piwik no script img

Berlin feiert 30 Jahre MauerfallGeschichte wird gemacht

Vor 30 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen. Das wird fest gefeiert: Ein ausgewählter Countdown zum 9. November.

Und dann war sie auf und alles strömte Richtung Westen: Nachgebaute Mauerfallszene Foto: Miniatur Wunderland Hamburg

Eine queerer Salonabend

7 Es soll ans Eingemachte gehen, um 30 Jahre „Ost-Erfahrung“ – wohl deshalb werben die Sophiensaele mit einem Einmachglas voller eingeweckter Bananen für ihr noch bis zum 10. November laufendes Festival „Das Ost-West-Ding“ mit Performance, Tanz, Theater und Diskurs.

Dabei stehen die Auswirkungen der Wende auf migrantische, queere und feministische Communities ebenso im Zentrum wie der Status quo der Zivilgesellschaft im Osten. Unter dem Motto „Aufbruch, Abbruch, Umbruch“ laden Tucké Royale und Kaey am Samstag, 2. November, zu einem Salon- und Liederabend ein. Es handelt sich dabei um ihre erste Zusammenarbeit, beide sind zwei Größen der queeren Szene, sie verbindet einiges: Beide wurden in der DDR – in Quedlinburg und Halle (Saale) – geboren, wuchsen in Sachsen-Anhalt auf und landeten in Berlin.

Nun also ein launiger musikalisch-literarischer Abend zum Migra­tionshintergrund Ost. Und über Anpassung und Politisierung, über Coming-of-Age und Coming-of-Gender ins Gespräch zu kommen. Um Jammer-Ossis und Besser-Wessis dürfte es dabei aber auch gehen. (heg)

2. 11., Sophiensaele, Sophienstr. 18, 21 Uhr, 10/7 Euro

Die Mauer im Bild

6 Dass es sie nicht mehr gibt, wird ja in diesen Tagen gefeiert. Aber es kann überhaupt nicht schaden, sie sich noch einmal anzuschauen, die Mauer, und wie sie die Stadt zerschnitt. Eine „Heimatkunde“. So nennt sich die Ausstellung mit Fotos von Robert Conrad, ausgewählt aus einem Zyklus von 5.000 Bildern, die von November 1989 bis Januar 1991 entstanden sind: als eine systematische fotografische Bestandsaufnahme der 155 Kilometer langen Grenzbefestigung um Westberlin. Einige wenige Fotografien wurden bereits 1987 und 1988 illegal in Ostberlin aufgenommen. Eröffnung der Schau ist am Sonntag, 3. November, kurz nach Mittag in der Friedrichshainer Auferstehungskirche.

Und die ist wiederum ja selbst ein Ort, an dem damals die offizielle DDR wenigstens versuchsweise abgewickelt wurde. Denn auch in der Auferstehungskirche fand mal eine der Bluesmessen statt, diese Mischung aus Musik, Systemkritik und Gebet, mit der Jugendliche eben auf (etwas sichererem) kirchlichem Grund zum Ausdruck brachten, dass sie sich durchaus eine ganz andere DDR vorstellen könnten. Die „Heimatkunde“-Ausstellung mit der aufgebauten Mauer läuft dann bis 30. November. (tm)

3. 11., Auferstehungskirche, Friedenstr. 83, 12.15 Uhr

Jede Menge Wünsche: Kunstinstallation „Visions in Motion“ am Brandenburger Tor. Foto: rtr

Das Volk in der Volksbühne

5 Nur um das noch einmal in ganz nüchternem Wikipedia-Sprech festzuhalten: „Die Alexanderplatz-Demonstration war die größte nicht staatlich gelenkte Demonstration in der Geschichte der DDR. Die Demonstration fand am 4. November 1989 in Ost-Berlin statt und war die erste offiziell genehmigte Demonstration in der DDR, die nicht vom Machtapparat ausgerichtet wurde.“

Und präzise 30 Jahre danach will man in der Volksbühne eine Art Heimholung des Ereignisses, das ja eben auch dort am Rosa-Luxemburg-Platz einen Anfang hatte. Gemeinsam mit anderen Theatern hatte das Haus die Alexanderplatz-Demonstration initiiert. Bei der „Wiederaufnahme“ am Montag, 4. November, darf man nun in der Volksbühne einen „post- und prärevolutionären Kessel Buntes“ erwarten mit Szenen, Musik, Film, unter anderem mit Georg Katzer, Margarita Breitkreiz, Annekathrin Bürger, Funny van Dannen, Knorkator, der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot, Jürgen Kuttner … alle haben ihren Auftritt bei „Ost-Berlin. Revue einer verpassten Gelegenheit“. Die wird auch aus dem Großen Haus ins Sternfoyer übertragen, wofür es an der Abendkasse gegebenenfalls noch Restkarten gibt. (tm)

4. 11., Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, 20 Uhr

Geschichten der Übernahme

4 Jahrestage sind ja die beliebten Kerben im Kalender, um – rückblickend – eine Bilanz zu ziehen. Wie eigentlich so die Sache gelaufen ist zum Beispiel in den letzten 30 Jahren, mit besonderer Berücksichtigung der nachwendischen Anfangszeit. Der aus dem Osten stammende Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk hat das in seinem frischen Buch „Die Übernahme“ gemacht. Untertitel: „Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde“.

