: Protest sexy, Politik eher geht so
Verändern die Forderungen von Fridays for Future die Politik? Die Hunderttausenden von Menschen auf den Straßen? Hamburgs Parteien finden da keine überzeugenden Antworten
Von Marco Carini
Man kommt nicht drum herum: Um die 100.000 Klima-DemonstrantInnen in Hamburg am vorigen Freitag und die Bilder der wütenden Greta Thunberg bei den Vereinten Nationen. Fünf Tage nach den Großdemos und nachdem die Bundesregierung ihr Klimaprogramm beschlossen hat, erreichte der Streit um den Klimawandel am Mittwoch auch die Hamburgische Bürgerschaft.
Die Linken hatten die Klimadebatte angemeldet – sie nutzen derzeit jede Gelegenheit, sich als die wahre Klimapartei zu profilieren. Konkret aber hatte ihre Abgeordnete Heike Sudmann wenig zu bieten. Sie übte Kritik am Klimapaket der Bundesregierung und an der „nicht glaubwürdigen“ Klimapolitik von Hamburgs Grünen. Dazu der von allen Parteien geforderte „Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs“ und die Forderung nach einer „Klima-Reichensteuer“, die bei der Linken bislang schlicht Reichensteuer hieß – das war’s.
Konkreter wurde da Sudmanns Fraktionskollege Norbert Hackbusch, der den Verzicht auf die Verlagerung des Fernbahnhofs Altona zum Diebsteich forderte, mit der die Verringerung der Zahl der Gleise zwingend verbunden wäre. „Wir brauchen für den Bahn-Ausbau mehr und nicht weniger Gleise“, sagte Hackbusch.
Der CDU fällt zu den Klimademos derzeit nur das Bashing der DemonstrantInnen ein. Würden deren Forderungen umgesetzt, bedeute dies die „umfassende Vernichtung von volkswirtschaftlichem Eigentum“, warnte Stephan Gamm, Fachsprecher seiner Fraktion für Umwelt und Energie. Und überhaupt wären bei den Klimaprotesten in Hamburg „viel weniger Menschen gewesen als beim Christopher Street Day“. Die Grünen würden in Wedel „das älteste Kohlekraftwerk nicht abgeschaltet“ bekommen, die CDU hingegen hätte im Bund nun das „umfassendste Klimaprogramm in der Geschichte der BRD vorgelegt“. Vorschläge für Klimaschutz in Hamburg bei Gamm: Genau Null.
Bei der SPD verdeutlichte der Klimabeitrag von Monika Schaal, warum im Moment so wenig Menschen Gründe finden, Sozialdemokraten zu wählen. Das Klimaprogramm der Bundesregierung ist für die SPD-Umweltsprecherin „ein echter Durchbruch“, aber natürlich müsse man da „noch nachsteuern“. Die beschlossene CO2-Bepreisung sei „ein wichtiger Schritt“, aber vielleicht doch etwas niedrig angesetzt. Die Rede- beiträge von Schaal jedenfalls waren ein ganz entschiedenes Sowohl-als-auch.
Die Grünen haben es da derzeit einfacher: Umweltsenator Jens Kerstan und Fraktionschef Anjes Tjarks warnten scharf vor den Folgen des Klimawandels und kritisierten das Berliner Klimaprogramm samt Co2-Bepreisung als „nicht ausreichend“. Zeitgleich lobten sie die von ihrer Partei mit zu verantwortende Hamburger Umweltpolitik, obwohl auch diese bislang keine nennenswerten CO2-Einsparungen gebracht hat.
Und SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher? Was trieb der? Tschentscher schweigt zum Thema und illustrierte am Mittwoch den Vorwurf, dass die Politik beim Thema Klimawandel stets zu spät komme: Den Anfang der Debatte verpasste er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen