Jobs in Gefahr: CDU sorgt sich um „Weser-Kurier“
Arbeitnehmerflügel der Bremer Union fürchtet, die sinkende Auflage beim „Weser-Kurier“ könnte bedrohlich werden für das überalterte Druckhaus.
Dazu kommt etwas, was der CDA-Sprecher dem Branchendienst „Mediaa“ entnommen hat: der anhaltende Auflagenschwund der Tageszeitungen. Wenn immer weniger täglich gedruckt werden muss, dann fragt sich, wie lange sich noch ein neues Druckhaus lohnen würde. Denn die verkaufte Gesamtauflage des Bremer Weser-Kuriers, inklusive der Bremer Nachrichten und den dazugehörigen Umland-Blättern in Delmenhorst oder Verden, liegt laut Mediaa inzwischen nur noch bei 118.197. Davon entfallen weniger als 70.000 auf die Stadt Bremen, ohne Bremen-Nord. Allein im zweiten Quartal 2019 sank die Auflage um 3,9 Prozent. Die meisten Regionalzeitungen haben ähnliche Verluste im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahlen laut Meedia: /WK/ -3,9, /Nordsee-Zeitung/-4,4, /Hamburger Abendblatt/-4,82, /Hannoversche Allgemeine/-3,7, /Neue Osnabrücker/ -2,1 und /Nordwest-Zeitung/ -2,7 Prozent.
Chefredakteur Moritz Döbler, inzwischen zugleich Vorstand, kommt vom Berliner Tagesspiegel – das ist die einzige Tageszeitung in Deutschland, die gegen den Trend etwas gewachsen ist: plus 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Rudoph von der CDA stellt fest: „Während der Tagesspiegel den Auflagenschwund bei der Print-Ausgabe durch Steigerung der e-Papers-Abos ausgleichen konnte, haben die meisten Regionalzeitungen noch kein wirksames Mittel gegen ihren zunehmenden Bedeutungsverlust gefunden.“
Die Marketing-Abteilung des Weser-Kuriers tut sich offenbar schwer, die sinkenden Zahlen nachzuvollziehen. Schon im vergangenen August hatte das Bremer Landgericht dem Weser-Kurier untersagt, für Werbebeilagen mit Tourenstückzahlen zu werben, „die von der tatsächlich in dem jeweiligen Gebiet verteilten Auflage abweichen“, wie es in dem Urteil heißt.
Damals hatte der Weser-Kurier sich vor Gericht noch damit herauszureden versucht, dass die Kunden wüssten, dass die Bezeichnung „Abo“ sich nicht auf die belieferten AbonnentInnen bezieht, sondern auf die „verbreitete Auflage“. Das Gericht konnte dem nicht folgen und stellte einen Fall von „unwahren Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung“ fest.
Die Abweichungen betrügen bis zu 20 Prozent. Bei Zuwiderhandlungen drohte Gericht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro an. Die Konkurrenz vom Weser-Report beobachtet aufmerksam die Angaben des Weser-Kuriers und hat in der Folge dieses Urteils inzwischen schon mehrere Male – erfolgreich – die Verhängung eines Ordnungsgeldes bei dem Gericht beantragt. Es soll insgesamt um eine Summe von über 60.000 Euro gehen.
Gleichzeitig wollte der Weser-Kurier einem Branchen-Insider untersagen, weiterhin zu behaupten, dass die vom Weser-Kurier „in den Jahren 2017 und 2018 zu Grunde gelegten Auflagenzahlen zu den Beilagen erheblich von den tatsächlichen Auflagenzahlen abwichen“ und darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwaltschaft Bremen „in diesem Kontext gegen die Verantwortlichen ermitteln“ würde.
Im September 2018 hatte der Weser-Kurier eine einstweilige Verfügung erwirkt – ohne mündliche Anhörung. Er verzichtete allerdings darauf, sie dem Betroffenen zuzustellen. Damit ist die Verfügung wirkungslos. Nachdem der Brancheninsider dann im Frühjahr 2019 seine Argumente vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht vorbringen konnte, hat der Weser-Kurier einen förmlichen Rückzieher gemacht.
Inzwischen hat der Fall überregionales Interesse erregt. Das Medien-Fachmagazin Kress pro berichtete und warf die Frage auf, ob nicht Kunden, die sich durch falsche Auflagenzahlen betrogen fühlen, Rückzahlungen verlangen könnten. Das ist mit aller presserechtlichen Vorsicht formuliert, denn in der Branche gibt es Gerüchte über derartige Fälle, die aber mit der Vereinbarung von Stillschweigen beendet wurden. In zumindest einem Fall ist allerdings ein großer Beilagen-Kunde des Weser-Kuriers, der namentlich nicht genannt werden möchte, wiederum vor das Gericht gegangen.
Der Richter am Bremer Landgericht, Claas Schmedes, zeigte sich schon bei einem früheren Termin genervt von den dauernden Rechtsstreitereien und mahnte eine außergerichtliche gütliche Einigung an – vergeblich. Der Weser-Kurier lenkt nicht ein, der Weser-Report akzeptiert das nicht.
App „grandios gescheitert“
CDA-Sprecher Rudolph erinnert in dem Zusammenhang auch daran, dass das „crossmediale“ Vorzeigeprojekt des Weser-Kuriers, die App „Mein Werder“, „grandios gescheitert“ sei: „Der finanzielle Schaden dürfte beträchtlich sein. Die Rede ist von einer Million Euro, die der Verlag mit dem Projekt in den Sand gesetzt hat.“ Das große Redaktionsteam wurde dezimiert, jüngst wurde auch der populäre Name „Mein Werder“ aufgegeben: „WK-Flutlicht“ heißt die App inzwischen trocken und wenig sexy. „Wir wollen noch deutlicher herausstellen, dass wir keine Vereins-App von Werder Bremen sind“, begründete der WK das offiziell.
Das „noch deutlicher“ ist ein schönes Beispiel für den Neusprech. Die Nähe zum Verein in dem alten Namen war natürlich gewollt und teuer erkauft – Bundesligist Werder Bremen kassiert für so was Lizenzgebühren. Der Verzicht auf den populären Namens-Zusatz „Werder“ sieht also eher nach einer Sparmaßnahme aus. Die Sportseite im Weser-Kurier, die früher auch „Mein Werder“ hieß, trägt schon länger wieder eine sachlichere Bezeichnung: „Sport“.
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