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Männervereine und GemeinnützigkeitWeitgehend nutzlos

Reinen Männervereinen soll die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wenn es nach Finanzminister Olaf Scholz geht. Gut so.

Mannsbilder unter sich: Schützenverein zu Beginn der Wiesn in München Foto: Michael Westermann/imago images

Warum besteht unsere Gesellschaft immer noch so erstaunlich häufig auf Bereichen, zu denen Frauen keinen Zutritt haben? Klar, der katholische Klerus fällt einem für gewöhnlich als Erstes ein, aber auch im Kleinen wird immer wieder männlicher Rückzugsraum zelebriert, ob sich die Herren beim Fest mal „auf ’nen Schnaps“ zurückziehen, ob Onkel Harry mal „nur die Jungs“ zum Gokarten einlädt – oder wenn Vereine in ihrer Satzung Frauen ausschließen.

Anlass, darüber nachzudenken, gibt die Absicht von Finanzminister Olaf Scholz, das Gemeinnützigkeitsrecht so zu reformieren, dass es keine Steuervorteile mehr für diejenigen Vereine gibt, die Frauen den Zutritt verwehren. Das hat der SPD-Politiker der Bild am Sonntag verraten.

Gemeinnützigkeit ist ein fiskalischer Begriff, der bedeutet, dass kulturelle, künstlerische oder Bildungsvereine Steuervorteile erhalten, wenn sie zum Wohle der Allgemeinheit agieren. Einer der bekanntesten Vorteile der Gemeinnützigkeit ist, dass Spender*innen Zuwendungen an einen Verein steuerlich absetzen können. Nun will der Finanzminister also an die Männerbünde ran. Das ist kein revolutionärer Vorstoß, vielmehr wird eine Gesetzesgrundlage langsam nötig, weil zuletzt mehrfach Gerichte in Einzelfällen die Gemeinnützigkeit entzogen haben oder damit drohten. Das betraf 2017 schon eine Freimaurerloge und kürzlich entging dem knapp ein Aachener Karnevalsverein.

Dabei ist der springende Punkt für die Gerichte konkret der „sachgrundlose“ Ausschluss von Frauen. Wer schlüssig begründen kann, warum sein Verein unbedingt männlich bleiben muss, hat noch eine Chance.

Schauen wir also mal, welche Begründungen das sein könnten.

Eigendynamik von „homosozialen Räumen“

Was zunächst in den Sinn kommt, ist Sport. Die meisten Sportarten werden binärgeschlechtlich aufgeteilt betrieben. Das ist hier aber irrelevant, weil die Gemeinnützigkeit nicht auf Teams innerhalb eines Vereins abzielt, sondern nur auf den Verein als Ganzes. Geschlechtertrennung nach innen heißt ja nicht, dass Frauen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Nur wer unbedingt einen rein männlichen Schützen-, Bowling- oder Ruderverein möchte, genießt dann eben keine Steuervorteile. Wohlgemerkt nur, wenn Frauen in der Satzung aktiv ausgeschlossen werden. Wenn sich einfach keine Frau findet, die mitmachen möchte, wäre das weiter kein Problem.

Die menschliche Biologie ist keine zweigeteilte Veranstaltung

Eine andere Sachbegründung wäre die biologistische. Selbsthilfegruppen für Männergesundheit könnten diese vorbringen, und wo sie auch immer mal wieder auftritt, ist im Zusammenhang mit Knabenchören. Nun ist die menschliche Biologie aber keine säuberlich zweigeteilte Veranstaltung. Was landläufig als männliches Organ, männliche Krankheit oder männliche Stimme gelten mag, kann auch Frauen betreffen. Wer einen Verein hat, wo sich Menschen mit Hodenkrebs austauschen, kann ganz einfach Menschen ohne Hodenkrebs ausschließen.

Womit wir beim dritten möglichen Argument wären: Tradition. Männer unter sich weil – macht man halt so. Männer sollen doch auch mal unter sich sein können, und man muss ja nicht gleich immer! Nun ja. Hier wäre die Detailfrage Gemeinnützigkeit mal eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken, was für einen Nutzen die Allgemeinheit von männerbündischen Räumen hat. Und ob man das fördern oder nicht viel lieber abbauen möchte.

