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Heimerziehung nach der WendeDie Willenbrecher

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Disziplinierung und Anpassung: Elemente der DDR-Heimerziehung leben in heutigen Kinder- und Jugendeinrichtungen fort.

Die Arten der Heimerziehung in Ost und West unterschieden sich Illustration: Katja Gendikova

W enn ich über Heime in den neuen Bundesländern recherchiere, denke ich mitunter, ich bin in einem fremden Staat. Mich irritieren die Wertungen und Begriffe für die Kinder und Jugendlichen. Immer waren sie schuld, hatten sie „provoziert“, wenn es einen Konflikt gab.

„Im Rückblick auf das Jahr in der,Haasenburg' gibt sie an, sie könne jetzt Kritik besser annehmen, diskutiere allerdings noch viel“, schrieb 2006 ein Gutachter über eine 13-Jährige. Sie rettete das Blatt aus dem Müll und zeigte es mir Jahre später.

„Was ist denn am Diskutieren schlecht?“, fragte ich. Die junge Frau wandte sich an ihre Mutter, die mit am Tisch saß. „Siehst du, Mutti, man darf diskutieren.“

Ja, warum auch nicht? Ebenso Erwachsenen widersprechen, das letzte Wort haben. Alles Dinge, die ich mir als 13-Jährige 1977 im Westen selbstverständlich rausnahm. Sollte das 2006 in den neuen Ländern anders sein? Ist die Vorstellung davon, wie Kinder sein müssen, dort heute noch anders?

„Widerspenstig“ sein ist ein Problem

„Bei mir spurt er“, sagte 2013 eine besorgte Nachbarin aus Rostock über einen Zehnjährigen, der in die Haasenburg sollte. Sie wollte ihn schützen, ihrer Ansicht nach musste er nicht ins Heim. Aber ist „spuren“ so wichtig? Das sei in seiner Kindheit immer verlangt worden, sagt mir etwa ein Mittdreißiger aus Ostberlin.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die Haasenburg-Heime ließ die damalige Jugendministerin Ende 2013 schließen, nachdem zuerst die taz über die dortigen Methoden berichtet hatte. Sie dienten nicht dem Kindeswohl. Kürzlich schrieb die taz erneut über restriktive Praktiken im Heim in Jänschwalde in Brandenburg. Auch dort gab es eine „strenge Aufnahmephase“. Das Jugendministerium ließ diese auf den taz-Bericht hin unterbinden. Doch kurz zuvor waren dort Lokalpresse und der Ministerpräsident zu Gast, man lobte die Einrichtung im Wald, in der Jugendliche lernten, ihre „Defizite“ abzulegen, etwa dass sie Regeln und Normen verletzen.

Eine wütende Leserin schrieb der taz, sie kenne das Heim, glaube den „widerspenstigen Jugendlichen“ kein Wort. Die seien „nicht grundlos“ dort. Und dass sie mit strengen Erziehungsmaßnahmen nicht einverstanden seien, sei doch logisch.

„Widerspenstig“ sein ist also schon ein Problem. Aufgegriffen von Lokalblättern werden meist nur ganz harte Vorwürfe wie Gewalttätigkeit. Die grotesken Methoden an sich – das Sitzen in einem Zimmer mit abgeklebten Scheiben und angeschraubtem Stuhl, die Pflicht, bei jedem Toilettengang „Darf ich“ zu fragen – sind seltener Thema. Dabei ist Jänschwalde kein Einzelfall. Für ein Heim in Storkow, 50 Kilometer vor Berlin, liegen uns Konzepte mit repressiven Methoden vor.

Die DDR hatte keine Heimrevolte, kein 1968

Die DDR hatte eine vormoderne Heimerziehung, das sagt ein Blick in die Fachliteratur. Es war normal, dass Kinder zu Disziplin erzogen wurden. Laut der Heimordnung aus dem Bildungsministerium von Margot Honecker hatten alle Heimkinder „die Forderungen der Erzieher und Lehrer zu erfüllen“, und „sich diszipliniert zu verhalten“.

