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Nach dem Tod von Abu Bakr Al-BaghdadiRätselraten um den neuen IS-Chef

Abu Ibrahim Al-Hashimi Al-Kuraischi soll der neue Kalif des sogenannten Islamischen Staates sein. Wer ist das? Mutmaßungen über ein Phantom.

US-Einheiten beim Angriff auf den Wohnsitz des vorherigen IS-Chefs Abu Bakr al-Baghdadi Foto: reuters

Kairo taz | Die Bestätigung des Todes des alten und die Ernennung des neuen Chefs des IS, des sogenannten Islamischen Staates, kam wie erwartet über das Internet und wurde über den IS-Medien-Arm Al-Furqan verbreitet, drei Tage nachdem US-Präsident Donald Trump den Tod des IS-Kalifen Abu Bakr Al-Baghdadi verkündet hatte.

In der Audio-Erklärung, vermeintlich vom neuen Sprecher des IS, Abu Hamza Al-Qurashy gesprochen, heißt es, man trauere um Abu Bakr Al-Baghdadi, den Kommandeur der Gläubigen. Der Ältestenrat der heiligen Krieger hätte sich zusammengesetzt, um einen Nachfolger zu bestimmen, der unter dem Namen Abu Ibrahim Al-Hashimi Al Kuraischi vorgestellt wird.

In der siebenminütigen Ankündigung werden keine weiteren Details über den Hintergrund des neuen IS-Chefs offengelegt. Seitdem wird spekuliert, wer hinter dem Kampfnamen stecken könnte. Warum der Neue den Namen Al-Kuraischi trägt, könnte damit zu tun haben, dass der IS versucht, ihn religiös zu legitimieren, da dieser Name beweisen soll, dass es sich um einen Nachkommen des Propheten Muhammad handelt.

Mit großer Wahrscheinlichkeit Iraker

Der IS bezieht sich dabei auf die Sammlung von Überlieferungen des Propheten, die der islamische Rechtsgelehrte Al-Buchari im 9. Jahrhundert gesammelt hat. In seiner Sammlung interpretiert er eine der Überlieferungen so, dass der religiöse Führer aus der Kuraisch-Linie stammen sollte. Der IS hat diese Interpretation bei der Wahl eines Kalifen scheinbar übernommen.

Es wird auch viel darüber gemutmaßt, welche Nationalität der neue IS-Chef hat. Laut dem irakischen Experten für militanten Islam, Hassan Abu Haneya, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er Iraker ist. Denn vor allem im engen Zirkel um den getöteten Baghdadi und in den obersten Rängen des IS für militärische und Sicherheitsbelange, befinden sich überdurchschnittlich viele Iraker, die sich aus der Zeit im Kampf gegen die US-Besatzung im Irak kennen und die zum Teil dort gemeinsam in US-Gefangenlagern saßen.

Viele von ihnen waren ehemalige Offiziere der irakischen Armee unter Saddam Hussein, die der US-Besatzungsverwalter Paul Bremer nach dem Irakkrieg auflösen ließ. Es gibt aber auch andere Spekulationen: Dass es sich um einen Tunesier, Ägypter oder Jordaniern, oder wegen des Namens Kuraischi, um einen Saudi handeln könnte, ohne das weiter zu untermauern.

Wer aber steckt hinter dem Kampfnamen? Ein Name, der öfters fällt, ist Abdullah Qardash, der schon eine Weile als Baghdadis möglicher Vize gehandelt worden war. Er ist auch bekannt als Abu Omar Al-Turkamni, was darauf hinweist, dass er der turkmenischen Minderheit im Irak angehört.

Ehemaliger Offizier der irakischen Armee?

Laut dem irakischen Fernsehsender Al-Sumaria soll es sich bei ihm um einen ehemaligen Offizier der irakischen Armee handeln, der nach dem Sturz Saddam Husseins mit Al-Qaida im Irak zusammengearbeitet hatte und Baghdadi wahrscheinlich aus der gemeinsamen Haftzeit im US-Gefangenlager „Camp Bucca“ im Irak kennt.

Qardash soll Baghdadi in der irakischen Stadt Mossul empfangen haben, nachdem diese vom IS erobert worden war. Von dort hatte Baghdadi auch im Sommer 2014 das Kalifat und sich selbst als Kalifen des IS ausgerufen.

Laut dem irakischen Terrorexperten Abu Haniya habe Qardash danach die Abteilung für Öffentliche Sicherheit in Syrien und dem Irak geleitet, und hatte damit innerhalb des IS eine wichtige Rolle inne. Später soll er als eine Art Verteidigungsminister des IS fungiert haben und war auch unter dem Namen Al-Hashimi, „der Zerstörer“ bekannt. Abu Haneya erwartet, dass der neue IS-Chef noch gewaltsamer als sein Vorgänger vorgehen wird und eine noch striktere Interpretation des Islam vertritt.

Oft versucht der IS mit einer ganze Reihe von Kampfnamen, die sich im Laufe der Zeit immer wieder verändern, die wahre Identität der Führungsebene zu verschleiern

Bestätigt sind all diese Informationen bisher nicht. Oft versucht der IS mit einer ganze Reihe von Kampfnamen, die sich im Laufe der Zeit immer wieder verändern, die wahre Identität der Führungsebene zu verschleiern. Dabei steckt der IS aber in einem Dilemma: Einerseits will er aus Sicherheitsgründen und um den neuen Chef zu schützen, nur so wenig Informationen wie möglich über den neuen IS-Kalifen veröffentlichen.

Gleichzeitig aber möchte die militante Islamistenorganisation auch ihre Anhänger hinter dem neuen IS-Chef zum Durchhalten mobilisieren und sich derer Treue versichern – doch einem Phantom huldigt es sich nur schlecht.

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1 Kommentar

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  • Würde Mal in die Türkei schauen. Erdoan ist gleich Terrorismus. Er unterstützt sie mit Waffen, Sie Kämpfen für Ihn, Er pflegt Sie beschützt in Seinen Krankenhäuser. Wie blind kann man denn noch sein und nicht zu sehen was Da läuft.