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Mögliche Militärmission vor IranTief in der Sackgasse von Hormus

Ein nautisches Nadelöhr, ein politisches Pulverfass: Die Meerenge zwischen der Arabischen Halbinsel und Iran ist der Brennpunkt mehrerer Konflikte.

Von oben: der Persische Golf mit der Straße von Hormus Foto: dpa

Die Straße von Hormus zählt zu den wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt. Rund ein Fünftel des weltweiten Ölverbrauchs und ein Drittel des international gehandelten Öls passieren diese Meerenge zwischen Iran und den arabischen Golfstaaten – im Jahr 2018 waren es laut US-Energiebehörde etwa 21 Millionen Barrel pro Tag.

An der engsten Stelle – an der zu Oman gehörenden Halbinsel Musandam, die wie ein Keil in den Golf hineinragt – ist die Straße von Hormus nur 38 Kilometer schmal, und sie enthält diverse Inseln. Nicht überall sind die Gewässer tief genug für riesige Öltanker. Passiert wird die Meerenge auf zwei getrennten, jeweils zwei Seemeilen (3,7 Kilometer) breiten Fahrrinnen, eine in jede Richtung. Diese können auch die riesigen, bis zu 400 Meter langen Öltanker vergleichsweise problemlos durchfahren. „Die Straße ist nicht so eng und viel befahren wie etwa der Ärmelkanal“, beruhigt uns ein erfahrener Bremer Kapitän.

Die Meerenge ist keine nautische, sondern eine politische Herausforderung. Denn die Fahrtrouten führen an der engsten Stelle durch die Hoheitsgewässer des geopolitisch eher unscheinbar auftretenden Oman – davor und danach aber durch die Irans.

Das Internationale Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der Vereinten Nationen erlaubt Schiffen grundsätzlich den unangemeldeten und ungehinderten Transit. Weder die USA noch Iran gehören aber zu den 168 Vertragsstaaten, die sich an dieses Grundgesetz der Schifffahrt gebunden fühlen; sie sind lediglich Vertragsstaaten der weniger weitreichenden Genfer Seerechtskonvention. Kriegsschiffe müssen nach Auffassung Teherans – nicht aber nach der Washingtons – um eine Durchfahrtserlaubnis nachsuchen. Das betrifft vor allem die 5. Flotte der US-Marine, deren Schiffe regelmäßig die Straße durchqueren, um ihren Stützpunkt in Bahrain im Persischen Golf anzulaufen. „Begleitet“ werden sie dann häufig von Schnellbooten der iranischen Marine.

Flotter Flottenabzug

Diese Konstellation birgt Konfliktpotenzial. Irans erklärtes Ziel seit Langem ist der Abzug der 5. US-Flotte aus dem Golf. Teherans Anspruch als Regionalmacht stößt jedoch bei den arabischen, sunnitischen Nachbarn auf zunehmend heftigen Widerstand. Bereits in den 1980er Jahren führten Iran und Irak jahrelang Krieg gegeneinander. Heute sind Iran und Saudi-Arabien Feinde in einem Stellvertreterkrieg in Jemen.

An der Straße von Hormus ist die Lage brenzlig geworden, seit im April 2018 US-Präsident Donald Trump den Atomdeal mit Iran aus dem Jahr 2015, wonach Iran auf seine Urananreicherung verzichtet und im Gegenzug internationale Sanktionen aufgehoben werden, einseitig gekündigt hat. Danach verhängte er Sanktionen, die mittlerweile auch die deutsche Wirtschaft spürbar treffen. Trump will Irans Ölexport zum Erliegen bringen, um das Regime in Teheran in die Knie zu zwingen.

Iran droht im Gegenzug, die Straße von Hormus komplett für den internationalen Ölhandel zu sperren. Betroffen wäre vor allem Asien, wohin drei Viertel des durch die Meerenge transportierten Öls gehen: China, Indien, Japan und Südkorea sind die wichtigsten Kunden. Die USA und europäische Länder hingegen sind immer weniger auf das Öl vom Golf angewiesen. China als größter Abnehmer iranischen Öls hat bereits deutlich gemacht, dass es sich den US-Sanktionen nicht anschließt.

Der Öltransit geht zurück

Vor allem Saudi-Arabien, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate schicken ihre Tankerflotten durch das Nadelöhr zu den globalen Märkten. Auch Kuwait nutzt den Ausgang aus dem Persischen Golf. Und das kleine, reiche Katar, das seit 2017 von den Saudis und den Emiraten aus politischen Gründen blockiert wird, benötigt die Straße für den Transport seines Flüssiggases LNG nach Japan.

Im Zuge der Iran-Krise ist der Öltransit durch die Straße von Hormus bereits deutlich zurückgegangen, auf nur noch rund 15 Millionen Barrel täglich nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg. Noch bleiben die Märkte gelassen. Der Konflikt werde auf den Energiemärkten „relativ ruhig“ gesehen, sagt Katrin Knauf, Rohstoffexpertin am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). „Wenn die Erwartungen wären, dass der Konflikt eskaliert, würden wir das an den Entwicklungen der weltweiten Rohölpreise sehen.“ Das sei momentan nicht der Fall. Die Volkswirtin begründet dies unter anderem damit, dass die wichtigen Akteure auf dem Ölmarkt, wie die USA und Saudi-Arabien, letztlich ein Interesse an einem stabilen Weltmarkt hätten. Eine Schließung der Straße ließe die Preise „mächtig hochgehen“.