Der führende DDR-Pädagoge Eberhard Mannschatz schrieb noch 1978, Pädagogen hätten „das Recht und die Pflicht, Disziplin zu fordern“. Das sei keine Unterdrückung, „wie die Ideologen der,antiautoritären Erziehung' uns einreden wollen“.

Die DDR hatte keine Heimrevolte, kein 1968. Es gab dafür eine systematische Einteilung der Kinder in „normal“ und „schwer“ Erziehbare. Für „Schwererziehbare“ gab es Spezialheime und Jugendwerkhöfe, in denen sie umerzogen werden sollten.

„Mit der Bezeichnung als,schwererziehbar' setzte in der DDR ein Prozess der,Umerziehung' ein, der darauf ausgerichtet war, den Willen der Kinder und Jugendlichen zu brechen und sie auf diese Weise zu zwingen, sich den gesellschaftlichen Regeln zu unterwerfen“, schreibt die Juristin Friederike Wappler 2012 in ihrem Gutachten zur DDR-Heimerziehung für die Bundesregierung. Als Vorbild galt der sowjetische Erzieher Anton Makarenko: Die erste Etappe war die „Explosionsmethode“, durch Erschütterungen sollten „alte, fehlerhafte Einstellungen der Persönlichkeit beseitigt“ werden. Am Anfang komme der Erzieher „ohne Zwang und Risiko nicht aus“.

Pädagogik des Willenbrechens

Besonders schlimm ging es im geschlossenen Jugendwerkhof Torgau zu. Dort gab es ein Aufnahmeritual, das den Jugendlichen durch den Schock der sofortigen Isolierung gefügig machen sollte – beschrieben in dem Buch „Den neuen Menschen schaffen“ von Verena Zimmermann. Der Neuankömmling musste sich entkleiden, ihm wurden die Haare rasiert, er bekam Anstaltskleidung und musste 3 bis 12 Tage in einer nur mit einer Holzpritsche ausgestatteten Arrestzelle verbringen. Erklärtes Ziel war„die völlige Brechung des Willens“.

Die Arten der Heimerziehung in Ost und West unterschieden sich. In der DDR gab es das Konzept der „bewussten Disziplin“, schreibt Wappler. Es gab die Vorstellung, man könne die Persönlichkeitsstruktur von Menschen derart verändern, „dass sie sich künftig nicht nur regelkonform verhalten, sondern dieses auch noch als,vernünftig' empfinden“. Also etwa selbstkritisch sagen, dass sie immer noch „diskutieren“. Das ist der Grusel dieser Pädagogik des Willenbrechens.

Wappler schrieb, auch in der BRD sei es in den 1950er und 1960er Jahren darum gegangen, Anpassung zu erzwingen, „doch es gehörte nicht zu der Erziehungsideologie, eine positive Einstellung zu staatlich vorgegebenen Werten zu erzeugen“. Dafür sei es notwendig, den Willen zu brechen, „notfalls mit Gewalt und psychischem Zwang“.

Den DDR-Heimkindern attestierte das Gutachten schlimme Schädigungen von Psyche und Seele. Aber wie ging es 1990 weiter? Wie passten die Jugendhilfesysteme von DDR und BRD zusammen?

Ruf nach Strenge

„In Ost und West prallten Kulturen aufeinander, die eigentlich überhaupt nicht vereinbar waren“, sagte der Wissenschaftler Manfred Kappeler 2013 im taz-Interview. Beide Staaten bekamen 1991 das moderne Jugendhilfegesetz, das staatliche Eingriffe durch freiwillige Hilfen ersetzte. Dem gingen im Westen 20 Jahre Reform voraus.

Wie es um die Systeme stand, untersuchte 1994 der 9. Jugendbericht der Bundesregierung: Die DDR-Heimerziehung habe eine „aus heutiger Sicht […] zum Teil schädliche Position“ innegehabt. Nötig sei eine Demokratisierung.

