die konventionellen Hersteller verkaufen in diesem Jahr weltweit wieder über 1 Milliarde Exemplare.

Ähnlich wie seine beiden Vorgängermodelle zeichnet sich das Fairphone 3 durch eine höhere ökologische und soziale Qualität im Vergleich zu fast allen anderen Handycomputern aus. Die Arbeiter*innen in der Fabrik im chinesischen Shen­zhen erhalten einen Lohnbonus, einige der verwendeten Materialien stammen aus konfliktfreier Herstellung, und das Gerät ist modular aufgebaut, sodass man es leicht reparieren kann.

Der Telekommunikationskonzern Vodafone – neben Telekom und Telefonica (O2) einer der Großen auf dem deutschen Markt – wendet sich in seiner Werbung gezielt an eine junge, bewusste Käuferschicht: „Es ist fair produziert, nachhaltig bis zum Recycling und bietet alles, was Du Dir von einem modernen Top-Smartphone wünschst.“ Bisher gibt es Fairphones auch schon beim hiesigen Mobilfunkanbieter Mobilcom, in Österreich bei T-Mobile und in Frankreich bei Orange.

Produziert wird die dritte Ausgabe des Fairphones bei der Firma Arima, wenige Kilometer nördlich von Hongkong. Etwa 200 der ungefähr 400 dortigen Arbeiter*innen erhalten einen Lohnaufschlag von 1,50 Dollar pro produziertem Gerät, erklärt Fabian Hühne von Fairphone. Das kann sich zu einem Bonus von etwa 60 Euro pro Monat summieren.

Bei den großen Marken gibt es keine sichtbaren Ansätze in diese Richtung

Christian van de Sand

Die Beschäftigten bekommen diesen Zuschlag zusätzlich zu ihrem Gehalt, das zwischen dem staatlich festgesetzten Mindestlohn (ungefähr 400 Euro) und dem sogenannten existenzsichernden Einkommen von rund 600 Euro liegt. Die übrigen 200 Beschäftigten erhalten den Zuschlag nicht, weil ihre Bezahlung schon besser ist. Außerdem zahlt die niederländische Firma einen Bonus an das chinesische Unternehmen, wenn bestimmte Verbesserungen beispielsweise bei Verpflegung und Unterbringung umgesetzt werden.

Konfliktfreie Rohstoffe

Rohstoffe wie Zink und Wolfram stammen laut Hühne teilweise aus konfliktfreier Produktion in Ruanda. Das soll sicherstellen, dass kein Geld an Milizen im Kongo fließt. Gold aus Uganda und Südamerika werde nach Fairtrade-Standards gewonnen. Etwa 70 Prozent des verarbeiteten Plastiks kommen aus Recycling.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Unternehmen setzt Fairphone gezielt auf Langlebigkeit. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen ihre Telefone selbst reparieren können. Die Geräte lassen sich deshalb leicht ohne Werkzeug öffnen, man kann den Akku und den Bildschirm auswechseln sowie einige Baugruppen – etwa die Kamera und die Steckanschlüsse – herausschrauben. Grundsätzlich lässt sich das Handy, auf dem das Android-System von Google läuft, also einige Jahre betreiben. Technisch muss man das Fairphone 3 wohl als Durchschnittsgerät einstufen, das den Alltag bewältigt, mit etwa 450 Euro Kaufpreis aber auch nicht günstig ist.

Nach ähnlichen Prinzipien arbeitet Shiftphone. Die Firma aus dem hessischen Falkenberg bietet allerdings eine größere Produktpalette. Das war’s dann auch schon: „Neben Fairphone und Shiftphone sehen wir derzeit keine relevanten nachhaltigen Smartphones auf dem Markt“, sagt Christian van de Sand von der Stiftung Warentest, der die dortigen Smartphone-Tests betreut. „Bei den großen Marken gibt es keine sichtbaren Ansätze in diese Richtung – vom angekündigten Einsatz von Ökostrom in der Produktion abgesehen.“

Verklebte Teile als Problem

So liefern die gängigen Hersteller fast durchweg Smartphones, bei denen Teile verklebt werden. Laien können sie kaum öffnen, geschweige denn Teile austauschen. Das fördert die Tendenz, ältere oder defekte Geräte in die Schublade zu legen und sich neue zu kaufen.

