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Neue Regierung in DänemarkAbschottung und Klimaschutz

Die Sozialdemokratin Mette Frederiksen wird Ministerpräsidentin in Dänemark. In der Flüchtlingspolitik bleibt das Land bei einer harten Linie.

Mehrheitsbildung: Die ChefInnen der linken Parteien und Mette Frederiksen (2.v.r.) Foto: ap

Stockholm taz | Mette Frederiksen hat es geschafft. Die 41-jährige Sozialdemokratin wird Dänemarks bislang jüngste und nach Helle Thorning-Schmidt zweite weibliche Ministerpräsidentin. Damit haben drei der vier skandinavischen Länder nun eine sozialdemokratisch geführte Regierung.

Dienstagabend kurz vor Mitternacht hatte Frederiksen zusammen mit den Vorsitzenden der drei übrigen „roten“ Parteien, der Sozialistischen Volkspartei, der rot-grünen Einheitsliste und der sozialliberalen Radikalen, das Ergebnis ihrer dreiwöchigen Verhandlungen präsentiert: Ein 18-seitiges Papier mit dem Titel „Faire Richtung für Dänemark“.

Damit bekommt Kopenhagen eine sozialdemokratische Minderheitsregierung. Diese soll sich aber im Parlament grundsätzlich auf die drei anderen Parteien stützen können, denen im Gegenzug die Verwirklichung einiger ihrer politischer Forderungen versprochen wird.

Man habe den gemeinsamen Wunsch, „Dänemark in eine andere Richtung“ zu lenken, heißt es in dem Papier. So sollen Familien mit Kindern besser gestellt und die wachsende Kinderarmut bekämpft werden. Vor allem soll Dänemark aber wieder eine Vorreiterrolle in der Klimapolitik übernehmen. 2020 soll ein bindendes Klimagesetz verabschiedet werden mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß des Landes im Verhältnis zu 1990 bis 2030 um 70 Prozent zu reduzieren. Details sind noch offen, die dafür nötigen Maßnahmen noch nicht bekannt.

Kein Abschiebelager auf einsamer Insel

Detaillierter ist der Abschnitt zum Ausländer- und Asylrecht. Hier haben sich die Sozialdemokraten mit ihrem bisherigen rigiden Abschottungskurs durchgesetzt. Grenzkontrollen und die strengen Voraussetzungen für Familienzusammenführung sollen bleiben. „Gesunde Vernunft“ solle in diesem Bereich herrschen, kündigte Frederiksen an. Die Politik solle „humaner und stringenter“ werden.

Konkret bedeutet das, dass die Sozialdemokraten den linken Parteien lediglich in einigen eher symbolischen Fragen Zugeständnisse machen. So werden die umstrittenen Pläne eines Abschiebelagers auf einer einsamen Insel nicht weiter verfolgt. Wo das Lager stattdessen gebaut wird, ist noch unklar. Außerdem wollen die Sozialdemokraten auf die von Flüchtlingshilfeorganisationen kritisierten katastrophalen Zustände für Familien mit Kindern im Ausreisezentrum Sjælsmark reagieren: Sie wollen eine neue Einrichtung bauen. Das reicht der Dänischen Volkspartei bereits, um Frederiksen vorzuwerfen, sie habe ihre Versprechen gebrochen.

Es sei umgekehrt, kommentiert hingegen die linke Zeitung Information: Für den Preis einer breiten Zusammenarbeit hätten die rot-grünen Parteien ihre Wahlversprechen für eine humanere Flüchtlings- und Ausländerpolitik gebrochen. Es sei paradox, aber „die Niederlage der Dänischen Volkspartei fällt mit ihrem Sieg in der Ausländerpolitik zusammen“.

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5 Kommentare

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  • Nun..nun.. der Herr Wolf interpretiert die `neue politische Situation´ in Dänemark etwas zu pessimistisch!