Die gab es. Doch Ende der 1990er kippte die Stimmung. Im Land dominierte ein Diskurs über eine bedrohliche, gewalttätige Jugend, deren Täter in der Wahrnehmung der Medien angeblich immer jünger und deren Taten immer schlimmer würden. Die Regierung gab Millionen für Programme gegen Aggression und Gewalt aus. Statt die alte Infrastruktur der FDJ-Jugendklubs zu erhalten, gab es nur noch Prävention. „Was finanziert werden sollte, musste diesem präventiven Gesichtspunkt genügen“, sagt Kappeler. Das habe zur Stigmatisierung der Jugendlichen geführt.

Die Jugend war also vor allem böse. Es gab den Ruf nach Strenge. CDU-Leute und rechte SPDler forderten für Grenzfälle eine „verbindliche Unterbringung“. Gewaltprävention wurde zum großen Feld für Nachwuchsforscher. Ausgehend von Hamburg, entstand die „konfrontative Pädagogik“ als Gegenstück zur „Kuschelpädagogik“.

Der Kritisierte hatte sich zu fügen

Zur gleichen Zeit kursierten irre Pläne. Einige Investoren wollten in Thüringen ein Heim für 800 Jugendliche schaffen – nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Glen Mills Schools“. Publik machte dies der Spiegel mit der Titelstory „Angriff auf die bösen Jungs“, in der der Jugendhilfe vorgehalten wurde, sie setze keine Grenzen.

Glen Mills wies Parallelen zur Spezialheim­erziehung auf. Da wie dort sollten Jugendliche Regeln einhalten, um das Regeln-Einhalten zu lernen. Etwa ein Hemd falten, bevor es in die Wäsche kommt. Selbst der kleinste Regelverstoß musste durch andere Insassen kritisch beurteilt werden. Der Kritisierte hatte sich zu fügen. Dies wurde in sieben Stufen vom „freundlichen Hinweis“ bis zum gewaltsamen „Unterbinden durch Festhalten“ oder Auf-den-Boden-Legen ­durchgesetzt.

Eine Expertise des Deutschen Jugendinstituts beleuchtete die Pläne. Es heißt, danach war die Idee tot. Dennoch war sie Impuls zum Rollback. Denn Befürworter von Glen Mills in Deutschland forderten, man solle „innovative Ansätze“ in die Jugendhilfe importieren. Man brauche einen „erneuten Paradigmenwechsel“, weg vom „Unverbindlichen“, und eine spezielle Eingangsphase zur Überwindung des Widerstands der Jugendlichen. Also eine Umerziehungsphase.

Es folgte eine Gründungswelle für „intensiv-therapeutische“ Heime in „reizarmer“ Umgebung, die Elemente der DDR-Spezialerziehung in sich tragen. Ein eng strukturierter Tagesablauf, der bis auf die Minute regelt, was passiert. Eine Eingangsphase, in der die Kinder und Jugendlichen ihren Widerstand aufgeben sollen. Eine faktische Abgeschlossenheit, weil Ausgang erst noch verdient werden muss. Und wie zu DDR-Zeiten gilt der harte Heimalltag selbst schon als Therapie.

„Qualitätsagentur“ für Heimerziehung

Nur in Fachkreisen gab es Streit, der Hamburger Hochschullehrer Timm Kunstreich etwa warnte vor einem Tabubruch. Kollegen forschten, „um den Einsatz von Zwangsmitteln zu rechtfertigen“. Er meinte den Berliner Mathias Schwabe, der in Intensivgruppen über „Zwang in sozialpädagogischer Absicht“ forschte. Was das heißt, beschrieb er am Beispiel einer Intensivgruppe auf dem Land: Jugendliche, die sich weigern, ihr Putzamt zu verrichten und wütend werden, werden von Pädagogen überwältigt und auf dem Boden festgehalten, bis sie ihre Einwilligung signalisieren. Das könne zwei Stunden dauern. Ein Drittel der Kinder habe das als schmerzhaft erlebt.