Wer die Gute-Gewissen-Handys nicht mag, weil Technik oder Design nicht gefallen, sich aber trotzdem Gedanken über Nachhaltigkeit macht, hat eine weitere Alternative: gebraucht kaufen. Zahlreiche Firmen und Internetseiten bieten inzwischen benutzte, aber überholte Smartphones mit Händlergarantie. Diese sind in der Regel auch deutlich günstiger.

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14 Kommentare

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  • 99% aller Benutzer sollten ihr Smartphone lieber nicht rooten, aus Gründen der IT-Sicherheit. Google weiß mehr.

    99% der Benutzer werden nie in der Lage sein, ein Smartphone zu reparieren bzw. interessieren sich nicht dafür, es zu lernen. Die meisten Leute schaffen noch nicht mal einen Ölwechsel beim Auto, wie sollen sie dann ein Handy reparieren?

    Das Problem ist in der Tat das ständige Wegschmeißen und Neukaufen, mit anderen Worten der irrsinnige Verschleiß an Geräten, die eigentlich nur telefonieren, SMS, Youtube und Whatsapp können müssen. (Selfies sind ehrlich gesagt überflüssig wie ein Kropf.)

    Eine Milliarde Handies pro Jahr? Da müßte doch mittlerweile jeder eins haben. So ein Handy hält ohne weiteres zehn Jahre, das Problem ist, daß Hersteller nach ein paar Jahren keine Sicherheitsupdates mehr liefern, damit man ein neues kaufen MUSS.

    Bis sich die Lage bessert, schließe ich mich der Empfehlung an, gebraucht zu kaufen (und so lange wie möglich dasselbe Gerät zu nutzen). 450 Euro für ein Telefon sind Irrwitz.

    • @kditd:

      Eine Freundin von mir, absoluter DAU und Eso-Tante, hat es geschafft, ihr Fairphone nach einem Wassereinbruch eigenständig komplett zu zerlegen, zu trocknen und wieder zusammen zu bauen.

      Ja, ich würde mal sagen 80-90% aller Menschen können sowas, wenn die Technik anders gebaut ist.

  • 8G
    83663 (Profil gelöscht)

    Und wann gibt es für das Fairphone 3 keine Ersatzteile mehr?



    Beim Fairphone 1 ging das ja recht schnell.



    Da bringt der modulare Aufbau auch nichts mehr!

    • @83663 (Profil gelöscht):

      Das lag an der Stückzahl.



      Vom Fairphone 1 wurde quasi nur eine Charge gebaut. Inklusiver aller Ersatzteile, die Fairphone vorfinanzieren musste.



      Das war in der Tat ärgerlich.

      Vom Fairphone 3 werden aber schon viel mehr Exemplare gebaut und auch über einen längeren Zeitraum. Damit wird es (hoffentlich) auch deutlich länger Ersatzteile geben.

      • @Sonntagssegler:

        Das neue 3+ arbeitet ja sogar noch teilweise mit den gleichen Teilen wie das Fairphone 3.

  • Qualcomm Chips, Platine, Top- und Bottom-Module, Display und Batterie von der Stange, Sony Kamera -- und Google Services vorinstalliert. Damit ist der Stromverbrauch höher, weil das Telefon laufend "nach Hause telefoniert".

    Viel wichtiger beim Smartphonekauf ist darauf zu achten, dass man das Teil "rooten" kann, also Administratorrechte bekommt, um dessen Betrieb selbst bestimmen zu können; z.B.:







    Mein Wileyfox Swift hat 1/3 gekostet, Batterie rausnehmbar, auch Qualcomm, jedoch Linage OS 16 Betriebssystem = Android ohne Google. Nur wenige Apps aus dem Open-Source F-Droid "Store". Dazu Blokada, um die unnötigen Verbindungen zur Werbeindustrie/ Trackern/ etc. zu kappen.

