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Debatte um Verzicht auf SchweinefleischDrohungen gegen Leipziger Kitas

SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung hat es nun auf Facebook öffentlich gemacht: Die beiden Einrichtungen werden verbal massiv angegriffen.

Gibt's kein Schwein in der Kita, verliert der Wutbürger die Contenance und wird selbst zu einem Foto: Unsplash/Charles

DRESDEN taz | Die öffentliche Debatte über den Schweinefleischverzicht zweier Leipziger Kitas hatte sich gerade beruhigt. Doch nun wird sie wohl wieder aufflammen, denn der Oberbürgermeister der Stadt, Burkhard Jung, veröffentlichte am Dienstag Drohungen, die bei den beiden Einrichtungen eingegangen waren.

In einem Facebookpost zitiert er Äußerungen, die demnach den Kitas schriftlich zugesendet oder „unverhohlen persönlich überbracht“ sein sollen: „An den Galgen mit dir oder standrechtlich erschießen“ oder auch „Ich werde sie nicht nur krankenhausreif schlagen, ich werde sie töten, mit einem Messerstich ins Herz.“

Jung kommentiert dazu: „Die Entscheidung der Leipziger Kitas ist keine kulturelle Unterwerfung sondern eine freie Entscheidung in einem freien Land“. Es sei unverantwortlich, die Essensauswahl einer Kita zum Untergang unserer Kultur hochzustilisieren.

Vergangene Woche war durch einen Artikel in der Bild-Zeitung öffentlich bekanntgeworden, dass zwei Leipziger Kindertagesstätten entschieden hatten, zum Mittagessen kein Schweinefleisch mehr zu servieren. Daraufhin empörten sich PolitikerInnen, unter anderem aus der AfD und der CSU-Landesgruppenchef in Bundestag, Alexander Dobrindt. Auf Twitter trendete der Hashtag #schweinefleisch. Die Leipziger Polizei schickte mehrfach Streifen zu der Kita.

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Die Leitung der Einrichtungen zog daraufhin den Verzicht auf eine bestimmte Sorte Fleisch, nämlich das vom Schwein, vorläufig zurück und vertagte eine Entscheidung darüber auf einen Elternabend im August.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung schreibt in seinem Post auf Facebook auch, „Der Untergang des Abendlandes“ gehe nicht von „denen aus, die aus welchen Gründen auch immer eine andere Ernährungskultur haben“, sonder von denjenigen, „denen jeglicher moralische Kompass und der Anstand verlorengegangen“ sei. Er nennt die CDU, die AfD, „die Gaulands, Weidels und Höckes“. Würden nun Kindergärten bedroht, sei ihre Saat aufgegangen.

Jung, selbst SPD-Mitglied, ist zur Zeit im Urlaub. Auch seine Pressestelle möchte der taz keine weiteren Fragen beantworten. Ein Sprecher der Leipziger Polizei bestätigte der taz, dass nun auch Anzeigen wegen Drohungen gegen die Kitas eingangen sei. Der Staatsschutz ermittelt nun, um die Absender ausfindig zu machen.

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14 Kommentare

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  • Würde man offen und ehrlich genau den Kindern erklären, zu welchen erbärmlichen Bedingungen ihre geliebten Tiere gehalten und getötet werden, dann würde nicht nur Schweinefleisch sehr schnell vom Teller verschwinden.



    Kinder haben meist noch eine sehr ungestörte Empathie.



    Diese Ehrlichkeit wäre ein kultureller und moralischer Quantensprung für unsere Kultur.

    • @Traverso:

      .. und das gilt dann wohl auch für alle anderen Fleischwaren aus Massentierhaltung. Fisch natürlich auch!

  • Man kann nur hoffen dass die anonymen Absender dieser Drohungen ermittelt werden können.

    Diese asozialen Leute werden sich hoffentlich persönlich dafür verantworten müssen.

  • "Der Staatsschutz ermittelt nun, um die Absender ausfindig zu machen"

    Ja, as funktioniert immer wunderbar. Solche Organisationen können die "Gedankengänge" Rechter am besten nachvollziehen- als Betroffene.



    Dieser Plan kann überhaupt nicht scheif gehen

  • Dieser Kommentar wurde gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich. Die Moderation.

    • @urbuerger:

      Nochmal: es ist niemandem untersagt worden, Schweinefleisch zu essen. Die Kitas wollen nur kein Schweinefleisch servieren.



      Wer glaubt, dass sein Kind die Identität verliert, wenn es kein Schweinefleisch bekommt, kann ihm ja eine Schinkensemmel mitgeben.



      Ich glaube, von Kitaseite sind zwei Dinge zu bedenken: zum einen ist es durchaus sinnvoll, wenn alle Kinder einer Gruppe alles essen können, was die Kita serviert, ohne das einige wenige durch Extraessen als "anders" wahrgenommen werden. Man einigt sich in so einem Fall halt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Zum anderen ist es wichtig, dass v.a. auch nicht deutsche Kinder in die Kita gehen, um vor der Einschulung Deutsch zu lernen. Dafür ist aber wichtig, dass die Eltern darauf vertrauen, dass die Kinder dort in guten Händen sind, dabei spielt das Essen eben auch eine Rolle.

      Im Übrigen: Identität durch Kita-Essen? Ernst jetzt? Meine Identität wurde dort durch Pfirsichhälften aus der Dose, dem Fruchtsalat mit der roten Kirsche und wunderbarem gelbem Pudding in der Glasschüssel geformt. Vielleicht bin ich deshalb so eine mangelhafte Konsumentin der Produkte aus der Massentierhaltung geworden. Gehört einfach nicht zu meiner Identität.

    • @urbuerger:

      „Aber auch die ständigen Versuche, das Leben hier auf die Bedürfnisse der Migranten einzustimmen tragen zu deratigen Ausfällen bei!“

      Mit anderen Worten: Der Verzicht auf Schweinefleisch in einer Kita macht Morddrohungen plausibel? Habe ich das jetzt richtig verstanden?

      Was ist eigentlich so deutsch am Schweinefleisch-Essen?

  • Ähm, tschuldigung "natürlich" ist das unterwerfung(wie dem OB vorgeworfen).

    Ich bin zwar Linken wähler, was würde ich wohlsonst hier wollen ;), aber ich verabscheue *jegliche* einmischung der Religionen, einstmals ein Grtundprinzip der Linken(nicht der grünen Yuppie-Linken...).

    Mal im Ernst, demnach müsste man auch Rind verbieten - wegen der Hindus, männlein und weiblien trennen - wegen dem Shinto, und den kleinen verbieten die Füße auf andere zu richten - wegen dem Buddhismus...

    Religion hat im öffentlichen Raum NICHTS und rein GARNICHTS zu suchen.



    Schlimm genug das die neoliberale-kapitalisten-Sekte einfluss auf die "Kleinen" nimmt, spätestens im Hörsaal.



    Da brauche ich die Merlin und Gandalf-Anbeter nicht auch noch...

    Unterwerfung ist auch was anderes als toleranz.



    Hätten die Kitas gesagt, ok, wir machen am Tag-X vegetarisch, Tag-Y, kein Schwein, Tag-Z kein Rind und Freitags Fisch(für die Christen...) oder ähnliches.... wäre es vollkommen ok gewesen.

    Man kann AUCH von anderen verlangen "tolerant" zu sein.

    Ähnliches gibt es an Stränden/Schwimmbädern.



    Anstelle FKK zuz VERBIETEN, sollte es eigentlich alles aufeinmal geben(Ur-Linke-Ideologie), also Burkini, Textil UND FKK...

    Das man so nur "hass" säht, dürfte dem dümmsten klar sein.

    Ich hätte mein Kind, jenach AGB, auch instant oder zur Not gerichtlich aus so einer Indoktrinations-Veranstung genommen....

    • @Westfale:

      Unterwerfung? Was haben sie für ein Problem? Wem wird hier irgend etwas verboten oder oktroyiert? Es geht einfach nur darum eine praktische Lösung zu finden, die allen gerecht wird - also nicht für jeden etwas anderes kochen zu müssen. Dass daraus eine Debatte über die kulturelle Identität wird, zeigt den bedauernswerten Zustand unserer Debattenkultur. Und macht mir Angst.

    • @Westfale:

      Unterwerfung? Geht es nicht eine Nummer kleiner?



      Aber wahrscheinlich haben Sie recht: der durchschnittliche Deutsche isst im Laufe seines Lebens 64 Schweineleichen. Um diese Lebensleistung zu erreichen, muss man schon im Vorschulalter anfangen. Die Kitas sind hier unbedingt in der Pflicht, sonst wächst eine Generation heran, die weit unter dieser Lebensleitung von 64 aufgegessenen toten Schweinen bleibt. Da würde dann eine ganze Nation ihrer Identität beraubt.



      Also, liebe Kitas: stopft Schwein ins Kind, alles andere führt zu Hass.

  • Tja, vielen Dank, liebe BLÖD-Zeitung! Mit eurem populistischen Guerilla-Einsatz habt Ihr eine neue Hass-Welle in Gang gesetzt, bei der am Ende unschuldige Menschen um ihr Leben bangen müssen. Ich hoffe, Ihr seid stolz auf euch!

    • @Grandiot:

      Das auf die Bild zu schieben ist albern. Die leben zwar von genau solchen "Journalismus", aber rausgekommen wäre das sowieso. Und dann hätte es halt Facebook oder sonst wer verbreitet. Die Bild gießt nur, gesät hat wer anderes.



      Wirklich Vorwürfe Kuss man dem Staat Sachsen und seiner Regierung und Polizei machen, dass sowas nicht verhindert wurde.

      • @LeSti:

        Nein. Das Blutblatt BILD hetzt gezielt. Sei es durch falsche Titel-Nachrichten, die nur versteckt nachträglich korrigiert werden, oder irreführende Titel, deren Relativierung nur hinter der Bezahlschranke zu lesen ist. Oder auch durch das Abdrucken von unzensierten Fotos, die sie zum Teil einfach ohne Nachfragen vom fb-Account der Dargestellten klauen.



        Die BILD schreibt nicht nur problematische Artikel, sie weiß auch genau was sie tut. Das weiß jeder, der mal durch den Bildblog durchgeblättert hat. Diese lauwarme Verteidigung von Ihnen ist lächerlich.

      • @LeSti:

        Da haben Sie recht, man kann in dieser Geschichte sehr vielen Leuten und Institutionen Vorwürfe machen. Ich wollte an dieser Stelle aber auf eine sachliche Argumentation verzichten und zur Abwechslung mal selber ein wenig polemisch drauf sein und meiner Wut auf die bunt bedruckte Klopapierrolle von Tageszeitung mal ordentlich Ausdruck verleihen.

        Wer gießt, ist nämlich nicht weniger verantwortlich für das, was da erwächst, als jener, der gesät hat. Es hat ihn ja keiner gezwungen, die vergiftete Saat zu gießen, nicht wahr?