Schwabe lehnt solche Methoden nicht ab, sondern diskutiert sie, stellt Kriterien auf, nach denen körperliche Gewalt zur Durchsetzung von Regeln akzeptabel sei. In der Fachwelt zählt er als Außenseiter. Denn Gewalt in der Erziehung ist ­verpönt. Doch Brandenburg setzte 2016 ausgerechnet Schwabe in eine „Qualitätsagentur“ für Heimerziehung ein. Ein problematisches Zeichen.

Der ehemalige DDR-Pädagoge Eberhard Mannschatz räumte nach dem Ende der DDR Fehler ein. Er habe die Texte Makarenkos falsch gelesen, es sei ein „Irrtum“, dass die Interessen des Kollektivs höher stünden als die des Einzelnen. Bei der Erziehung des „neuen Menschen“ sei man von einer „objektiven“ Übereinstimmung gesellschaftlicher und persönlicher Interessen ausgegangen und habe unhinterfragt gesellschaftsadäquates Verhalten zur Norm erhoben.

Doch der Anspruch an die Jugend, sich anzupassen, lebte nach 1990 fort. Wenige Jahre später wurden alte repressive Praktiken als neue Ideen verkauft. Das Leid der Opfer von damals ist anerkannt. Aber darüber, dass die Umerziehungsidee noch in den Köpfen spukt und zum Problem wird, fehlt eine Diskussion im Sinne eines „bitte nie ­wieder“.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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26 Kommentare

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  • Sorry.... Aufarbeitung DDR/BRD sieht für mich anders aus!

    Es scheint nämlich zur UR-DNA einer Institution zu gehören, dass sie eher gen rechtskonservativen tendiert..... UND den schwäbischen Hauswarten a la Schäuble sei Dank- immer finanziell knapp gehalten werden!

    Und ganz ehrlich: obwohl wir wissen und wussten, dass in Heimen mieses abläuft UND sie unterbezahlt sind... haben Corona-Befürworter die Schlüssel weggeworfen und socialdistancing, also kontrolllose Zustände eingerichtet!

    Leider wird und wurde immer vergessen: gute Pflege, gute Lehre, gute Betreuung, gute Bildung bedarf eines super Personalschlüssels!

    Doch rechts der Null ist Geld ohne Ende und links der Null ist Schmalhans und Geiz bei DEB schwäbischen Hausmännern Alltag!

  • Ich wundere mich, dass die Heimerziehung in der DDÖR so wenig aufgearbeitet wird. Es gibt nur selten einBericht in den Zeitungen. Filme sind mir gar nicht bekannt. Der Zusammenhang mit der Ideologie der DDR dahinter wird gar nichtgesehen.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      In diesem Artikel werden zwei Themen vermengt, ohne dass jeweils ersichtlich wird, wo das eine anfängt und das andere aufhört.

      Prof. Mathias Schwabe ist Christ, Westdeutscher und arbeitet an der Evangelischen Hochschule Berlin. Seine Legitimation von Gewalt hat nichts mit der DDR tun.

      1986 - 1992 arbeitete er in der



      Kinder- und Jugendpsychiatrie Bergische Diakonie Aprath (NRW).



      1992 - 1999 war er Heimleiter bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart.



      Er war zwei Jahre lang in der Geschäftsführung sowie der Heim-, Erziehungs- und Verwaltungsleitung im Ev. Kinderheim Jugendhilfe



      Herne tätig.

      Wie steht/stand es um die Gewaltanwendungen in diesen kirchlichen Einrichtungen? Von Journalist*innen hätte ich diese Fragestellung zwingend erwartet.

      Es ist schließlich kein Zufall, das Schwabe mit seiner Gewaltaffinität ausgerechnet bei einer kirchlichen Hochschule angestellt ist und seine berufliche Laufbahn wohl nahezu ausschließlich in kirchlichen Einrichtungen Statt gefunden hat.