Die Soziologie spricht bei rein männlichen Institutionen von „homosozialen Räumen“ und schreibt ihnen eine gewisse Eigendynamik zu. Das gewaltvolle Geschlechterverhältnis wird in ihnen tendenziell verstärkt, eine toxische, eingeschränkte Männlichkeit zum Standard erhoben, unter der nicht nur Frauen leiden, sondern auch Männer.

Während Frauenräume historisch dadurch entstehen, um sich gegen männliche Aggression und Dominanz zu schützen, befördert der männliche Rückzugsraum tendenziell Aggression und Dominanz. Zumindest aber stehen sie für die Weigerung, toxische Männlichkeit abzubauen – denn dafür wäre notwendig, alle Geschlechter ganz selbstverständlich und auch gleichberechtigt in alle Bereiche des Alltags einzubinden. Wer sich stattdessen lieber im Männerklub seiner Männlichkeit vergewissert, kann das tun. Zum steuerlich geförderten Kulturgut erklären muss man das jedoch nicht.

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14 Kommentare

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  • Mir fällt jetzt adhoc tatsächlich gar kein sinnvolles Beispiel für einen gemeinnützigen Männerverein ein. Von daher finde ich es gut, wenn da mal etwas aufgeräumt wird.

  • Weder ist es so, dass Männer unter sich immer besonders aggressiv, gewalttätig oder "toxisch" sind, noch ist es so, dass Frauen nur unter sich sind, um sich vor Männern zu schützen oder nicht aggressiv oder "toxisch" sein können. Das sind sexistische Klischees, diese Vorstellung von der Frau als schwaches Opfer ist auch nicht gerade feministisch.



    Mamchmal machen Männer gern was unter sich, manchmal machen Frauen gern was unter sich, oft machen Menschen gern was in gemischten Gruppen. Worauf es für die Gemeinnützigkeit ankommt, ist, ob das was diese Menschen machen wirklich gemeinnützig ist, nicht darauf, wieviel Prozent einen Penis haben und wer alles mitmachen darf.

  • Im Grunde ist es doch nicht schwer.

    Wenn es ein Verein ist, bei dem es einfach keinen Sinn macht, oder sogar kontraproduktiv ist, daß andere Geschlechter mitmischen, dann weiß ich nicht warum das ein Problem sein sollte.

    Viel sinnvolle Beispiele für reine Frauen/Männer/Diverse-Vereine gibt es nicht, aber eben doch ein paar. Und ich weiß nicht mit welcher Berechtigung man denen nun das Leben schwer machen will.

    Erfolgt der Ausschluß von Geschlechtern ohne jeden rationalen Grund dann ist nichts gegen die Streichung der Gemeinnützigkeit einzuwenden.

    Und ja ich erwarte, daß das für alle Geschlechter (m/w/d) absolut gleich gehandhabt wird.

    Für mein Gefühl ist diese Aktion reines "Marketing" ohne Nachzudenken von Herrn Scholz.

    Es ist ratsam sich mal einen Überblick zu schaffen, welche bizarre Vereinskonstrukte mit fragwürdigen Zielen in D zum Teil als allgemeinnützig gelten. DA liegt das wahre Problem, nicht in den Geschlechtern.

  • Es dreht sich nicht um die Zusammensetzung der Vereine, es dreht sich um die Zielsetzung, die Gemeinnützigkeit, sonst nichts.



    Da fällt mir Alfred Tetzlaff aus "Ein Herz und eine Seele" ein. Der Sozi ist nicht grundsätzlich dumm, er hat nur sehr viel Pech beim Nachdenken. Das Motto der SPD lautet: "Gestern standen wir vor dem Abgrund, heute sind wir ein Schritt weiter"

    • @Vordenker112:

      Sach mal so.

      Beim Vordenken würd ich die - 112 - gut verwahren. Wenn’s wie hier schief geht.

      kurz - dumm gelaufen - wa.

      unterm—- Get it? —



      Na - ich weiß ja nicht. 🥳

  • Lächerlich, hat der Mann keine anderen Sorgen? Was ist denn mit reinen Frauenvereinen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es rechtmäßig wäre, den Entzug der Gemeinnützigkeit auf reine Männervereine zu beschränken. Das werden lustige Prozesse und Herr Scholz dürfte alleine mit dieser Ankündigung seiner Partei einen Bärendienst erwiesen haben.

  • Auch wenn ich die 3 Punkten zum Thema Gemeinnützigkeit für Vereine teile, würde ich dem letzten Absatz doch entschieden widersprechen wollen.

