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Professur für Geschichte der SklavereiUnerzählte Geschichten erzählen

Olivette Otele wird Professorin für Geschichte der Sklaverei. Für die erste Schwarze Geschichtsprofessorin Großbritanniens gibt es viel zu tun.

Olivette Otele wird Professorin für Geschichte der Sklaverei an der Universität Bristol Foto: University of Bristol

Es ist viel passiert in letzter Zeit im Leben von Olivette Otele: Erst vergangenes Jahr wurde sie Professorin an der Bath Spa University – als erste Schwarze Geschichtsprofessorin Großbritanniens. Kurz darauf wählte die BBC sie zu einer der 100 Frauen des Jahres 2018. Und nun verkündete die University of Bristol am Mittwoch, dass Otele ab Januar 2020 die neu eingerichtete Professur namens History of Slavery innehaben wird.

Otele wurde 1970 in Kamerun geboren, kam aber schon als Kind nach Frankreich und wuchs in Paris auf. „Ich wurde von meiner starken, liebevollen und unabhängigen Großmutter beeinflusst“, sagte sie dem Magazin Times Higher Education über die Zeit in Kamerun. Ihre Großmutter habe ihr beigebracht, sich zu lieben, ohne in sich verliebt zu sein. Von Paris habe sie Selbstbewusstsein und Arroganz gelernt.

Otele spricht Französisch, Englisch, Ewondo, Eton, Bulu und etwas Deutsch, sie kann Spanisch und Portugiesisch lesen. Ihre Doktorarbeit über europäische Kolonialgeschichte und Postkolonialismus schrieb sie an der renommierten Pariser Universität Sorbonne, Geopolitik und die Aufarbeitung der kolonialen Geschichte Großbritanniens und Frankreichs sind ihre Kernthemen.

Sie selbst beschreibt sich als kämpferische Geschichtswissenschaftlerin, weil sie versucht, möglichst viele neue Perspektiven in eine weitgehend westliche, eurozentrische Geschichtsschreibung einzubringen. Ihr Buch „African Europeans“, das im kommenden Jahr erscheinen wird, trägt den Untertitel: „An Untold History“.

Schwarze Frauen in akademischen Räumen marginalisiert

Um bisher unerzählte Geschichten wird es auch in ihrer neuen Position gehen. Ab Januar wird eine ihrer ersten Aufgaben sein, anhand eines zweijährigen Projekts Verwicklungen zwischen dem transatlantischen Sklavenhandel und der Geschichte der Universität in Bristol aufzuarbeiten. Otele erklärte dazu: „Ich möchte eine rigorose, umfangreiche Forschungsarbeit in die Wege leiten, die nicht nur für die Universität und die Stadt von Relevanz ist, sondern die zu einem Vorbild wird für die Art und Weise, wie Großbritannien die eigene Kolonialgeschichte betrachtet, anerkennt und lehrt.“

Das Gefühl, Großbritanniens erste Schwarze Geschichtsprofessorin zu sein, beschrieb sie im vergangenen Jahr als merkwürdig: „Weil ich die Erste bin und, na ja, es ist 2018.“ Strukturelle Bedingungen würden Schwarze Frauen mit Kindern wie sie in akademischen Räumen weiterhin marginalisieren. Diese müssten besonders hart arbeiten, um dort hinzukommen, wo sie heute steht. So viele vor ihr haben ähnliche Kämpfe führen müssen.

„Ich dachte sofort an meine Oma, meine Mutter und all diese Frauen, die sehr hart gearbeitet haben, ohne dafür Anerkennung zu bekommen“, sagte sie, nachdem sie in Bath Geschichtsprofessorin wurde. Deswegen möchte sie auch mehr als ein Vorbild sein: „Die erste Schwarze Geschichtsprofessorin zu sein, bedeutet für mich nichts, wenn ich nicht in der Lage bin, andere zu ermächtigen.“

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2 Kommentare

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  • Ich finde es gut, dass es bald eine Professur für die Geschichte der Sklavrei in Bristol geben wird, jener Stadt, die einst einen großen Sklavenmarkt hatte. Leider reicht diese Geschichte bis in die Gegenwart und muss daher, wie andere Geschichte auch, weiter fortgeschrieben werden.

    Ich findes es gut, dass eine Afroeuropäerin mit dunkler Haut diese Professur innehaben wird.

    Mowgli, von Arroganz sehe ich in ihrem Gesichtsausdruck nichts, wohl aber von Selbstbewusstsein. Renommee muss nicht mit Arroganz gekoppelt sein. Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen darf man aber haben, wenn man Expertise und ein gutes Ansehen hat.

  • Zitat: „Die erste Schwarze Geschichtsprofessorin zu sein, bedeutet für mich nichts, wenn ich nicht in der Lage bin, andere zu ermächtigen.“

    Fein. Nur: Ermächtigen wozu? Zu jener „Arroganz“, die von Paris zu lernen ist und die mit Renommee zu tun hat, oder zur selbstbewussten Eigenständigkeit, wie sie einzelne Großmütter lehren?