      "Wie es um die Systeme stand, untersuchte 1994 der 9. Jugendbericht der Bundesregierung: Die DDR-Heimerziehung habe eine „aus heutiger Sicht […] zum Teil schädliche Position“ innegehabt. Nötig sei eine Demokratisierung."

      Der "Anschluss der neuen Bundesländer an den Geltungsbereich des Grundgesetzes" verhindert in seiner Nachwirkung bis heute eine Demokratisierung in Ostdeutschland. In etwa 90% der gesellschaftlichen Eliten kommen immer noch aus den alten Bundesländern.

      Was haben gewaltaffine westdeutsche CDU- und SPD-PolitikerInnen mit dem DDR-Heimsystem zu tun?



      Was waren das für "Investoren", die in Thüringen ihr Geld mit Gewaltmonopol des Staates verdienen wollten?

      "Doch der Anspruch an die Jugend, sich anzupassen, lebte nach 1990 fort."



      Alle genannten relevanten Akteure nach 1990 waren Westdeutsche. Der Anspruch, sich anzupassen, ist in der CDU und der SPD niemals wirklich fallengelassen worden.

      Die "Umerziehungsidee [, die] noch in den Köpfen spukt", ist keine ostdeutsche.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Wie die Überschrift sagt, geht dieser Text um die Heimerziehung in den so genannten Neuen Bundesländern nach 1990.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Und wie die Unterüberschrift sagt ist es ein Ricola "Wer hats erfunden" Ding und "leben Elemente der DDR-Heimerziehung in heutigen Kinder- und Jugendeinrichtungen fort."

  • Mir scheint, dass auch im Westen der Republik noch reichlich "Liebe" für repressive Pädagogik vorhanden ist.

    Vielleicht ein bisschen versteckter - die Jugendlichen, die nicht "spuren" werden in irgendwelche fernen Länder exportiert. Was dort geschieht? Das entschließt sich erst durch Aussagen dieser jungen Menschen über die teilweise wirklich schockierenden Zustände in ihren "Gastländern".

  • Wie wütend mich doch Ihre Berichtserstattung macht.. als betroffene Mutter eines 14- jährigen Jugendlichen, der gerade durch das tolle Sozialnetz rutscht, welches Sie hier so hochleben lassen.



    Mein Sohn konsumiert Drogen und Alkohol, besucht keine Schule.. sprich ein Systemsprenger, wie es so schön heißt. Und keiner will und kann mir helfen.. ja, leider weil es keine geschlossenen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe mehr gibt. Wo wir sie so dringend brauchen.



    Ja, ich bin bei Ihnen, Willen brechen und Kinder/ Jugendliche gefügig machen ist nicht der Weg. Aber Regeln, Strukturen, Wertevermittlung und Anpassung an die Gesellschaft haben noch niemandem geschadet. Jeder redet heutzutage von den Rechten, die unsere Kinder und Jugendlichen haben.. aber bitte wo bleibt die Erfüllung ihrer Pflichten? Wer masst sich an zu entscheiden, ob mein Sohn mit 14 Jahren in der Lage ist, sein jetziges Handeln zu überschauen und ihm zu gestatten, alles zu tun, worauf er Lust hat oder eben auch nicht?!



    Sie berichten einseitig, wie vielen Jugendlichen konnte in solchen "Erziehungsheimen", wie diese Einrichtungen von Ihnen betitelt werden, geholfen werden, ja haben sie sogar vor drohender Obdachlosigkeit und einem Leben auf der Straße bewahrt?



    Ich bin gern bereit, darüber mit Ihnen in den Austausch zu gehen!



    Aber unterlassen Sie diese Art von Journalismus, denn damit ist niemandem geholfen, am wenigsten den Kindern und Jugendlichen!!!

    • @Silvana Brunn:

      "Anpassung an die Gesellschaft haben noch niemandem geschadet" Es ist doch erstaunlich, wie viel Unsinn sich in einem Satz komprimieren lässt.

