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Die WahrheitZehen intelligent ankoffern

Nach den E-Rollern kommen jetzt die Troll-E. Selbstfahrende Koffer sind die baldige Zukunft des Reisens. Besuch auf einem Testgelände.

Wenn E-Koffer Männchen machen und Pfötchen geben, freut sich auch der reisende Hund Foto: reuters

Kaum ist in Deutschlands Großstädten der E-Roller eingeführt, um allerorten für Unruhe auf Geh- und Radwegen zu sorgen, da droht den technischen Zulassungsbehörden neues Ungemach: Der E-Trolley steht vor der Markteinführung. Ein Besuch im internationalen Kofferforschungszentrum in Haltern an der Bügel.

Das Lächeln des Wissenden steht ihm ins kantige Gesicht geschrieben. Dirk Hebestreit ist Chefentwickler der Samsonite University of Applied ­Transportation. „Special engineer für small goods movement“, steht auf seinem weißen Namensschild. Trolleys sind eine globale Bewegung. Hebestreit lacht kernig: „Klingt doch besser als ‚Kleingütertransportwesen.‘“

Hebestreit ist ein smarter Mittdreißiger, gekleidet in einen legeren Anzug. Ein Mann, wie er einem zunächst nicht auffallen würde, bis man am Bahnhof über seinen sorglos durch die Menge gezogenen Rollkoffer stolpert. Doch die Zeiten, in denen einem rücksichtslose Touristen und eilige Geschäftsleute ihre Rollkoffer über die Zehen ziehen, sind bald vorbei. In Zukunft werden die Koffer ganz allein Füße überfahren.

Hebestreit führt uns in eine große Industriehalle, sie hat etwas von einer Kartbahn. Menschen laufen geschäftig kreuz und quer umher, und jedem folgt in gebührendem Abstand wie ein Hund an einer unsichtbaren Leine ein selbstfahrender Rollkoffer. Kein Griff, keine ausziehbare Stange – ein Transponder-Chip mit individualisiertem Verbindungscode sorgt dafür, dass Rollkoffer und Herrchen den Kontakt nicht verlieren.

40 Kilometer Reichweite

„Jeder Koffer ist ausgestattet mit einem 36-Volt-Lithium-Ionen-Akku“, erläutert Hebestreit begeistert: „10,4 Ampere-Stunden Leistung und 40 Kilometer Reichweite. Dazu Hindernis­sensoren und Abbiege-Assistent.“

Die Testkofferführer müssen einen Parcours aus aufgestellten Fußdummies in unterschiedlichem Schuhwerk meistern. Tatsächlich umfahren die Koffer geschickt alle Hindernisse. „Selbstfahrend, selbstlernend! Bei uns steht KI für Koffer-Intelligenz!“ Dirk Hebestreit schaut stolz und senkt verschmitzt seine Stimme: „Ganz im Vertrauen: Nicht wenige dieser Koffer dürften später intelligenter sein als ihre Besitzer.“ Damit allerdings erzählt er uns nichts Neues, das ist schon heute oft der Fall.

Die Zeiten, in denen einem Touristen ihre Rollkoffer über die Zehen ziehen, sind bald vorbei

Dann allerdings rumpelt ein vollbeladener Trolley im Format eines Besenschranks über einen mit Strandsandalen nur spärlich bekleideten Gipsfuß. Es knackt und knirscht, zwei Zehen brechen ab, einer wird bis zur Unkenntlichkeit zermörsert. Hebestreit flucht und beschwichtigt dann: „Das Problem kriegen wir noch gelöst!“, verspricht er. „Aus irgendeinem Grunde ist das System noch nicht in der Lage, Füße in Flip-Flops zu erkennen.“

Viel Zeit bleibt seinem Team für Nachbesserungen nicht mehr, denn die Zulassung wurde bereits beantragt. Kein leichtes Unterfangen, ist die Rechtslage doch umstritten: Müssen selbstfahrende E-Trolleys nach den EU-Richtlinien für das Transportgewerbe zertifiziert werden oder gelten sie als Elektrokleinstfahrzeug wie die E-Roller? „Alles Quatsch!“ Hebestreit wird unwirsch, als wir ihn darauf ansprechen: „Wir streben eine Zulassung als elektronische Alltagshilfe an – wie Staubsaugerroboter.“ Dafür habe man auch schon die Unterstützung der Politik. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kenne das Problem zu schwerer Rollkoffer aus eigener Erfahrung, führe er doch stets mehrere Kilo Pomade mit sich.

„Natürlich wiegt die ganze Technik in den E-Trolleys etwas, aber das macht ja nichts, man muss sie ja nicht mehr per Muskelkraft bewegen!“, schwärmt der Chefentwickler. „Endlich können Sie in einen Rollkoffer alles reinpacken, was Sie wollen, ohne darauf zu achten, ob Sie ihn noch heben können!“ Ob dieser Realitätsferne wundern wir uns, ist das doch schon jetzt Usus beim Umgang mit Rollkoffern. Und das Heben ins Gepäckfach in Zug oder Flugzeug?

