Umweltverbände gegen Elbvertiefung: Fischkritische Grenze ist erreicht
Ein Umweltbündnis fordert den Stopp der Baggerarbeiten im Fluss, weil massenhaft Fische sterben. Hamburg will unbeirrt weitermachen.
Denn notwendig sei es auch, die Baggerarbeiten für die Elbvertiefung zu stoppen. Die würden sonst zu einem noch schlimmeren Fischsterben führen, so die Befürchtung des „Bündnisses Lebendige Tideelbe“, zu dem sich der BUND, der Naturschutzbund (Nabu) und die Umweltstiftung WWF zusammengeschlossen haben.
„Während in der Elbe massenhaft die Fische sterben, hält die Wirtschaftsbehörde unbeirrt an ihrem Plan fest, in Kürze mit den Baggerarbeiten für die nächste Elbvertiefung zu beginnen“, klagte Braasch. Auch wenn die Messstationen im Hafenbereich gerade defekt seien, sprächen die toten Fische in der Elbe eine deutliche Sprache, so der BUND-Chef: „Die Sauerstoffwerte sind so niedrig, dass selbst erwachsene Tiere, die normalerweise besser an kritische Situationen angepasst seien, elend zu Grunde gehen.“
Die toten Fische – Stinte, Zander, Flundern, Finte, Meerforellen und Lachse – hatte tags zuvor ein Elbfischer aus seinen Netzen geholt und sie den Umweltgruppen für diese Protestaktion überlassen.
Die Aktivisten forderten von der für Hafen und Elbvertiefung zuständigen Wirtschaftsbehörde den Stopp der Baggerarbeiten in der Elbe in den Sommermonaten. Zwischen April und November dürften „keinerlei Baggerarbeiten zur Umsetzung der Fahrrinnenvertiefung durchgeführt werden“, wenn der Sauerstoffgehalt des Elbwassers unter die sogenannte fischkritische Grenze gefallen sei, fordern die drei Umweltverbände. Diese Grenze liegt bei vier Mikrogramm pro Liter. Schon seit Tagen betrage er aber nur noch 2,3 Mikrogramm pro Liter, die Umweltbehörde sprach am Donnerstag von 2,7 Mikrogramm.
Zwischen Nordsee und Hamburger Hafen soll die Unterelbe auf einer Länge von rund 120 Kilometern auf 19 Meter unter Normalnull (NN) vertieft werden.
Dafür müssen mindestens 38,5 Millionen Kubikmeter Schlick vom Grund geholt werden.
Ziel dieser erneuten Elbvertiefung ist, dass auch die größten Containerriesen der neuen Generation – 400 Meter lang und mehr als 60 Meter breit – mit einem Tiefgang von 13,50 Metern den Hafen jederzeit anlaufen können, bei Hochwasser auch mit 14,50 Metern Tiefgang.
Die Baukosten von rund 800 Millionen Euro trägt zu zwei Dritteln der Bund, zu einem Drittel Hamburg. Zudem muss die Stadt weitere rund 160 Millionen Euro für zusätzliche Maßnahmen des Natur- und Artenschutzes und der Deichsicherung aufbringen.
Im März bereits hatten Elbfischer auf den dramatischen Rückgang des Stintbestandes aufmerksam gemacht. Der kleine, silbrige Verwandte des Lachses gilt in Hamburg als regionale Delikatesse. Nach Angaben von Fischkundlern hat sich die Stintpopulation in den letzten fünf Jahren aber mindestens halbiert.
Bereits im Vorjahr wurden so wenige Stinte gefangen wie seit Jahrzehnten nicht, rechnet das Bündnis Tideelbe vor. Und 2019 sei es nur noch ein Drittel dieser Menge. „Es gibt stromabwärts des Hafens fast keinen Fisch mehr in der Elbe“, sagte der Fischer Lothar Buckow aus Jork im Alten Land.
In nahezu jedem warmen Sommer sinkt der Sauerstoffgehalt in der Unterelbe dramatisch ab, Fischsterben sind die Regel. Im superheißen Sommer 2018 waren etliche Tonnen Fisch in der Elbe verendet. Im Juni hatte zunächst Starkregen viele Nährstoffe aus der Landwirtschaft in den Fluss gespült. Das habe nach Einschätzung der Umweltbehörde das Algenwachstum begünstigt und die Sauerstoffsituation verschärft.
Hinzu kommt jetzt die Hitze der vergangenen Tage, die noch fortdauern soll. Durch die steigende Wassertemperatur – aktuell hat die Elbe 23 Grad Celsius – müsse deshalb damit gerechnet werden, dass der Sauerstoffgehalt für die Fische weiter kritisch bleibe, so die Behörde.
Die Wirtschaftsbehörde will die Forderung der Verbände nach einem Baggerstopp nun prüfen, hält sie aber im Grunde für unberechtigt. Der Sauerstoffgehalt sei im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt worden, sagte eine Sprecherin. Ein Stopp der Baggerarbeiten sei deshalb „obsolet“.
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