„Mittelfristig würde ein solcher Schock durch andere Produzenten aufgefangen werden“, sagt Professor Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Erdölexportierende Staaten wie Russland und die USA könnten ihre Produktion schnell weiter hochfahren.

Vier alternative Pipelines

Und auch die wichtigsten regionalen Gegenspieler des Iran haben vorgesorgt. Durch vier Pipelines können Saudi-Arabien und die Emirate ihr Öl an der Meerenge, zumindest teilweise, vorbei pumpen. Zwei Pipelines quer durch die Arabischen Emirate vom Persischen Golf an den Golf von Oman sowie quer durch Saudi-Arabien vom Persischen Golf ans Rote Meer haben insgesamt eine Kapazität von 3,8 Millionen Barrel täglich und sind derzeit nicht ausgelastet – 2,7 Millionen Barrel täglich betrug die Nutzung im vergangenen Jahr. Saudi-Arabien baut seinen nur wenig genutzten Ölhafen am Roten Meer jetzt kräftig aus.

Ohnehin wissen die arabischen Golfstaaten, dass die besten Zeiten des Öls vorbei sind, seit die USA zum Selbstversorger geworden sind und die Industrienationen darüber nachdenken, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden. Längst versuchen alle Öl-Staaten, sich unabhängiger von Rohstoffexporten zu machen. Es entstehen neue Industriezonen und Tiefseehäfen, der Tourismus wird gefördert und ehrgeizige Infrastrukturprojekte werden vorangetrieben.

Vor allem Saudi-Arabien und die Emirate sind heute in die globalen Logistikketten eingebunden. „Die Bedeutung für die Containerschifffahrt sollte nicht unterschätzt werden“, sagt Nils Haupt, Sprecher von Hapag-Lloyd. Von 121 Diensten weltweit fahren zwölf Dienste der Hamburger Reederei regelmäßig durch die Straße von Hormus.

So hat beinahe die ganze Welt ein Interesse an der Straße von Hormus. An einer Schließung allerdings nicht. Und die europäischen Staaten sind um gute Beziehungen zu beiden Seiten bemüht. Deutschland, Frankreich und Großbritannien gehören zu den Garantiemächten des Iran-Atomdeals und tragen dessen Aufkündigung durch die USA nicht mit. Zugleich sind die arabischen Golfstaaten und Gegenspieler Irans wichtige Kunden der europäischen Rüstungsindustrie. Frankreich unterhält sogar eine Marinebasis in Abu Dhabi, Großbritannien in Bahrain.

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1 Kommentar

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  • Zitat: „So hat beinahe die ganze Welt ein Interesse an der Straße von Hormus. An einer Schließung allerdings nicht.“

    Um die Interessen „beinahe d[er] ganze[n] Welt“ kümmern sich die Rabauken, die derzeit am Golf die Muskeln spielen lassen, einen Dreck. Sie wollen nicht einsehen, dass sie auch nur ein Teil der Welt sind. Sie werden von Egoisten regiert, die von Egoisten inthronisiert wurden. Von Egoisten, die kaum bis zur eigenen Nasenspitze denken können und es schon aus Gründen intellektueller Defizite ablehnen, sich fremder Leute Gedanken auch noch zu machen.

    Wenn die Straße von Hormus geschlossen wird, könnten „die USA“ mehr Öl verkaufen, haben sich die „Entscheidungsträger“ mühsam genug überlegt. Und wenn das zu Konflikten führt, können auch gleich noch mehr Waffen verkauft werden als früher. Da aber in den USA (abgesehen vielleicht von der Pharma-Industrie) niemand so viel zu sagen hat wie die Öl- und die Waffenlobby, sind für die US-Regierung alles anderen Überlegungen wohl sekundär.

    Davon ganz abgesehen ist „beinahe die ganze Welt“ auch nicht real. Es gibt zwar ein geteiltes Interesse an der Befahrbarkeit der Straße von Hormus, aber das war‘s auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Darüber hinaus sehen sich die Staaten eher als Konkurrenten. Jeder hofft, bei einer Schließung der Route weniger stark zu verlieren als der ungeliebte „Partner“.

    "Die Welt“ wird also vermutlich nie mit einer Stimme spreche. In dieser Angelegenheit nicht und auch in keiner anderen. Schon deswegen nicht, weil überall auf dieser Welt Waffenbauer und -händler zu den (einfluss-)reichsten Geschäftsleuten überhaupt gehören und vielen Regierungen – vom Militär gar nicht zu reden – nichts besseres passieren kann, als ein netter kleiner Krieg irgendwo am viel befahrenen Arsch der Welt. Der lenkt nämlich ganz wunderbar von ihrem politischen Versagen ab.

    Man kann also nur beten, dass das "Pulverfass" nicht explodiert und einen Flächenbrand auslöst. Ob das allerdings hilft, wissen die Götter.