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Verfahren gegen Linksunten eingestelltDas Verbot muss gekippt werden

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Elf Strafverfahren sind eingestellt. Der nächste Schritt muss sein, das Verbot der linksradikalen Plattform zu kippen. Sonst droht ein Präzendenzfall.

Nächster Stopp Leipzig: Das Bundesverwaltungsgericht muss das Indymedia-Verbot kippen Foto: dpa

A uf den ersten Blick wirkte die Nachricht bahnbrechender als sie ist: elf Strafverfahren in der Sache „Linksunten.Indymedia-Verbot“ wurden eingestellt. Das ist ohne Zweifel eine gute Nachricht, sogar eine sehr gute, aber nicht die entscheidende in der ganzen Angelegenheit. Denn über das Verbot der linksradikalen Internetplattform, welches das Innenministerium im August 2017 ausgesprochen hat, ist noch nicht entschieden.

Die Strafverfahren, die nun eingestellt wurden, richteten sich gegen Unbekannt und gegen drei Freiburger*innen, bei denen im Zuge des Verbots Razzien durchgeführt worden waren. Der Verdacht lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung und Verstöße gegen das Vereinsgesetz. Linksunten wurde als Verein bezeichnet, ein Verbot ist hierbei besser zu verkaufen als bei einem Presseorgan.

Nun hat die Karlsruher Staatsanwaltschaft eingeräumt, dass gegen die Beschuldigten nicht genug vorliegt. Eine klare Vorstellung davon, wer zum vermeintlichen Verein gehören soll, haben offenbar weder das Innenministerium noch die Staatsanwaltschaft.

Und die bei den Razzien beschlagnahmten Speichermedien sind auch nach zwei Jahren in der Asservatenkammer noch verschlüsselt.

Das zeigt auch, dass das Verbot mit der heißen Nadel gestrickt war. Es war ein populistischer Akt des Innenministeriums im Bundestagswahlkampf 2017.

Ein unliebsames Webportal, ein Blog, ein linkes Zentrum, eine Nachbarschafts-Initiative wäre künftig dann vielleicht schneller als verfassungsfeindlicher Verein eingestuft, als man denkt

Der nächste logische Schritt wäre jetzt, sich das Verbot vorzunehmen – und zu kippen. Das muss das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig machen, dort ist die Klage dagegen anhängig. Den Richter*innen muss klar sein, dass sie einen Präzedenzfall schaffen, wenn sie das Verbot aufrechterhalten. Ein unliebsames Webportal, ein Blog, ein linkes Zentrum, eine Nachbarschafts-Initiative wäre künftig dann vielleicht schneller als verfassungsfeindlicher Verein eingestuft, als man denkt.

Anstatt jetzt weiter gegen potenzielle Vereinsmitglieder oder Sympathisant*innen des Portals zu ermitteln, wäre eine Entschuldigung seitens des Innenministeriums angebracht. Nicht nur gegenüber den mutmaßlichen Betreiber*innen, sondern gegenüber der Öffentlichkeit. In Zeiten, in denen Journalismus und die Glaubwürdigkeit von Journalisten oft einen schweren Stand haben, muss es oberste Priorität sein, die Presse- und Meinungsvielfalt zu schützen.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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7 Kommentare

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  • Sorry aber wer gegen Listen von Rechten mit Zielperson ist (was eigentlich jeder sein sollte), darf aber nicht vergessen dass dort jeweils Polizisten und andere Leute mit Adresse denunziert wurden. Für mich ist dies kein Journalismus mehr.

    • @Swiss39:

      zum Glück misst sich Rechtsstaatlichkeit nicht an subjektiven Maßstäben. Ein vereinsrechtliche Maßnahme auf eine Medienplattform anzuwenden ist schlicht rechtswidrig. Die Länder (nicht der Bund!) hätten gegen einzelne strafrechtlich relevante Inhalte vorgehen können, ohne die Verfassung zu brechen.

      freiheitsrechte.or...nten_Indymedia.pdf

  • Kommt mal, auf Linksunten wurden Bekennerschreiben von Brandstiftern veröffentlicht. Das war nicht mehr die alte Indymedia Publishing Plattform, sondern eine Plattform für Straftäter. Mit allerlei irrsinnigen Angriffen und Gewaltfantasien.

    "Anstatt jetzt weiter gegen potenzielle Vereinsmitglieder oder Sympathisant*innen des Portals zu ermitteln, wäre eine Entschuldigung seitens des Innenministeriums angebracht. "

    Habt Ihr überhaupt die Inhalte der Plattform mal gelesen? Der Skandal war ja nicht, dass es verboten wurde, sondern "erst dann". Ich glaube es gab keine Internetplattform in Deutschland in der so offen Gewalt als Mittel der Politik gehuldigt wurde und zwar ohne jede Zwischentöne und alternativen Inhalte. Linksunten war nur noch die Plattform für Bekennerschreiben. Das hat auch nichts mehr mit Links zu tun. Wer sich mit sowas solidarisiert ist für mich das Letzte.

    • @Ansgar Reb:

      "Wer sich mit sowas solidarisiert ist für mich das Letzte."

      Ich finde einen Innenminister der keine Skrupel hat aus politischen Motiven gegen die Verfassung zu verstoßen deutlich gefährlicher. 1. war das Vereinsrecht hier nicht anwendbar, weil (was auch das Innenministerium erkannt hat) es um Medieninhalte (iSd. Art. 5 GG) geht. Dafür wären sind die Länder zuständig. 2. hätten einzelne Inhalte auch mit milderen Mitteln geahndet werden können 3. verstößt das Verbot gegen die EMRK

      Wenn das Schule macht, dann sind die Hürden für den Staat künftig Zensur auszuüben in Zukunft abgesenkt. Um das anzuprangern, muss man den Inhalten nicht zustimmen... Aber solidarisieren Sie sich ruhig mit Seehofer

      freiheitsrechte.or...nten_Indymedia.pdf

    • @Ansgar Reb:

      Ist das so? Können Sie das untermauern?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Da kann ich der Verfasserin nur zustimmen.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Sie meinen die Anleitungen wie man mit einer Gaspistole jemanden umbringen kann? Oder die Veröffentlichung von Adresse und Bildern der Familie von rechten Politikern?