piwik no script img

Politiker*innenbesuche in WestafrikaWas machen die da?

Kommentar von Katrin Gänsler

Deutsche Politiker*innen haben Westafrika als Reiseziel entdeckt. Für ein erhöhtes Interesse an der Region sprechen ihre Kurztrips leider nicht.

Macht sich prima als Kulisse für westliche Politiker: Modenschau in Lagos, Nigeria Foto: AP Photo/Sunday Alamba

G esundheitsminister Jens Spahn ist kürzlich durch Äthiopien, Ruanda, den Kongo und Nigeria gereist. Die Vierländertour dauerte gerade einmal vier Tage. Am Ende sagte er in der nigerianischen Hauptstadt Abu­ja, dass Afrika mehr als nur Krise – im Mittelpunkt der Reise stand der Ebola-Ausbruch im Kongo – sei. Man habe Start-ups gesehen, Innovationskraft, junge Menschen, die einen Unterschied, auch für ihr Land, machen wollen. „Da wird deutlich, welche Dynamik in diesem Kontinent steckt.“

Dabei ist Nigerias Start-up-Szene hinlänglich bekannt, auch wenn sie mitunter etwas zu sehr gehypt wird. Als der Gesundheitsminister längst wieder im Flieger nach Berlin saß, fragte eine nigerianische Journalistin kopfschüttelnd: „Warum ist er nach Nigeria gekommen? Was hat er hier gemacht?“ Die Frage klang nicht zynisch, sondern ratlos.

Im Fall von Spahn ist die Antwort recht klar: Werbung in eigener Sache. Wenn sich eine Reise im Kern um Ebola drehen soll, muss man nicht nach Nigeria fahren. Dort wurden zwar vor fünf Jahren 20 Ebola-Fälle registriert, die das Land aber überraschend gut und schnell in den Griff bekam. Spahn wollte hingegen zeigen, dass er sich mehr als nur das Amt des Gesundheitsministers zutraut. Er kann auch Kanzler und international auftreten – das hatte er in den vergangenen Monaten schon in Kosovo und Mexiko getan. Bei der Afrika-Tour kamen immer wieder Themen zur Sprache, die weit über sein Ressort hinausgehen. Mi­gra­tion etwa, die mit Gesundheit zusammenhänge, wie er mehrfach betonte. Die afrikanische Kulisse sollte für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgen.

Spahn ist jedoch nicht der Einzige, der Afrika im Schnelldurchlauf macht. Dafür ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannt. Nigeria, die größte Volkswirtschaft des Kontinents und mit 200 Millionen der einwohnerreichste Staat, besuchte sie zwar zweimal, aber immer nur für wenige Stunden. Dabei wird kolportiert, dass sie sich gut mit Präsident Muhammadu Buhari versteht. In Nigeria ist sie zudem außerordentlich beliebt. Beim letzten Mal im August 2018 hatte Merkel allerdings nur zwei Grundsatzvereinbarungen im Gepäck. Im Vergleich zu anderen Besucher*innen oder Gastgeber*innen ist das wenig.

Merkel besuchte Nigeria, die größte Volkswirtschaft des Kontinents, zweimal, aber immer nur für wenige Stunden

Nur zwei Tage zuvor hatte die damalige britische Premierministerin Theresa May ein Sicherheitsabkommen im Kampf gegen Boko Haram unterzeichnet und Unternehmer Aliko Dangote, der sein Imperium unter anderem auf Zement und Zuckerrohr gebaut hat, getroffen. Auch war Buhari nach dem Merkel-Besuch für mehrere Tage zum China-Afrika-Gipfel nach Peking eingeladen worden.

Kaum besser glückte der erste Besuch von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in Mali, der fast zeitgleich zu Spahns Reise stattfand. Soldat*innen klagten über die Verschiebung ihres Heimatflugs. Zudem sollen „Vorübungen“ für den Empfang den Betrieb lahmgelegt haben. Nach der Reise habe es dann auch „gekracht“, wird AKK zitiert. Ein politischer Beobachter aus Mali lächelt über die Frage, ob solche Besuche überhaupt etwas bringen. „Es ist Routine, die viel Geld kostet.“ Höchstens inoffizielle Gespräche am Rande könnten für einen differenzierteren Diskurs sorgen. Doch dazu bleibt keine Zeit, da die Kurztrips minutiös getaktet sind, besonders bei den Afrika-in-vier-Tagen-Reisen. Dem Zufall bleibt nichts überlassen.

Tatsächlich bringen diese teuren und aufwendigen Reisen also kaum mehr als politische Selbstdarstellung fürs heimische Publikum. Es werden Gelder zugesagt, die längst beschlossen sind und die es auch ohne Reise geben würde. Mit der „Übergabe vor Ort“ erhalten sie allerdings mehr Aufmerksamkeit und wirken wie großzügige Geschenke, die scheinbar zäh verhandelt wurden. Bei Spahn waren es jedoch nur 4 Millionen Euro – viel weniger als das, was sonst übergeben wird.

Auch ist der Erkenntnisgewinn minimal. Wie viel Potenzial im jungen Nigeria steckt, hat schon vor Jahren der Besuch von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gezeigt. Im Fall von Mali gibt es gute Analysen zur aktuellen Konfliktlage, zur Situation innerhalb der Armee und über die im Land agierenden Terrorgruppen und Rebellen. Ebenfalls mangelt es nicht an Expert*innen.

Ein verzerrtes Bild

Da die Kurzbesuche nur einen winzigen Einblick bieten, geben sie zudem ein verzerrtes Bild wieder. Die Planstadt Abuja mag mit Orten wie dem Civic Innovation Lab modern und vertraut westlich wirken. Themen wie Digital Health, worüber Spahn mit dem nigerianischen Gesundheitsminister Osagie Ehanire gesprochen hat, erwecken den Eindruck, dass in beiden Ländern ähnliche Diskussionen geführt werden. Das täuscht jedoch darüber hinweg, dass knapp jede*r vierte Ni­ge­rianer*in keinen Zugang zu einer Toilette hat. Mehr als 94 Millionen Menschen leben in absoluter Armut. Andersherum ist Mali nicht ein einziges Camp Castor, wo jede*r stets in Alarmbereitschaft lebt. Auch wenn die Sicherheitslage vielerorts immer prekärer wird, sind Millionen Menschen mit ihrem Alltag beschäftigt – wie überall auf der Welt.

Schließlich ist das Durchhecheln durch Afrika schlichtweg unhöflich. Selbstverständlich ist die Zeit für Politiker*innen-Reisen knapp bemessen, natürlich müssen Besuche sorgfältig geplant werden. Wer Ländern wie Nigeria jedoch nur ein paar Stunden widmet, kann es auch gleich lassen. Die Kurztrips zeigen nämlich zwei Dinge: Es ist zwar längst klargeworden, dass man an Afrika – und gerade am Giganten Nigeria, aber auch den Sahelstaaten Mali, Burkina Faso und Niger – nicht vorbeikommt. Sie sind riesige Absatzmärkte und enorme Risikofaktoren gleichermaßen. Jede*r möchte einen Fuß in der Tür haben. Zugleich jedoch erscheinen sie bis heute dem Globalen Norden nicht wichtig genug, um sich ernsthafter mit ihnen auseinanderzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Westafrika-Korrespondentin
Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • True!

  • Deutschlands Politik und gerade die Wirtschaft hat es bis heute kaum verstanden in den Staaten und der Wirtschaft Afrikas Partner zu sehen.



    Dümmliche Aussagen mit rassistischer Note sind bei vielen deutschen Politikern und Managern ebenso vertreten wie eine ebenso falsche Bewertung der AfrikanerInnen als romantisierte ewige Opfer von der anderen Seite der politischen Landkarte.



    Die Realitäten, die Stärken und das Potential der afrikanischen Staaten zu sehen, die Unterschiede zwischen diesen, die Stärken und Schwächen, das alles geht nicht in drei Tagen Länderhopping. Was Afrika braucht ist direktes und landfristiges Engagement, sind ehrliche Investitionen und nicht ein mehr an Entwicklungshilfe. Auch wenn viele Gross- und Hauptstädte in Afrika sich rasant entwickeln, sowohl wirtschaftlich als auch sozial, leben immer noch viele Millionen Menschen in Verhältnissen wie im Europa der Eisenzeit. Das zu verändern, ohne massive soziale Brüche, Konflikte und irreparable Umweltschäden wird die grosse Aufgabe der afrikanischen Regierungen und Bevölkerungen sein, da sollte Deutschland Partner zu sein, nicht Geldgeber oder klugscheissernder Besserwisser.



    Eine gebildete und immer ungeduldiger auf Refomen und Teilhabe pochende Mittelschicht in den Städten, ein teils enormer Anteil städtischer Bevölkerung in prekären Lebensverhältnissen, eine abgehobene Oberschicht und die teils noch subsistent lebende Landbevölkerung, Bildung auf Weltniveau und starke Religiösität, soziales Engagement und Korruption, wirtschaftliche Energie und überbordende Verwaltung, kulturelle Vielfalt und Offenheit aber auch starre Traditionen, es gibt so viele Gegensätze wie aus auch das „Afrika“ nicht gibt.



    Daher brauchen Veränderungen auch Zeit, gehen aber in vielen Staaten Afrikas trotzdem erstaunlich schnell und problemlos vor sich. Diese Veränderungen zu begleiten und zu unterstützen braucht Geduld und Klugheit.