„Eine sehr lesenswerte Bilanz, was in diesen Wendewirren tatsächlich passiert ist“, lobte Anja Maier in der taz das Buch, der Autor „schmeichelt niemandem, leistet sich widersprüchliche Haltungen und Gefühle und unterlegt das Behauptete mit unzähligen Fakten“. Am Dienstag, 5. November, stellt Kowalczuk „Die Übernahme“ in den Museen Dahlem vor. (tm)

5. 11., Museen Dahlem, Lans str. 8, 19.30 Uhr, 3–12 Euro

Ach, wie hat sich das verändert. Immerhin darf heute auch nicht mehr durchgefahren werden Foto: rtr

Hey, hier kommt Alex

3 Punk gab es auch in der DDR. Und Punkbands durften sich sicher sein, dass der Staat mit seinen Organen schon recht genau schaute, was da so passiert. Was in Westdeutschland doch anders war. Da rümpfte bestenfalls das Feuilleton die Nase über diese anrüchige Rotzlöffelmusik.

Am Mittwoch, 6. November, darf man sich auf dem Alexanderplatz ost-west daran erinnern. Da spielt die Ostberliner Punkband Zerfall, die sich 1983 bei einem Weihnachtskonzert in der Galiläa-Kirche in Friedrichshain gegründet hat. Danach kommen die Fehlfarben auf die Bühne, die von Düsseldorf aus allein schon mit ein paar Stummelsätzen Geschichte geschrieben haben: „Keine Atempause. Geschichte wird gemacht. Es geht voran.“ (tm)

6. 11. Alexanderplatz, 19.30 Uhr. Eintritt frei

Vergangenheit im Kleinformat

2 Mal durchschnaufen, das Thema im Kleinformat betrachten. Im Forum Willy Brandt finden sich in der Ausstellung „Geteilte Stadt. 1945–1990“ sieben Dioramen, die am Beispiel einer fiktiven Berliner Straßenkreuzung (siehe das Bild oben) das Leben mit und gegen die Mauer zeigen. Die Miniaturschau ist bis 30. April 2020 täglich zu sehen. (tm)

Forum Willy Brandt, Behren str. 15, 11–17 Uhr. Eintritt frei

Wieder eine Touristenattraktion, aber von beiden Seiten Foto: rtr

Nix geht ohne David

1 Klar, kein Mauerfalljubiläum ohne David Hasselhoff, von dem alle Jahre wieder die Mär erzählt wird, er würde glauben, mit seinem Gassenhauer „Looking for Freedom“ zumindest zum Fall der Berliner Mauer beigetragen zu haben.

Stimmt ja gar nicht, und er weiß das am besten: Die Mauer war längst gefallen, als Hasselhoff seinen Song, der 1989 die Charts stürmte, zur ersten großen Silvestersause am Brandenburger Tor sang. Schon zwei Tage später war Hasselhoff zurück in Amerika am Set von „Baywatch“ und verteilte Mauerstücke an seine ungläubigen Kollegen …

Hasselhoff ist übrigens, man glaubt es kaum, ein selbstironischer Typ, der sich nicht scheut, sich selbst zu parodieren. Das ist in der Dokumentation „Beeing David Hasselhoff“ von Oliver Schwabe am Freitag, 8. November, zu sehen, in der Hasselhoff seine Geschichte humorvoll erzählt. Das ist allemal besser als die vielen Dokus zur Wendezeit, die in diesen Tagen und Wochen nicht nur beim RBB laufen (und in Mediatheken auf Abruf warten) – mit den immer gleichen Bildern aus den unerschöpflichen Archiven. (heg)

8. 11., RBB, 23.30 Uhr

Die Sause am Tor

0 An dem Tag trifft man sich natürlich, dem Anlass angemessen, am Brandenburger Tor. Und natürlich wird man da an diesem Samstag, 9. November, nicht alleine herumstehen, bei der Feier von 30 Jahren Mauerfall mit der großen Bühnenshow am Brandenburger Tor. Der Bundespräsident darf eröffnen. (tm)

9. 11., Brandenburger Tor, 17.30 Uhr, Einritt frei

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Chaostheorie

    Der Flügel des Schmetterlings.......

    .....das tritt nach meiner Kenntnis, unverzüglich, ab sofort.....

    Es ist immer noch erstaunlich wie solche hingestotterten Sätze die Welt veränderten und verändern.

    Natürlich war es ein echtes großes Theaterspiel.Es gab Helden, Schurken Gewinner und Verlierer. Musik gab es auch.



    Ob es eine Komödie oder ein Trauerspiel war und ist, muß jeder für sich entscheiden.



    Ich kann sagen, wir waren am 9. November auf der Bornholmer Brücke. Dieses Gefühl erzeugt aktuell immer noch Gänsehaut.

    WAHNSINN!

    Wir waren bei einem Geschichtsereignis dabei.Das kann uns niemand nehmen. Kein Schuss ist gefallen. Diese emotionalen Gefühle werden nur noch bei der Geburt eines Kindes übertroffen.

    Und nun wieder in die Niederungen der damaligen und aktuellen Analyse.....

  • Wie bestellt, so geliefert

    Die "Guten" wollten 1989 einen reformierten Sozialismus, eine echte Demokratie ohne Diktatur des Kapitals. Die "breite Masse" fing dann an, nach D-Mark zu schreien und nach Einheit, weil sie sich irgendwie West-Eier und West-Schrankwände wünschte (warum auch immer).

    Heute hocken viele dieser Leute mit Hartz4 oder einem Mikrojob da, verfluchen die "Systemparteien" und kreuzen AfD.

    Da fragt man sich natürlich, ob hier nicht ein gehöriges Maß an Mitverantwortung für die Misäre vorliegt.

    PS: Ich bin selber Ossi und habe das Theater damals live miterleben dürfen. Daher glaube ich auch, hier mal Kritik anbringen zu dürfen.