      • @BluesBrothers:

        Wo siehst Du da den Unsinn? Soziale Kompetenz ist absolut überlebenswichtig für das soziale Tier Mensch. Ich denke eher Du verwechselst die konformistische Revoluzzer-Folklore gewisser homogener Millieus mit wahrer Devianz.

        • @El-ahrairah:

          Soziale Kompetenz ist sicherlich wichtig, hat aber mit "Anpassung an die Gesellschaft" und deren kapitalistischen, asozialen Wertekanon nichts zu schaffen.



          Es ist möglich vollkommen unangepasst und zugleich durch und durch sozial zu sein, das Gegenteil ist doch kaum möglich.

          • @BluesBrothers:

            Aber meines Erachtens für einen Jugendlichen grenzwertig. Zumindest sollte er die Grundregeln kennen und sich auch dementsprechend verhalten. Alles andere wird schwierig.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Silvana Brunn:

      Aus eigener Erfahrung weiß ich nur zu gut, dass eigene Betroffenheit kein guter Ratgeber ist. Der Geist muss dann den Weg erst durch die - oft sehr verästelte und auch widersprüchliche - Gefühlswelt gehen.

      Ich verstehe Ihre emotionale Reaktion als Mutter eines 14 Jährigen. Aber ich teile sie nicht in allem. Das soziale Netz hat - wer wollte das als Armutsrentner bestreiten - seine Grenzen und die Maschen werden zusehends größer.

      Ihr Kernfrage ist für mich leicht zu beantworten: Begrenzungen des Alters sind durch den Gesetzgeber festgelegt. Ob die gut oder schlecht, richtig oder falsch, förderlich oder hinderlich sind, kann nur im konkreten Beispiel beurteilt werden.

      Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie Gleichgesinnte kennen, mit denen Sie sich als Betroffene austauschen können.

      Ansonsten verweise ich an

      www.veh-ev.eu/

      Da werden Sie geholfen.

    • @Silvana Brunn:

      Das ist ein echtes Dilemma.



      Wenn Kinder der Familie entgleiten, können offene Wohngruppen sie versuchen aufzufangen. Aber im Endeffekt hängt alles an dem freiwilligen Mitmachen. Wenn das nicht mehr gegeben ist, dann werden sich Wohngruppen weigern jemanden aufzunehmen. Das Risiko ist viel zu groß. Was bleibt den Jugendlichen dann? Welches Netz gibt es dann, in dem man auch einschränkende Regeln aufstellen kann?

      • @fly:

        Welches Netz es dann gibt? Keines.. Kinder- und Jugendpsychiatrien sind restlos überfüllt und nehmen nicht auf. Selbst mit richterlichen Beschluss nicht. Und da in unserem freien Land ja ein 14jähriger, Drogen konsumierender selbst entscheiden darf und es ja "Gott sei Dank" keine geschlossenen Einrichtungen mehr gibt, werde ich wohl abwarten müssen, bis etwas Schlimmes passiert und ich als Mutter wieder handeln darf.. armes Deutschland..

        • @Silvana Brunn:

          In Zeiten, wo Personen mit psychischen Krankheiten aus Gründen des Personalmangels hoch dosiert ruhig gestellt oder fixiert werden, nach noch mehr Härte zu schreien ist absurd.



          Als wären Zwangsmaßnahmen in irgend einer Art und Weise produktiv, als wäre die Beschränkung von Zwangsbehandlungen auf Fälle der Eigen- oder Fremdgefährdung kein zivilisatorischer Fortschritt.

          Den Willen zu brechen und neu zu formen - willkommen auf der Dunklen Seite der Macht.

          • @BluesBrothers:

            Ich sprach nie davon, einen Willen zu brechen. Und ja, dann, wenn nichts anderes mehr hilft, müssen leider richterliche Anordnungen von freiheitsentziehenden Maßnahmen her.



