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Die Hand, die sich ihnen entwand

Wenn der Sportler zum Politclown wird: Der aktuelle Trendsport des Salutierens fußt auf einer Tradition der Herumfuchtelei

Paolo Di Canio: Am 6. Januar 2005 zeigt der Profi von Lazio Rom im Spiel gegen die Roma den faschistischen römischen Gruß Fotos: imago (4), archiv (2)

Von Markus Völker

Mario Mandžukić und Xherdan Shaqiri: Im November 2012 salu­tieren die damaligen Bayern-Profis; es wurde als Gruß an die kroatischen Kriegsgeneräle Ante Gotovina und Mladen Markač gedeutet

Es gibt zwei Schulen der Sportexegese. Die eine sagt: Sport und Politik kleben zusammen wie Siamesische Zwillinge. Die andere, entschieden nicht subversive, ist der Meinung: Sport und Politik sollten nichts miteinander zu tun haben.

Bastian Schweinsteiger: Im Juni 2013 schickt „Schweini“ mit dem serbischen Gruß eine Botschaft an seine Frau, die Tennis­spielerin Ana Ivanović
Ahmed Abdel-Zaher: Der Kicker des Kairoer Klubs Al-Ahly zeigt im November 2013 den sogenannten Rabia-Gruß an die Muslim­bruderschaft

Im Grunde haben beide Schulen recht, denn betrachtet man nur die Oberfläche der Unterhaltungsindustrie, dann haben die ­Konsumenten, also wir, ein verdammtes Recht darauf, einfach nur Sport serviert zu bekommen, die volle Dröhnung Zerstreuung ohne Politik; man hat es ja eh schon schwer genug im Alltag und will nicht noch am Abend mit den Pro­blemen in Nordsyrien behelligt werden, jedenfalls nicht in einer Sportsendung.

Gruß an die Streitkräfte: US-Cheer­leader sind mit dabei beim Salute for the Service

Doch unter dem doch recht dünnen Firnis der glatten Sportshow offenbart sich die im Grunde uferlose Unterwelt des politisierten Sports. Jene Welt, in der etwa ein Kreisliga­spiel in Neuss zwischen einem kurdischen und einem türkischen Team stattfindet, und ein Torschütze, ein Türke, nach dem dritten Treffer für seine Mannschaft die rechte Hand an die Stirn reißt – und salutiert, offensichtlich zu Ehren des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und der türkischen Armee, die gerade mit ein paar Einheiten und u. a. deutschem Militärgerät kurdische Stellungen in Syrien plattmacht. Das Spiel wird nach Tumulten abgebrochen, und es wird nicht das letzte dieser Art gewesen sein. Aber auch oben im Profigeschäft, also in der schönen und glitzernden Welt des Kommerzsports, rumort es beträchtlich.

Busenaz Sürmeneli: Die türkische Boxerin, dieses Jahr Welt­meisterin im ­Weltergewicht geworden, grüßt die türkische Armee

Es wird plötzlich salutiert auf Teufel komm raus, und wenn nicht salutiert wird, dann werden Salutierer gelikt, und der DFB sieht sich mit einer „Like-Affäre“ der Spieler Ilkay Gündogan und Emre Can konfrontiert, findet aber schließlich nichts weiter dabei, während der ehemalige deutsche Nationalspieler Mesut Özil zum Fürsprecher „seines“ Präsidenten wird, der jetzt ein Kriegspräsident ist. All die Arme, die jetzt plötzlich wieder hochgehen, und es muss ja nicht gleich der faschistische Gruß des Römers Di Canio (s. o.) sein, sie zerstören das Phantasma vom heiligen, reinen Sport. Das ist eine verdammte Zumutung.

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