„Das ist ein Problem“, räumt Hebestreit ein, aber der Koffer könne sich schon selbstständig aufrichten und die Griffe ausfahren. „Wir sprechen da von ‚Männchen machen, Pfötchen geben.‘“ An weitergehenden Lösungen werde fieberhaft gearbeitet. Der Troll-E sei nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zum gänzlich unabhängig navigierenden Rollkoffer.

Autonomes Kofferfahren

„Ich zeig Ihnen mal was!“ Hebestreit winkt uns geheimnistuerisch in die Nachbarhalle. Dort bietet sich uns ein ähnliches Bild, nur fehlen die kofferführenden Menschen. Hier bewegen sich die Trolleys selbstständig, wie von Geisterhand bewegt, durch den Raum. „Autonomes Fahren“, raunt Hebestreit. „GPS-gesteuert, mit allem Pipapo, wie wir’s vom Tesla kennen. Der Rollkoffer der Zukunft fährt absolut selbstständig navigierend, sicher zur vorab definierten Zieldestination.“

Ein prall gefüllter Koffer, der ganz allein zu einem willkürlich programmierten Ziel fährt? „Ja“, räumt Hebestreit ein. „Ich weiß, worauf sie hinaus wollen: Das Terrorismusproblem müssen wir diesbezüglich noch lösen.“

Hebestreit deutet auf einen besonders großen Rollkoffer, der gerade vor uns stoppt, ein bisschen nach links und rechts ruckelt, als erschnüffele er seinen Weg, und dann in einem Bogen um uns herumrollert. Der Cheftechniker springt auf den Koffer: „Sie können auch aufsitzen!“

Das hier sei erst der Anfang. Weltweit arbeiteten mehrere Forschungsteams der handluggage logistic technologies an der Verknüpfung von Rollkoffern und Drohnenantriebstechnik. „Wenn Amazon Pakete per Drohne liefern kann, wieso kann der Trolley nicht selbst vom Flughafen zum Hotel fliegen?“, schwärmt Hebestreit. „Oder gleich die ganze Strecke, wenn’s ein Inlandsflug ist?“

Mit diesem Ausblick endet unsere Einsichtnahme in die Zukunft des Kleingepäcks. Dirk Hebestreit führt uns an die Tür des Werksgeländes. Ein Koffer folgt ihm. Als er uns die Hand gibt, fährt der Trolley in seine Kniekehle und Hebestreit knickt um. Wir verabschieden uns von den am Boden liegenden Herrn der Koffer und treten vor die Halle, wo uns prompt eine Fliege ins Auge fliegt. Zum Glück nur eine Fliege. In einer nicht allzu fernen Zukunft könnte es ein Rollkoffer sein.

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3 Kommentare

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  • Diese Koffer gibt es bereits. Sogar zum Draufsitzen und Mitfahren (in den Werbevideos allerdings nur für schlanke asiatische Menschen).

    Die folgen dem Besitzer im kurzem Abstand.

    Der Rest war Satire :)

  • Schade, ich hatte mich schon auf einen bequemeren Jakobs-Weg gefreut.

  • Das ist doch alles Schnee von gestern. Ein Startup im südöstlichen Brandenburg arbeitet bereits an einem fliegenden Koffer, der per Smartphone-App gesteuert wird. Das Bundesverkehrs-, sowie das Gesundheitsministerium haben bereits Subventionen im dreistelligen Millionenbereich fest zugesagt. Ein zusätzlicher großer Vorteil des fliegenden Koffers ist bei den exorbitant hohen Bahnpreisen, und auch im Hinblick auf Pünktlichkeit das Einsparpotenzial, das er auf kürzeren Strecken zudem noch bietet.

    Die Ansiedlung des Unternehmens im Dreiländereck D-CZ-PL wurde bewußt gewählt, da in der strukturschwachen Region hier mindestens 12 neue Arbeitsplätze entstehen können.

    Auch die ökonomische Prognose ist überaus günstig; durch Outsourcing der eigentlichen Produktion auf Subunternehmer in den Nachbarländern lassen sich außer Lohnkosten auch die Belastungen für unser Gesundheits- und Rentensystem deutlich optimieren.

    Das Projekt wurde bereits für die Nominierung für ein Innovationspreigelde der deutschen Wirtschaftsverbände vorgeschlagen.

    Der Hauptinvestor des Projekts, die Samwer-Brüder, sehen hier ein gigantisches ökonomisches Potenzial. Auch werde bereits mit Google über den Verkaufspreis des in spätestens zwei Jahren erfolgreichen Startup verhandelt.

    "Mindestens 3 Milliarden sollten dabei schon rausspringen" erklärte ein Pressesprecher der Firma Rocket Internet gegenüber der BINGE-Zeitung.

    Lediglich das sehr hohe Gewicht der Batterie ist technisch noch nicht ganz ausgereift. So werden die ersten Modelle noch von einem Zweitakt- Motor der indischen Firma Tata angetrieben.

    Besondere Zulassungen, oder gar ein Pilotenschein seien für ein solches kleines Alltagshilfsmittel nicht vorgesehen, ließ ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Scheuer verlauten.

    Auch arbeitet die Forschung bereits an autonom fliegenden Koffern, die von einer Blockchain-KI gesteuert werden.