            Haben Sie Kinder? Sind Sie die Wege gegangen, welche ich gegangen bin? Sind Sie in der Lage, sich in meine jetzige hinein zu versetzen? Ich möchte meinen Sohn nicht von der Straße kratzen und als letzte Entscheidung über seine Bestattung nachdenken.. leider lässt mir Vater Staat laut der deutschen Gesetzgebung keine andere Wahl!



            Haben Sie die Lösung für meine Situation? Dann höre ich Ihnen sehr gern zu!

            • @Silvana Brunn:

              Welche Wege sind Sie denn gegangen, damit ich vergleichen könnte?

              Was sind die bisherigen "Stationen" und das familiäre Umfeld Ihres Sohnes von 0 bis 14 Jahren? Wie haben Sie Ihre Kinder bisher "erzogen"? Was sind Ihre pädagogischen Ideale (gewesen)? Was war Ihnen besonders wichtig, wofür haben Sie sich eingesetzt - ggf. auch gegenüber Dritten - für Ihre Kinder?

              Eine Lösung kann es nicht geben, wenn Sie nichts von sich erzählen.

              Wo und wie sind Sie selbst sozialisiert?

        • @Silvana Brunn:

          Willkommen im toleranzgrünen Liberalismus. Kannst Deinem Sohn ja sagen, dass ihm alle Möglichkeiten offen stehen!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Einer der besseren Artikel im heutigen Forum.

    Als ehemaliges Heimkind der BRD der 1960er Jahre 'durfte' ich einiges am eigenen Leib erleben, was damals 'Schwarze Pädagogik' hieß. Später bin ich selbst Pädagoge geworden und habe in den 1980ern feststellen können, dass sich einiges grundlegend verändert hat. Leider nicht nur zum Positiven. Stichwort: Erlebnispädagogik.

    Manfred Kappeler schätze ich seit seinem Buch "Gefesselte Jugend" über Fürsorgeerziehung.

    Dass Andreas Baader (RAF) um 1970 ein mittelhessisches Heim als Agitator zwangsbeglückte, ist allenfalls eine Fussnote am Rande, die zu vernachlässigen ist.

    Dass die Heimkinder in der DDR manches , aber nicht alles mit uns teilten, ist mir spät gedämmert. Die eigenen Wunden haben es nicht zugelassen, mich damit beschäftigen zu können.

    Verzeiht, Schwestern und Brüder.

    Das Fazit des Artikels mag ich so gar nicht teilen: "Das Leid der Opfer ist anerkannt." Nö, ist es nicht.

    Eine Anerkennung light mit einem netten Filmchen (D:Senta Berger), ein paar warme Worte in die Leere des öffentlichen Raums.

    Bis heute hat sich kein Vertreter der Rechtsnachfolger jener Institutionen bei mir persönlich für das entschuldigt, was ich im Heim erleben musste. Als meine größte Leistung feiere ich deshalb, dass ich nicht den Weg des Norwegers Anders Breivik eingeschlagen bin.

    Auch die Entschädigungsfrage wurde vom Runden Tisch Heimerziehung (RTH) respektive Fond höchst skurril geregelt: in guter alter Deutsch-Tradition sollten die Opfer den Nachweis ihrer Traumatisierungen selbst führen. Danke an Manfred Kappeler für seine diesbezüglichen Worte der Klarheit an die Pfarrerstochter Antje Vollmer und den RTH.

    In Hinblick auf die Vermeidung einer Retraumatisierung habe ich (wie auch andere Betroffene) mit einem herzhaften "Fuck You, Schland" dankend verzichtet. Der Verein ehemalige Heimkinder (VEH) und andere verfügen über wichtige Dokumente.

    Ein beeindruckendes Kapitel "Jörman Hysterie unproudly presents".

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Bei allem Mitgefühl, viele heutige Heime, Wohngruppen, Familiengruppen sind mit den 60er Jahren kaum noch vergleichbar.

