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Autofreie Zonen in HamburgFlanieren statt parken

In Hamburg-Ottensen und beim Rathaus entstehen zumindest zeitweise zwei autofreie Quartiere. Das Ziel ist es, Erfahrungen mit dem Konzept zu sammeln.

Künftig mehr Räder und keine Autos: die Bahrenfelder Straße in Hamburg-Ottensen Foto: Vitus Thomsen

Hamburg taz | Tim Schmuckall schwebt „ein offenes, ein lebendiges Projekt“ vor. Sollte es nicht klappen wie erhofft, könne es vorzeitig beendet werden, wenn auch ungern: „Die Verstetigung ist unser Ziel“, sagt der Fraktionsvize der CDU in der Bezirksversammlung Altona über „Ottensen macht Platz“. So heißt das autofreie Projekt westlich des Bahnhofs Altona, das ab 1. September umgesetzt werden soll.

Die Ottenser Hauptstraße, bislang bis zum Spritzenplatz Fußgängerzone, soll bis zur Mottenburger Straße verkehrsberuhigt werden, ebenso die Bahrenfelder Straße vom Alma-Wartenberg-Platz bis zur Klausstraße, auch die Erzberger Straße und ein Teil der Großen Rainstraße, zwei weitere Verlängerungen sind optional. Und wenn Probleme und Herausforderungen auftreten, „werden sie hoffentlich gelöst werden können“, sagt Schmuckall.

So wie die Sorge einer Apothekerin in der Bahrenfelder Straße, nicht mehr jederzeit „eilige Arzneimittel“ erhalten zu können, wenn der Lieferverkehr auf die Zeit von 23 bis 11 Uhr eingeschränkt wird. „Natürlich geht das“, sagt Schmuckall, und Krankenwagen, Post oder Müllabfuhr dürfen im Schritttempo durch das Quartier fahren. Auch Anwohner und Gewerbetreibende mit privaten Stellplätzen im Hof dürfen passieren, aber auf der Straße soll kein einziges Auto mehr abgestellt werden dürfen. „Es soll ein Flanierquartier werden“, sagt Schmuckall, der Straßenraum werde Fußgängern und Radfahrern zurückgegeben.

Es ist ein ambitioniertes Vorhaben, das die Bezirksversammlung Altona Ende März nahezu einstimmig – außer der AfD und einem Freidemokraten – beschlossen hat. Im Zentrum eines der dicht besiedelsten Viertel Hamburgs soll eine autofreie Oase entstehen und die Lebensqualität gesteigert werden, ohne Mobilität zu beschränken. Mit 27 Autos auf 100 Einwohner ist die Autodichte hier eine der dünnsten in Hamburg, zugleich ist Ottensen von sieben großen Parkhäusern umzingelt, in denen Anwohner künftig ihre Autos abstellen müssen.

Wir wollen Lösungen finden und Erfahrungen sammeln für künftige Projekte

Tim Schmuckall, CDU Altona

Zunächst einmal ein halbes Jahr lang soll dieser Versuch dauern. Das Bezirksamt Altona hat seit März ein umfangreiches Bürgerbeteiligungsverfahren mit Anwohnern und Gewerbetreibenden durchgeführt, auch während der Umsetzungsphase sollen Dialog- und Infoveranstaltungen angeboten werden. „Wir wollen Lösungen finden und Erfahrungen sammeln für künftige Projekte“, sagt Schmuckall.

Bereits zum 1. August soll die Umgebung des Hamburger Rathauses für drei Monate autofrei werden. Von ursprünglich geplanten acht Straßen sind jedoch nach monatelangem Hickhack nur eineinhalb übrig geblieben: Kleine Johannisstraße und ein Teil der Schauenburger Straße. Dabei hatten sich im Herbst vorigen Jahres in einer Umfrage fast 60 Prozent der Grundeigentümer-, Mieter- und PächterInnen für das Experiment ausgesprochen, unter den ansässigen GastronomInnen hatte die Zustimmung sogar bei 87 Prozent gelegen.

„Das Vorhaben ist eben sehr ambitioniert“, hatte vor einer Woche noch Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirks­amtes Mitte, erklärt. Die Feinabstimmung mit der Polizei über verkehrsleitende Fragen und die Beschilderung dauere noch an. „Aber aufgeschoben“, hatte Weiland versichert, „ist nicht aufgehoben.“ Und deshalb wollen am 22. Juli die Initiatoren des Projekts „Altstadt für Alle“ die Details der Fußgängerzone im Rathausquartier präsentieren.

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5 Kommentare

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  • 9G
    93649 (Profil gelöscht)

    Na werden sich die Stellplatzvermieter ja jetzt wahnsinnig über die steigenden Stellplatzmieten freuen und die Ärmeren werden sich ärgern, weil sie ihr Auto jetzt quasi in die Tonne treten können, weil sie es sich nicht leisten können, einen privaten Stellplatz zu mieten und ihr Auto weit weg parken müssen.



    Statt enger Straßen wegen Autos werden dann wohl zukünftig die Gastronomen die Straßen mit Tischen zuflastern.

    • 9G
      90618 (Profil gelöscht)
      @93649 (Profil gelöscht):

      Es gibt kein Grundrecht auf einen fußläufig erreichbaren Parkplatz. Man kann auch mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zum Auto kommen. Arme Menschen haben sowieso kein Auto, auf wen bezieht sich also "ärmere"?

    • @93649 (Profil gelöscht):

      "Statt enger Straßen wegen Autos werden dann wohl zukünftig die Gastronomen die Straßen mit Tischen zuflastern."

      Ja, das wäre EINE Möglichkeit, aus Parkraum Lebensraum für Menschen zu machen. Andere Möglichkeiten: Kinder spielen lassen, Flanieren, Cornern, Bänke aufstellen, Bäume pflanzen, Beete anlegen, uvm.

  • Bleibt die Frage, wo die Menschen ohne privaten Stellplatz ihr Auto lassen sollen.

    • @Wellmann Juergen:

      Und es bleibt die Frage, was jemand, der 100 m neben dem Bahnhof Altona wohnt mit einem Auto will. Und warum die Allgemeinheit für die Unterbringung von 1 Tonne Privatvergüngen aufkommen soll? Klug ist eine Lösung wie in Tokio, wo jeder, der ein Auto anmelden will, einen privaten Stellplatz nachweisen können muss.