piwik no script img

Hamburger Bezirksversammlung führungslosGrüne Schlammschlacht lähmt Bezirk

Weil die Grünen in Hamburg-Mitte gespalten und mit sich selber beschäftigt sind, ist ein Regierungsbündnis noch in weiter Ferne

Kommt nicht zur Ruhe: Die Bezirksversammlung in Hamburg-Mitte Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Auf die Grünen ist der SPD-Fraktionschef im Bezirk Mitte, Tobias Piekatz, derzeit schlecht zu sprechen. Seit Monaten versuche sein Kreisverband, mit der Mehrheitsgruppe der gespaltenen grünen Bezirksfraktion einen Termin zu finden, um die Chancen für eine Koalition im Bezirk zu sondieren, sagt Piekatz: „Mit CDU, FDP und den Grünen 2 haben wir längst gesprochen, nur die Grünen rufen nicht mal zurück.“

Dabei haben SPD und Grüne den Bezirk bislang ziemlich konfliktfrei in rot-grüner Koalition geführt. „Das Verhalten der Grünen ist das Unprofessionellste, was ich in meiner politischen Laufbahn erlebt habe“, schäumt der SPD-Chef deshalb: „Die stellen sich an wie die ersten Menschen.“

Seit Monaten lähmt das grüneninterne Zerwürfnis in Mitte die Regierungsbildung. Es herrscht Stillstand im Bezirk. Im Juni dieses Jahres warf der grüne Landesvorstand zwei Mitgliedern der sechzehnköpfigen Fraktion Nähe zum Islamismus vor. Daraufhin spaltete sich die Fraktion und der Landesvorstand bedrohte die Mitglieder der kleineren sechsköpfigen Teilfraktion, die sich nun Grüne 2 nennt, mit einem Ausschlussverfahren. Seitdem versinkt das ganze Bezirksparlament in der innergrünen politischen Schlammschlacht.

Keine Annäherung in Sicht

Und die wird noch Monate dauern, denn das Ausschlussverfahren hat noch nicht einmal begonnen. „Wir bereiten das Verfahren vor dem Landesschiedsgericht der Partei noch vor“, sagt die grüne Parteisprecherin Silke Lipphardt. Zu Verfahrensdetails mag sich Lippardt nicht äußern.

Auch ein innerparteiliches Treffen zwischen den grünen LandesvorständlerInnen Anna Gallina und Martin Bill mit fünf der sechs abgespaltenen Grünen, flankiert von einer Schar von Anwälten, brachte keine Annäherung.

„Uns wurde vom Landesvorstand eine schriftliche Auswertung des Gesprächs zugesagt, die bis heute nicht vorliegt“, klagt die Fraktionschefin der Grünen 2, Meryem Çelikkol: „Die Gesprächskultur des Landesvorstandes ist mit grünen Grundsätzen des Umgangs miteinander unvereinbar.“ Der Gesprächsfaden sei abgerissen.

Nicht gerissen ist hingegen der Faden zwischen SPD und den Grünen 2, die die Grundpfeiler eines Bündnisses für den Bezirk ausloteten und sich näherkamen. Eine Regierungsbeteiligung der Linken käme hingegen, so Piekatz, im Bezirk wohl nicht infrage, da die Linkspartei „nicht so das Interesse zeige mitzuregieren“.

Ein letzter Versuch

Piekatz aber möchte noch einen letzten Versuch starten, bis Ende kommender Woche mit den Grünen ins Gespräch zu kommen. Schließlich habe man lange erfolgreich miteinander regiert. Und mit den Mehrheitsgrünen könne man sich sogar aussuchen, ob man die CDU oder die FDP mit in die Koalition nehme.

Sonja Lattwesen, Kreis­chefin der Grünen, sieht für die rot-grüne Sprachlosigkeit andere Gründe als Piekatz. In der Sommerpause sei eine Terminfindung schwierig gewesen, zudem erwarte die SPD, dass sich alle nach dem vollbepackten Kalender ihres Kreischefs, SPD-Bundestagsabgeordneter Johannes Kahrs, zu richten hätten. „Wir sind gesprächsbereit“, betont Lattwesen: „Wir reden mit jedem.“ Mit wirklich jedem? Das nun doch nicht. „Außer mit der AfD und den Grünen 2“, schränkt Lattwesen ein.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!