    • @Mzungu:

      Hilfreicher Kommentar. Das Wiley und das Fairphone 3 selber schaue ich mir mal an.

      • @Schollescholle:

        Nee, geh zu



        www.xda-developers.com

        und



        lineage.microg.org

        … schau Dir an, was die Community unterstützt.

        Xiaomi hat zZt. das beste Preis-Leistungsverhältnis -- und erlaubt "rooting", d.h. man kann es online freischalten lassen…

        • @Mzungu:

          Das Fairphone erlaubt auch rooting.

  • Ein weiteres und zusätzliches "Spurenelement" für das gute Gewissen und zur Veredelung unseres Lebensstils.



    Man ist geblendet, von dem vielen Augensagrotan, für wen und was alles das neue "Fairphone" (Geiler Marketing-Brüller) Gut und von Nutzen ist.



    Das Konsumentenvieh wird begeistert sein. Es kommt das Wort "fair" vor, da braucht man nicht mehr nachzudenken! Auf ins Geschäft!

    • @Drabiniok Dieter:

      Ich habe nicht den Eindruck, das Sie ernsthaft wissen, worum es beim Fairphone-Projekt geht.



      Zu Ihrer Info: die versuchen es ausnahmsweise mal ernsthaft besser zu machen.

      • @Sonntagssegler:

        Es ist und war schon immer so, dass: die, der oder es, es immer besser machen wollte. Dass "fair", "öko", "nachhaltig", "umweltfreundlich", "glutenfrei", "ohne Gen...", ohne Konservierung...", "recycel fähig", "biologisch abbaubar", "sozial verträglich hergestellt", "10 Cent Preisaufschlag für regionale Produzenten"... immer zusätzlich (!) und nicht anstatt (!) produziert, beworben und verkauft wird.

        Denken Sie mal darüber nach, dass all diese Marketing trigger, Label und Etiketten primär mit dem "Wir wollen es ernsthaft besser machen" Anspruch zusätzlich in die Regale kommen.

        Die Müllberge sind im Wachstum, trotz der Label, trotz der Mülltrennung und obwohl komplette Industrien für die Mülltrennung und für das Recycling aufgebaut wurden. Wachstum auch bei den Exporten von Elektroschrott und Plastikmüll. Und dann lesen wir überrascht: 2017 war Rekordjahr für den Verpackungsmüll, über 225 kg pro Kopf der Bevölkerung.

        Wie fair ist ein "Keinphone" oder "Altphone"?

  • Ein guter Ansatz. Weniger Konsumhysterie und Gesetze, die sanktionsbewehrt zur Produktion nach ethischen Standards verpflichten, wären besser. Die völlige Entgrenzung namens "Shopping" (nur scheinbar selbstironische Ich-scheiß-auf-alles-außer-auf-mein-Ego-Formulierung) ist die Ursache für den weit überwiegenden Teil der weltweiten Zerstörung. Wenn eine Milliarde moralisch und psychisch unterentwickelter Wilder (z. B. der durchschnittliche westliche Konsument) stets neue Smartphones besitzen will, kann das nicht mal der liebe Gott persönlich nachhaltig bedienen.

    • @Karl Kraus:

      BÄM! Hammerbeitrag. Auch wenn ich in den Bemühungen des Fairphoneprojekts viel Potential sehe und mich freue, dass wenigstens ein kleiner Schritt unternommen wird: Ihre knappe Analyse der herrschenden Umstände unseres bedingungslosen Konsumsystems finde ich erschreckend akkurat. In einer solchen Welt kann jede Bemühung um Nachhaltigkeit nur ein Tropfen auf den heißen Stein bedeuten. Und dennoch: Jedes Gramm konfliktfreier Rohstoff ist wie jedes nicht gegessene Kilo Fleisch ein Schritt in eine bessere Welt. Es macht mir Hoffnung.