    ..die bisherige quasi inhumane Praxis, generell gegen Asylsuchende und kriminelle Asylanten und deren Kindern ist vorbei.. die Ablehnung gegen U.N.H.C.R. empfohlenen Kvotenflüchtlingen der letzten Regierung ist vorbei! Kvotenflüchtlinge sind Willkommen! Usw usw.. Klar ist . die gesteckten Klimaziele dürften harte Konfrontationen mit der Landwirtschaft erzeugen, jedoch die Pestizidverunreinigung des Grundwassers, die Übersäuerung der Küstengewässer.. erzwingen Handlung. Das Team der neuen Minister wirkt kompetent.. und es herrscht in den 4 Parteien eine solidarische Debattenkultur.. das Verbot von Zweitstudium der letzten Regierung ist vom Tisch!



    Das generelle EU Problem des "Lohndumping" und billige Arbeitskraft anderer EU Staaten und sogar von ausserhalb der EU dürfte m.E. die neue Regierung sehr beschäftigen..



    Auch wird die verschleppte Steuerdebatte der letzten Regierung ,



    die auch Schuld ist am Phänomen "neuer Armut" schwacher Schichten, wieder mit Leben erfüllt...

  • Sympathische Kombination.



    Ist die Klimapolitik wirklich so unkonkret, oder wird die nur nicht so breitgetreten?

  • Nichts wirklich neues in Dänemark. Da geht es seit jeher in die stete Rechtsschleife.

    • @Hampelstielz:

      Genau, immerhin hat die Dansk Folkeüarti, das Pendant zur deutschen AfD bei dieser Wahl ca.2/3 ihrer Stimmen verloren und hat nunmehr mit 8% weniger als die anderen EU - Länder an rechtspopulistischen Politikern im Parlament, z.B. wesentlich weniger als die BRD.

      Das Problem ist, dass niemandem hier das dänische Staatsverständnis erklärt wird.



      Dänemark zahlt aus staatlichen Mitteln mehr als das doppelte wie der EU-Durchschnitt als soziale Sicherungen, d.h., dass 2 1/2 fache dessen, was die BRD zahlt.



      In fast allen Bereichen wird bei sozialen Notlagen in Dänemark wesentlich mehr gezahlt als in der BRD, auch bei der Beseitigung von sozialer Ausgrenzung. Ein Asylbewerber, der in Dänemark anerkannt ist, bekommt die höchste Leistung in Europa, mehr als das doppelte als in der BRD.

      Dafür zahlen die Dänen auch die höchsten Steuern der Welt. Und die zahlen sie gerne, sie gehören auch wohl mit zu den subjektiv sich am glücklichsten fühlenden Menschen.

      Meines Erachtens ist es äußerst erfreulich, dass sich Dänemark von neoliberalen Rechtspopulisten abwendet und wieder seine soziale Stärke in den Vordergrund stellt.

      Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Dänemark ein ausreichendes Netz an sozialen Sicherungen, das die Menschen auch behalten wollen. Es ist was völlig anderes, wenn ein fetter Deutscher, der seine Steuern spart, wo er kann und HartzIV richtig findet, gegen die weitere Aufnahme von Asylbewerbern hetzt oder ob ein Bewohner eines Staates mit einem guten sozialen Netz sich Gedanken über dessen Finanzierbarkeit macht. Wie gesagt, dass die reaktionären Rufern von Sätzen wie "Das Boot ist voll" von den Dänen abgesägt worden zugunsten von Menschen, die einen Wohlfahrtsstaat erhalten wollen, ist imo ein gutes Zeichen.

      (Quelle größtenteils:



      www.bmas.de/Shared...blicationFile&v=10 )

      • @Age Krüger:

        Wenn eine angeblich sozialdemokratische Partei stramm rechte Positionen übernimmt und dafür einen Wahlerfolg einheimst, ist das verständlicherweise noch immer ein Rechtsruck.