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„Die Tiere lieben Wärme“

Durch den Klimawandel siedeln sich bei uns fremde Insekten an, sagt Immunologe Schmidt

Reinhold E. Schmidt,65, ist Direktor der Klinik für Immunologie und Rheumatologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Interview Simone Schmollack

taz: Herr Schmidt, seit einiger Zeit gibt es in Deutschland Insekten, die es hier früher nicht gab. Warum?

Reinhold E. Schmidt: Die Ursache dafür ist der Klimawandel. Die wärmeren Temperaturen und die Veränderung von beispielsweise Feuchtgebieten sorgen dafür, dass sich bei uns Insekten ansiedeln, die es früher nicht gab.

Welche?

Die asiatische Tigermücke zum Beispiel. Die ist ursprünglich in den süd- und südostasiatischen Tropen beheimatet. Aber auch Zecken finden sich jetzt vermehrt in Ecken unseres Landes, wo es sie früher nicht gab. Von den Insekten gehen Gefahren aus.

Welche sind das?

Sie fungieren als Überträger von Krankheitserregern, die unter anderem die Japanische Enzephalitits oder Denghi-Fieber auslösen. FSME, also die Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten, wird durch Zecken übertragen. Die Verbreitungsgebiete haben sich mittlerweile vom Süden Deutschlands streckenweise in der gesamten Republik ausgebreitet. Das Emsland in Niedersachsen ist jetzt FSME-Risikogebiet.

Auch der Eichenprozessionsspinner macht sich hier breit. Wegen des Klimawandels?

Die Tiere lieben Wärme, die bei uns anhaltend hohen Temperaturen auch im Winter begünstigen ihr Überleben. Die sogenannten Brennhaare der Raupe enthalten Nesselgift, das kann Juckreiz, Ausschlag, Atembeschwerden und sogar allergische Schocks verursachen.

Parasitolog*innen beobachten, dass derzeit Bettwanzen verstärkt Hotels, Jugendherbergen und Wohnungen befallen.

Bettwanzen sind mit dem Klimawandel nicht so ohne Weiteres in Zusammenhang zu bringen, sie haben eher mit der globalen Reisefreudigkeit der Menschen zu tun. Die kleinen Tiere verkriechen sich im Reisegepäck und werden so in die ganze Welt getragen. Aber auch sie lieben warme Ecken, in denen sie sich verkriechen können. Und wenn Menschen selbst bei wärmeren Temperaturen noch in dicken Materialien schlafen, ist das für Bettwanzen ideal.

Was kann man gegen all das tun?

Bei Mücken und Zecken helfen nur vorbeugende Sprays, Gels und Kleidung, die die Insekten abweisen. Nach einem Waldspaziergang sollte man sich und seine Kleidung genau nach Zecken absuchen. Gegen FSME kann man sich impfen lassen.

Mit welchen weiteren gefährlichen Insekten haben wir noch zu rechnen?

Eine Prognose ist schwierig. Aber ich vermute, wir müssen mit noch Schlimmerem rechnen, wenn das Ende der globalen Erwärmung nicht rasch gestoppt wird.

Gegen die meisten Insekten, beispielsweise beim Eichenprozessionsspinner, hilft nur die chemische Keule. Aber die wird von Umweltschützer*innen abgelehnt.

Es gilt, immer wieder eine Balance zu finden. Wenn wir Ungeziefer beseitigen wollen, müssen deren Lebensräume zerstört werden. Dadurch werden auch Lebensräume anderer Tiere vernichtet, beispielsweise Feuchtgebiete. Wollen wir das? Wenn das passiert, müssen wir zumindest dafür sorgen, dass die Feuchtgebiete wieder aufgebaut werden.

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