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Machtvakuum im SudanMilitärs und Ex-Politiker in Haft

Nach Angaben der Militärführung gab es einen Putschversuch. Unter den Festgenommenen ist auch der Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Hält in Wirklichkeit die Macht in seinen Händen: Der Vize des Militärrates, Mohamed Hamdan Dagalo Foto: dpa

NAIROBI taz | Mehr als ein Dutzend hochrangige Militärs und ehemalige Politiker sind im Sudan wegen Putschversuchs festgenommen worden. Das teilte das Militär am Mittwochabend mit. Ob die Festnahme zusammenhängt mit dem Putschversuch vom 11. Juli, gab der regierende Militärrat nicht bekannt.

Unter den Festgenommenen ist der Stabschef der Armee, General Hashem Abdel Muttalib Ahmed, der erst im April ins Amt gekommen war. Damals war Langzeitpräsident Omar al-Baschir vom Militär gestürzt worden. Dem Putsch waren monatelange Massenproteste und eine Sitzblockade in der Hauptstadt Khartum vorausgegangen.

Der jetzt verhaftete Stabschef der Armee schien dem Vorsitzenden des Militärrats General Abdel Fattah Burhan loyal zu sein. Unklar ist aber, wie das Verhältnis zwischen dem Stabschef und dem Vizevorsitzenden des Militärrats, Mohamed Hamdan Dagalo, war. Der hält nämlich in Wirklichkeit die Macht in seinen Händen.

Besser bekannt ist er unter dem Spitznamen Hametti. Er ist der Führer der Miliz Rapid Support Forces (RSF), die mit der Armee verbunden ist. Aber die Beziehungen zwischen Armee, dem nationalen Geheimdienst NISS und den Milizen sind nicht gut. Bashir hatte die Gruppen während seiner Regierungszeit gegeneinander ausgespielt. So sorgte er dafür, dass sie nicht so mächtig wurden, um eine Bedrohung für ihn zu sein.

Bei Protesten kamen 120 Menschen ums Leben

Die RSF hat Khartum mit Tausenden schwer bewaffneter Kämpfer auf Hunderten von Militärfahrzeugen fest im Griff. Sie ist auch großenteils verantwortlich für das Blutbad unter Demonstranten Anfang Juni, die eine Zivilregierung für das Land gefordert hatten. Bei dem Protest kamen mehr als 120 Menschen ums Leben. Die Miliz führte für Bashir den Krieg gegen die Rebellion in Darfur, einer Region im Westen des Landes, und beging dabei Kriegsverbrechen.

Die RSF ist besser bewaffnet als die Armee. Dafür hatte nicht nur Bashir gesorgt, sondern auch die Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Sie zahlen viel Geld für RSF-Mannschaften, die auf ihrer Seite im Krieg gegen Huthi-Rebellen in Jemen kämpfen.

Hametti ist für seine hochfliegenden Ambitionen bekannt. Er ist in den letzten Wochen während der Verhandlungen mit der zivilen Opposition über eine Übergangsregierung immer mehr in den Vordergrund getreten. Der Vorsitzender des Militärrats dagegen ist immer seltener zu hören und zu sehen.

Andere Analysten im Sudan glauben aber, dass auch ein Putschversuch von Mitgliedern der ehemaligen Regierung von Bashir möglich wäre. Unter den verhafteten Politikern befinden sich der ehemalige Vizepräsident Bakri Hassan Salih wie auch der Ex-Außenminister Ali Karti und Zubair Ahmed al-Hassan, der Generalsekretär des Islamic Movement (IM).

Machtvakuum ohne handelnde Regierung

Das IM wurde vor zwanzig Jahren von Bashirs National Congress Party (NCP) gegründet, als der nun gestürzte Präsident im Streit mit dem konservativ-islamistischen Parteiideologen Hassan al-Turabi war. Turabi gründete damals seine eigene Partei – Bashir wiederum hoffte, mit dem IM die Unterstützung radikaler islamistischen Gruppen zu behalten.

In Sudan herrscht momentan ein Machtvakuum. Eine fruchtbare Zeit für Putschversuche

In Sudan herrscht momentan ein Machtvakuum – ohne Regierung, die täglich die Geschäfte führt. So ist es eine fruchtbare Zeit für Putschversuche. Zwar ist Bashir beseitigt, seine ehemaligen Unterstützer aber wollen ihre Macht und ihren Einfluss nicht kampflos aufgeben.

Derzeit liegen die Verhandlungen zwischen Militärrat und Opposition über notwendige Änderungen der Verfassung für die vereinbarte Übergangsregierung auf Eis. Am Samstag soll weiterverhandelt werden.

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