Erstes Urteil gegen Polizist wegen G20: Polizeigewalt hat es doch gegeben
Weil er beim G20-Gipfel in Hamburg einen Kollegen verletzte, wurde ein Polizist verurteilt. Viele andere Verfahren wurden eingestellt.
M. stand allerdings nicht vor Gericht, weil er eine*n Demonstrant*in verletzt hat. Der Geschädigte ist ein Polizist. Hintergrund war ein Streit zwischen den beiden, der sich um die Frage drehte, wer in der Gefangenensammelstelle (Gesa) Neuland wo Waffen tragen darf.
Der geschädigte Hamburger Polizist trug eine große Pfeffersprayflasche bei sich und weil M. das nicht für rechtens hielt, drückte er W. an ein Auto und nahm ihm die Flasche ab. Dabei erlitt W. eine Bänderdehnung im kleinen Finger.
Der Angeklagte stritt die Tat nie ab. „Ich habe Verantwortung übernommen und wenn ich dafür Strafe erfahren sollte, fände ich das sehr traurig“, sagte er in seinem letzten Wort.
Viele Ermittlungsverfahren eingestellt
Auch sein Anwalt Raban Funk stilisierte M. in seinem Plädoyer als Opfer der chaotischen Zustände in der Gesa. Die „hamburgischen Verhältnisse“ seien ihm nicht richtig vermittelt worden. Er kritisierte außerdem, dass wegen dieser Bagatellverletzung überhaupt eine Hauptverhandlung stattfand und das Verfahren nicht eingestellt wurde. Tatsächlich hatte M. gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt, deshalb kam es zum Prozess.
In ihrer Urteilsbegründung kritisierte die Richterin, dass M. sich nicht bei seinem Kollegen entschuldigt und in Erwägung gezogen habe, dass auch die andere Seite Recht haben könnte. „Dass sie das nicht sagen können, hängt vielleicht mit ihrer Persönlichkeit zusammen“, sagte sie. Sie milderte sowohl die mögliche Geldstrafe als auch die Bewährungszeit dafür im Vergleich zum Strafbefehl ab. Gegen das Urteil kann M. Berufung oder Revision einlegen.
Dass es demnächst weitere Prozesse gegen Polizist*innen geben wird, ist nicht abzusehen. Wie die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Hamburger Linken zeigt, wurden im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel bisher keine Anklagen gegen Polizist*innen erhoben. Von den 168 Ermittlungsverfahren gegen Beamte wurden 107 bereits eingestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“