    "Zumindest aber stehen sie für die Weigerung, toxische Männlichkeit abzubauen – denn dafür wäre notwendig, alle Geschlechter ganz selbstverständlich und auch gleichberechtigt in alle Bereiche des Alltags einzubinden."

    Bei meinem Arbeitgeber gibt es im Gebäude ein Fitnessstudio für Angestellte, dort gibt es sowohl Kurse mit Trainern wie auch mehrere "freie Gruppen."

    Montags machen wir normalerweise zu 3 oder 4 30 Minuten HIIT und dann eine Abschlussübung, brennendes Dach oder bring Sally up oder ähnliches, das ist eine reine Männerrunde. Das haben sich auch einige Frauen angeschaut oder auch mal mitgemacht. War aber von der Intensität nichts für sie, es ist ja auch nicht Sinn der Sache, das man das Licht auf sich zukommen sieht.

    Dann gab es da 2 Kolleginnen die gesagt haben, könnt ihr nicht die Übungen ändern oder einen Runde Wiederholung streichen damit wir mitmachen können?

    Wollten wir aber nicht, das Training forderte uns so wie es war optimal. Also sagten wir, schenkt euch doch einfach die letzte Wiederholung und wir machen die trotzdem weiter, wollten Sie auch nicht. Durfte ich mir auch diese "toxische Männlichkeitsprüche" anhören.

    Dann hat ein Gruppenmitglied vorgeschlagen, macht doch einfach eure eigene Gruppe auf, wir stellen euch unsere Übungspläne zur Verfügung und ihr sucht euch den Intervall und die Übungen aus die euch weiterbringen.

    Genauso läuft es jetzt, die sind inzwischen eine gemischte Gruppe mit 12 Leuten und jeder hat ein forderndes Programm und Mittwochs machen wir zusammen Yoga.

    Unterschiede können aus verschiedenen Quellen kommen, sie aber zu ignorieren führt zu nichts. Klimmzüge fallen Frauen durchschnittlich schwerer als Männern, das liegt am höheren Körperfettanteil, ≠ Hormonhaushalt und der schwächeren Muskulatur, das ist ein biologischer Fakt.

    • @Sven Günther:

      kurz - dem Gleichen ist alles gleich.



      &



      Mal genderneutral die Eier weglassen - reicht fürs Gleichheissatzverstehen! Nicht aus - rein männertoxisch gesehen.



      Normal Schonn.

      • @Lowandorder:

        Ungleichheit ist eben nicht auch immer Ungerechtigkeit.

        • @Sven Günther:

          Erteile hiermit den Schein h.c.



          3. Sem. kl Öffentlicher 🧐

          kurz - Klimmzüge soweits Auge reicht🐒

    • @Sven Günther:

      Die US Marines hatten 2014 im Eignungstest eine Klimmzugsaufgabe. Männer mussten 20 für die Maximalpunktzahl schaffen, Frauen 8, aber beide mindestens 3.

      Bei den Frauen sind 55% durchgefallen und bei den Männern 1%, dann ist das ausgesetzt worden.

      www.spiegel.de/pol...-aus-a-941632.html

  • "Während Frauenräume historisch dadurch entstehen, um sich gegen männliche Aggression und Dominanz zu schützen, befördert der männliche Rückzugsraum tendenziell Aggression und Dominanz."



    In Frauenfelssoistdas gemeißelt - aus welchem Jahrhundert eigentlcih?

    • @solcherich:

      Aus diesem Jahrhundert.

  • „Wenn sich einfach keine Frau findet, die mitmachen möchte, wäre das weiter kein Problem.“

    Das sehe ich ganz anders. Wenn sich unter den Mitglieder eines Vereins dauerhaft keine Frau finden lässt, wird man durchaus davon ausgehen dürfen, dass Frauen dort nur pro forma (nur vorgetäuscht; zum Schein) zugelassen, im Grunde aber doch unerwünscht sind.



    Da es sich bei der Gemeinnützigkeit um einen steuerlichen Tatbestand handelt, gelten hier für Vereine auch dieselben Regeln der Abgabenordnung hinsichtlich Wahrheit und Klarheit, Täuschung, Steuerverkürzung und Steuerhinterziehung etc. wie für jeden anderen Steuerpflichtigen auch.