      Hoffentlich wird es hier aber nie amerikanische, investorenfinazierte Erziehungsanstalten geben.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @fly:

        Es trifft in der Tat zu, dass heutige Heime mit denen von damals nur noch den Begriff gemein haben. Und selbst das nur mit Einschränkung. Von 'Fürsorgeerziehungsheimen' habe ich seitdem nichts mehr gehört.

        Die Entwicklung der bundesdeutschen Heimerziehung ging - nicht zuletzt infolge der von den 1968ern initiierten 'Heimkampagne' - in eine andere Richtung: Auflösung der Großheime, Schaffung alternativer, oft familienanaloger Unterbringung und WGs (je nach Indikation).

        Heutige Heimkinder dürften darüber staunen, wie grundlegend anders die Heimrealitäten 2019 sind. Ohne historische Kenntnisse wird von denen keiner verstehen, dass hier die Rede von dem "Leid der Opfer" die Rede ist.

        Die Welt hat sich in den letzten 50 Jahren grundlegend verändert. Die Heimerziehung - und mit ihr Fragen von Ausgrenzung, Stigmatisierung und Bestrafung - sind nur ein kleiner (aber bedeutsamer) Teil davon.

        Wider das Vergessen.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Erschüttert & auch in Ansehung einer ins eigene Land eingewanderten bodenlos päffigen Antje Vollmer & ihrer Rolle beim RTH - denn doch noch dies -



      “ Die Asymmetrie der Macht am Runden Tisch Heimerziehung“



      Kappeler, Manfred - als pdf -



      www.ssoar.info/sso..._am.pdf?sequence=1



      &



      www.gewalt-im-jhh....kinder__vollm.html



      &



      www.veh-ev.eu/



      &



      Dank auch für die klaren Worte an @Karl Kraus - …anschließe mich.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Zur Untermauerung meines obigen Posts heiße ich Ihre Links hoch willkommen.

        Für mich eine - leider nur kurzzeitige - Überlebenshilfe. Sie erahnen vllt. meinen Nährboden für das leider schwerlich durchführbare Projekt EuGH. So sehr ich Highlander-Posen liebe: hier bräuchte ich tatkräftige Unterstützer. Und die sind leider nicht in Sicht. Kurzzeitig hatte ich mal einen RA aus Trier an der Hand. Das hat sich - auch wegen der Spätfolgen - leider zerschlagen ...

  • Oh je. Jap. Tatsächlich ist dieses Thema meiner Meinung nach extrem unterbelichtet. Heime und ähnliche Einrichtungen waren und sind immer wieder tolle Spielwiesen für Sadisten. Die Leute, die die menschenverachtende "Theorie" liefern, beschränken sich meist leider nicht auf ein enges Gebiet, sondern verbreiten diese Widerwärtigkeiten (die keinerlei wissenschaftliche Basis haben) ja auch sonst überall, wo man ihnen nicht widerspricht. Interessant finde ich die Parallelen zum allgemeinen Menschenhass: Es ist auch hier die willkürliche Auswahl einer Gruppe, die als tendenziell und prinzipiell böse/schädlich markiert wird. Nach dieser Vorentscheidung beginnt dann das große Blabla, woran man merken kann, dass diese Vorentscheidung ja auch wirklich stimmt.



    Ich bin froh um jeden Jugendlichen, der sich auf Diskussionen einlässt. Aber man muss natürlich selbst dazu in der Lage sein und darf nicht dem Irrtum unterliegen, man könne mal eben so irgendwas von einem anderen Menschen verlangen, ohne es zu begründen, bloß weil man sich irgendwie als VertreterIn einer Institution fühlt.



    Pfui.

  • Es wäre dringend zu prüfen, inwiefern sich Beteiligte strafbar gemacht haben und strafbar machen. Gewalt gegen Kinder ist mittlerweile nicht einfach nur verpönt, sondern schlichtweg eine Straftat. Der Artikel hat einen guten Ansatz und die recht kühl analysierende Art dient der Aufnahme des Inhalts.