piwik no script img

Wachsender Schuldenberg in ItalienBrüssel droht mit Defizitverfahren

Die EU-Kommission stellt wegen des wachsenden Schuldenbergs die Weichen für ein Strafverfahren. Bundesfinanzminister will verhandeln.

Politik auf Pump: Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte (l) und Innenminister Matteo Salvini Foto: dpa

Brüssel taz | Die EU-Kommission droht Italien mit einem Defizitverfahren, das mit Milliardenstrafen enden könnte und die Schulden des Landes weiter in die Höhe treiben würde. Zur Begründung verwies EU-Währungskommissar Pierre Moscovici am Mittwoch in Brüssel auf das „exzessive Defizit“. Der Schuldenberg Italiens wuchs 2018 auf 132,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – statt wie vom Stabilitätspakt vorgeschrieben zu sinken. Erlaubt sind nur 60 Prozent.

Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis kritisierte den „Schaden, den der Politikwechsel [der neuen Regierung in Rom] verursacht“ habe. Durch die umstrittenen Entscheidungen der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung sei die Zinslast gestiegen. Rom müsse für den Schuldendienst mehr ausgeben als für das gesamte Bildungswesen. Als Ausweg empfahl Dombrovskis weitere Strukturreformen und Ausgabenkürzungen.

Es ist bereits der zweite Versuch der EU-Kommission, die ausgabenfreudige Politik der populistischen Regierung in Rom zu stoppen. Ein erstes Defizitverfahren wurde im Herbst 2018 nach wochenlangem Tauziehen zurückgezogen – offenbar mit Rücksicht auf den beginnenden Europawahlkampf.

Brüssel gab sich damals mit kleinen Korrekturen am Budgetentwurf für 2019 zufrieden. Doch die Hoffnung, so den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die rechte Lega und ihr Chef Matteo Salvini haben bei der Europawahl deutlich zugelegt.

Zu spät und zu schwach, aber alternativlos: So wurde die Empfehlung der scheidenden EU-Kommission in Brüssel kommentiert. „Wir hätten bei einigen Ländern früher eingreifen müssen“, sagte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU). „Nun ist es bei Italien eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf.“ Auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold erklärte, an einem Defizitverfahren führe „kein Weg vorbei“.

Nachdenklichere Töne kamen aus Berlin. Wie schon im Herbst setze er auch diesmal auf Gespräche mit Rom, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Die Eurozone sei stabil, das Problem lasse sich durch Verhandlungen lösen.

Der stellvertretende italienische Regierungschef Luigi Di Maio kritisierte das drohende Defizitverfahren. Ein Land mit sechs Millionen Arbeitslosen dürfe nicht dafür bestraft werden, dass es in Wachstum, Arbeitsplätze und Steuersenkungen investieren wolle, erklärte der Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung auf Facebook.

Als Nächstes müssen nun die Euroländer entscheiden, ob sie der Empfehlung aus Brüssel folgen.

Als Nächstes müssen nun die Euroländer entscheiden, ob sie der Empfehlung aus Brüssel folgen. Zuständig ist der Wirtschafts- und Finanzausschuss. Er hat zwei Wochen Zeit, die Angaben der EU-Kommission zu prüfen. Eine Stellungnahme wird noch vor dem nächsten Treffen der Eurofinanzminister am 13. und 14. Juni erwartet.

Fällt sie zustimmend aus, kann die EU-Kommission ein Defizitverfahren einleiten. Bis es zu Geldbußen kommt, sind allerdings viele weitere Schritte nötig. Die Strafe könnte sich auf bis zu 0,5 Prozent des BIP belaufen – derzeit zehn Milliarden Euro.

Noch härtere Strafen drohen auf den Finanzmärkten. Wenn sie Italien herabstufen und noch höhere Zinsen verlangen, könnte dies eine neue Eurokrise auslösen. Die würde dann nicht mehr nur Rom treffen, sondern auch Brüssel und Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Um nicht vollständig faschistisch zu werden, muss Italien sofort aus dem Euro aussteigen, abwerten und als Steueroase mit exportgünstiger Währung den Anderen Konkurrenz machen. Wenn es den Bank-Schergen nicht passt, dann direkt in den Itexit.

  • Dumm Dümmer Brüssel Defizitverfahren...

  • Hmm. Ein entsprechendes Verfahren gegen Frankreich wurde mit den Worten des scheidenden Kommissionspräsidenten "weil es Frankreich ist" garnicht erst in Betracht gezogen. Auch das vollkommen überschuldete Griechenland hat man jahrelang gewähren lassen.

    Die Tatsache, dass ein entsprechendes Verfahren jetzt gegen Italien eingeleitet wird, erscheint vollkommen willkürlich. Die Regierung in Rom wird schon wissen, wie sie darauf reagieren wird. Jetzt rächt sich die mangelnde Stringenz der EU.