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AfD in SachsenWut, Trotz und Selbstmitleid

Auf die eingekürzte Landesliste der AfD reagieren die anderen Parteien noch nicht wahltaktisch. In der Bevölkerung sind die Reaktionen gemischt.

Sächsische AfD-Politiker sind zerknirscht, während das politische Sachsen im Urlaub ist Foto: dpa

Dresden taz |Nachdem der sächsische Landeswahlausschuss nur eine „Short List“ der AfD von 18 statt 61 Listenplätzen zur Landtagswahl am 1. September zugelassen hat, bleibt es auffallend ruhig im Land. Die Konkurrenten der AfD haben jedenfalls aus dem Handicap der Rechten bislang keinen Vorteil zu schlagen versucht.

Die Entscheidung fiel am 5. Juli, einen Tag nach der letzten Landtagssitzung der jüngsten Legislaturperiode. Seither ist das politische Sachsen weitgehend im Urlaub, bevor in der vorletzten Juliwoche die Wahlschlacht in die heiße Phase tritt.

Nur die betroffene AfD selber schäumt gewaltig. Aus der Partei heißt es, die zuständige Landeswahlleiterin Carolin Schreck habe eine Falschaussage getroffen. Schreck hatte ein Mängelschreiben vom Juni erwähnt, in dem sie die AfD auf drohende Einschränkungen hinwies. Die Landespartei habe nicht reagiert. Das sei falsch, behauptet AfD-Landeschef und Spitzenkandidat Jörg Urban und droht mit einer Klage gegen Schreck. Auch von Medien, die diese Aussage der Wahlleiterin verbreiteten, will er eine Gegendarstellung verlangen.

Die AfD hatte aufgrund ihres umständlichen Wahlverfahrens zwei Parteitage benötigt, um ihre 61 Listenplätze zu besetzen. Der Landeswahlausschuss monierte, dabei seien unterschiedliche Wahlverfahren angewendet worden, und ließ nur die ersten 18 Plätze des ersten Parteitages zu. Im Ausschuss sitzen neben der Landeswahlleiterin, entsprechend der Sitzverteilung im Landtag, auch Vertreter der Parteien.

Schweigen von CDU und SPD

Die AfD fährt gegen ihre Limitierung weiterhin alle Geschütze auf, spricht von einem „Komplott der Altparteien“ und „politischem Schmierentheater“. Alle Unterlagen seien form- und fristgerecht eingereicht worden. Als Rechtsmittel gegen die Listenbeschränkung kommt nur eine Wahlprüfung nach der Wahl in Frage. Die will die AfD nicht abwarten.

Ihr Jurist Joachim Keiler, auf Platz drei der Landesliste nominiert, kündigte eine Verfassungsbeschwerde als vorläufigen Rechtsbehelf an. Generalsekretär Jan Zwerg distanzierte sich aber von den Hassbotschaften und Drohungen, die gegen den Landeswahlausschuss eingingen. Der tagt inzwischen nur noch unter Polizeischutz.

Laut Umfragen könnte die AfD mit einem Zweitstimmenanteil von 25 Prozent etwa 30 der 120 Landtagssitze besetzen. Dazu müsste sie nun aber außerdem ein rundes Dutzend Direktmandate in den Wahlkreisen hinzugewinnen. Wenn andererseits Unterstützungsbündnisse für aussichtsreiche Gegenkandidaten geschmiedet würden, könnten AfD-Wahlkreissiege verhindert werden. Auf diese Weise konnte sich im Juni beim zweiten Wahlgang der Görlitzer Oberbürgermeisterwahl der CDU-Kandidat Octavian Ursu gegen Sebastian Wippel von der AfD durchsetzen.

Doch davon will im Moment niemand sprechen. „Es gibt kein ‚Görlitzer Modell‘, und es gibt keine Absprachen“, erklärt Annett Jagiela, Wahlkampfleiterin der grünen OB-Kandidatin Franziska Schubert, die für Ursu zurückgezogen hatte. CDU und SPD wollten sich gar nicht zum Thema äußern.

Bei Gesprächen mit Bürgern wird indes klar, dass sich der Ton im Wahlkampf wohl weiter verschärfen wird. Das spiegelt sich auch in einer MDR-Hörerumfrage wider. Die einen sprechen von „Manipulation“ und sehen die AfD als Opfer des Systems. Andere äußern Befremden über die regierungswillige, aber offensichtlich überforderte AfD und ihre Trotzreaktion. Vor allem ältere Bürger offenbaren in der Umfrage zusätzlich immer wieder erschreckende Unkenntnis zu rechtsstaatlichen Prinzipien, etwa wenn sie die „Bürokratie“ gegen das ausspielen, „was das Volk möchte“.

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3 Kommentare

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  • Noch gibt es keine lex AfD, hoffentlich nie. Ich glaube nicht an eine leichtfertige Entscheidung des LWA. Die Intention, weshalb die AfD antritt, ist sehr lobenswert. Sie wollen es besser machen und die Fehler der Anderen nicht wiederholen. Das derzeitige Echauffieren zeigt aber das wahre Gesicht großer Teile der AfD, Macht um jeden Preis, um später wahrscheinlich die lex durchzubringen, natürlich nur für sich selbst, nicht für die Anderen, die zweifelsfrei immer schuld sind. Kennt man von fundamentalistischen Religionsgruppierungen.

  • Die genaue Begründung des LWA bleibt weiterhin im Ungewissen.



    Mehrere Zeiträume zur Wahl sollten unkritisch sein, wenn die Leitung gleich bleibt. Vertagt wurde, also Fortsetzung. Leitung wurde gewechselt, also potentieller Formfehler - oder auch nicht, der 1. Leiter könnte ja grds. auch gesundhietliche Gründe haben, zurückzutreten (hier sicher nicht der Fall).

    Legal kritisch der Wechsel des Wahlmodus - aber nicht ab Platz 19, sondern ab Platz 31, also die aussichtslosen Nicht-einmal-Hinterbänkler en bloc.

    Dusselig kritisch die späte Einreichung im Juni, nach Tagung im März. Warum?

    Warum aber nun der LWA Formalien höher wertet als eine korrekte Abbildung des Wählerwillens ins Parlament, bleibt mir unbegreiflich.

    • @MS77:

      Die Landeswahlleiterin hat sich schon erklärt, sie hat sogar Interviews an die regionalen Zeitungen gegeben, ich sehe dass ganze auch kritisch. Aber diese sogenannten Formalia müssen nun mal erfüllt werden, sonst kann theoretisch jeder die Wahl anfechten und die Landeswahlleiterin ist nun mal genau für diese Formalia zuständig.