piwik no script img

BETTINA GAUS POLITIK VON OBENDas Strafbataillon

CDU, CSU und FDP feilschen darum, wer Minister für was werden darf. Oder werden muss. Denn man kann die Kabinettsliste auch unter einem völlig neuartigen Gesichtspunkt zusammenstellen: danach, wer welchen Posten am grässlichsten fände

Alle Politiker gieren stets nur nach Posten, Dienstwagen und Privilegien. Diese Überzeugung ist sogar in dem Teil der Bevölkerung weit verbreitet, der sich nach wie vor an Wahlen beteiligt und bei einer Partei ein Kreuzchen macht. Die Wähler nehmen hinterher trotzdem übel, wenn die Spitzenleute ihrer Partei tatsächlich regieren wollen.

Vielleicht ist das der falsche Ansatz.

Er gönne Ursula von der Leyen von Herzen das Gesundheitsministerium, sagte der Journalist Hajo Schumacher kürzlich, und noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, jubelte der Saal. Weil das Publikum die Gemeinheit begriffen hatte, die in der Äußerung lag, bevor sie überhaupt begründet worden war. Ihm gehe die Familienministerin mit ihrem Mami-Image seit langem auf den Zünder, sagte Schumacher ins allgemeine Gelächter hinein. Die Leitung des Gesundheitsministeriums sei ein ekelhafter Job. Da könne man eigentlich nur verlieren.

Ich verstehe, was er meint. Gerade im Zusammenhang mit Ursula von der Leyen. Vor einigen Jahren stand ich auf einem CDU-Parteitag mit einigen Kolleginnen zusammen. Wir gehörten unterschiedlichen Generationen an, einige von uns hatten Kinder, andere nicht, manche waren alleinstehend und manche waren verheiratet. Ursula von der Leyen sei wirklich ein Phänomen, fanden wir übereinstimmend. Schön sei sie, klug und so wahnsinnig effizient. Ministerin und sieben Kinder – das soll ihr erst mal jemand nachmachen. Plötzlich sagte eine: Ekelhaft. Und alle lachten los.

Natürlich war das ungerecht. Aber wir hatten es plötzlich, ungeachtet aller politischen Meinungsverschiedenheiten, gemeinsam satt, unsere eigenen Lebensleistungen kollektiv durch die uneinholbaren Leistungen einer – ja eben in der Tat privilegierten – Politikerin abwerten zu lassen. Ich denke: So etwas nennt man Politikverdrossenheit. „Du weißt nicht, wie du die Betreuung eines Kindes mit der Berichterstattung vom CDU-Parteitag vereinbaren kannst? Schau dir doch mal Ursula von der Leyen an. Die hat sieben.“ Man kam sich vor, als sei man selbst die Häsin und sie Igelin.

Das Gesundheitsministerium für Ursula von der Leyen ist eine glänzende Idee. Vielleicht kann man den Gedanken noch weiter entwickeln. Und die Kabinettsliste vor allem unter dem Gesichtspunkt zusammenstellen, welche Jobs welche Leute am allerwenigsten haben wollen.

Ein Beispiel: Rainer Brüderle wird ins Kanzleramt eingeliefert – als Staatsminister, der die Geheimdienste koordiniert. Der gesprächige FDP-Politiker sitzt in abhörsicheren Räumen und sortiert Dokumente nach ihrer Geheimhaltungsstufe. Geheim, Streng geheim, VS-Vertraulich, VS-Nur für den Dienstgebrauch. Keine Interviews.

Es würde sicher auch Spaß machen, Silvana Koch-Mehrin im Landwirtschaftsministerium zu beobachten. Oder – kommen wir zur CDU – Christian Wulff als Verteidigungsminister. Ständig große, schwere Entscheidungen. Kann man die persönliche Familien-Soap auch weiterhin zur Imagewerbung nutzen? Oder erinnert das zu sehr an Vorgänger Rudolf Scharping und dessen Bad im Pool mit der Gräfin Pilati? Große, schwere Entscheidungen.

Der Star wird Held der Arbeit. Es dürfte nicht lange dauern, bis sich Karl-Theodor zu Guttenberg als Arbeitsminister auf sein Schonvermögen – vulgo die Latifundien – zurückziehen möchte. Denn er wird die schmerzliche Erkenntnis gewinnen, dass nicht jedes Problem eines Hartz-IV-Empfängers dadurch zu lösen wäre, dass der sich endlich mal fleißig um die Verwaltung des Familienvermögens kümmerte.

Sie wollen die ganze Kabinettsliste, Frau Merkel? Gefällt Ihnen wohl, mit Hilfe von Beförderungen Leute ins Unglück zu stürzen? Na schön, zwei noch: Roland Koch – Frauen und Familie. Und Hermann Otto Solms macht die Finanzen.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: Amélie Losier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen