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Quarterback Colin KaepernickDie Chance aus dem Nichts

Der seit seinem Kniefall ausgebootete Quarterback Colin Kaepernick absolvierte vor NFL-Scouts ein Training. Das sorgt für Diskussionen.

Colin Kaepernick: „Ich wurde drei Jahre behindert“ Foto: reuters

Auf dem Football-Feld der Charles Drew Highschool von Atlanta ist oft so einiges los, insbesondere am Freitagabend während des Schuljahrs, wenn die Charles Drew Titans zu ihren Heimspielen auflaufen. Was sich am Samstag am Spielfeld der Highschool abspielte, hatte der ruhige Wohnbezirk Riverdale jedoch noch nie erlebt. Kurz vor 16 Uhr fuhren mehrere TV-Übertragungswagen vor, es folgten Hundertschaften von Schaulustigen, zum Teil mit Transparenten und Schildern bewaffnet. Darauf zu lesen waren Dinge wie „Stand up for the Flag“ oder, auf der anderen Seite, „I’m with Kap“.

Grund für den Auflauf war die kurzfristige Entscheidung des ehemaligen NFL Quarterbacks Colin Kaepernick, auf dem Feld der Drew Highschool ein Training abzuhalten. Kaepernick, der wegen seiner stummen Proteste beim Abspielen der Hymne in der NFL seit drei Jahren keine Anstellung mehr findet, durfte Vertretern der NFL vorführen, dass er noch das Zeug dazu hat, auf höchstem Niveau Football zu spielen. Es war nur das letzte Kapitel eines Tauziehens zwischen der Liga und Kaepernick, das sich über die gesamte Woche vor dem Termin hingezogen hatte.

Zuerst beklagte Kaepernick, dass Samstag im Wochenplan der NFL ein denkbar schlechter Tag ist. Die Mannschaften seien viel zu beschäftigt damit, die Sonntagsspiele vorzubereiten. Dann wurde um den Haftungsausschlussvertrag gezankt. Schließlich forderte Kaepernick im Vorfeld eine Bekanntgabe all der Teamvertreter, die anreisten.

Kaepernick hat von Anfang an die Fans gespalten. Vor allem die jüngeren und die afroamerikanischen NFL-Liebhaber waren begeistert von seiner Stellungnahme gegen den systemischen Rassismus in Amerika. Die eher konservativen weißen Fans bis hinauf zu Donald Trump fanden Kaepernicks Haltung respektlos.

Intervention von Jay-Z

Die Teameigner der NFL gehören vornehmlich zur letzteren Kategorie. Kaepernick bekommt seit drei Jahren keine Anstellung mehr in der NFL, obwohl er zu den besten Quarterbacks der Liga gehört. Kaepernick klagte dagegen, dass die NFL ihn kollektiv ausgrenzte, und erzielte immerhin einen Achtungserfolg. Im Februar dieses Jahres zahlte die Liga dem arbeitslosen Werfer im Rahmen eines Vergleichs zwischen 60 und 80 Millionen Dollar. Seither kommt Kaepernick theoretisch wieder als Angestellter für die Liga infrage. Doch bislang zeigten die 32 Team-Eigner nur wenig Interesse.

In der vergangenen Woche änderte sich das überraschend. Die Liga bot wie aus dem Nichts Kaepernick die Gelegenheit, sich vor Scouts unter Beweis zu stellen. Dahinter steckte, wie bekannt wurde, eine Intervention des HipHop-Stars Jay-Z. Die Liga hatte zu Beginn der Saison eine Kooperation mit Jay-Z bekannt gegeben. Er soll sicherstellen, dass die jüngere, nichtweiße Klientel dem Football nicht den Rücken kehrt.

Doch es war nicht allein ein Anruf von Jay-Z beim Ligachef Roger Goodell, der Kaepernick das Probetraining bescherte. In der NFL herrscht derzeit eine starke Personalnot auf Kaepernicks Stammposition. Eine ganze Riege von Spitzen-Quarterbacks ist langfristig verletzt. So wird plötzlich Colin Kaepernick wieder interessant. Sportlich, das hat er beim Training unter Beweis gestellt, hätte er es auch nach drei Jahren Spielpause noch drauf.

Die anwesenden Scouts zeigten sich beeindruckt – Kaepernicks Klasse siedele ihn im oberen Drittel der Liga an. Nun muss die NFL beweisen, ob sie den Mut hat, Kaepernick wieder ins Boot zu holen, oder ob sie ihn weiter zum Märtyrer machen möchte.

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5 Kommentare

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  • "Die Teameigner der NFL gehören vornehmlich zur letzteren Kategorie."

    Jetzt bin ich gespannt, was heißt denn vornehmlich? Welches NFL Franchise gehört denn einem Afroamerikaner oder hat der Autor die ca. 300.000 Anteilseigner der Packers nachgezählt und da ist eine Mehrheit afroamerikanisch?

  • LEUTE! Korrekturlesen!

    • @Müllersepp:

      und ich hatte schon Angst restbetrunken von gestern zu sein.

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @Müllersepp:

      Wollte ich auch gerade kommentieren...



      Offenbar hat auch hier schon zweifelhafte KI übernommen!

  • Wenn Kaepernick wirklich ein Top 10 QB wäre, dann hätte er auch einen Job. Als Starter war er schon erst einmal verbrannt (auch wenn ihn nur eine Teilschuld trifft), auch ohne die Geschichte. Er war damals, als er mit seiner Demonstration anfing, auch nur Ersatzspieler. Das er dann aber keinen Backupjob als 2. Quaterback bekommen hat oder als Ersatz für verletzte QBs anderer Teams, weil die Teams Angst hatten ihre (nett formuliert, aber der Widerstand ging ja auch über Rassismus hinaus) konservative Fanbasis zu verprellen, ist natürlich trotzdem eine Sauerei.