piwik no script img

Apps zur Pflanzenerkennung im TestGemein, diese Gemeine Esche

Können wir ausgerechnet mit digitaler Technologie zur Natur zurückfinden? Vier Pflanzenerkennungs-Apps im Test.

Na, was ist das? Foto: dpa

Die meisten Menschen können zwar problemlos einen Eber von einer Esche unterscheiden, scheitern aber spätestens an der Differenzierung zwischen Eberesche und Gemeiner Esche. Wir erinnern an dieser Stelle noch einmal leise hüstelnd an die falsche Abbildung in der taz am wochenende vom 11./12. Mai, bedanken uns bei unseren aufmerksamen LeserInnen und geloben Besserung. Natürlich haben wir uns direkt auf die Suche nach einem Nachhilfelehrer gemacht – gefunden haben wir mehrere: Pflanzenerkennungs-Apps, die dicke, schwere Bestimmungsbücher ersetzen sollen. Können wir ausgerechnet mit digitaler Technologie zur Natur zurückfinden?

Noch vor wenigen Jahren war das Angebot mau, inzwischen kann man unter Dutzenden Anwendungen auswählen. Die meisten sind kostenlos. Einige sind professioneller und richten sich durchaus auch an Fachleute, andere sind ohne Vorkenntnisse nutzbar. Manche verhalten sich eher klassisch und funktionieren wie ein digitales Bestimmungsbuch. Die neue Generation bestimmt Pflanzen per Fotoabgleich mit einer Referenzdatenbank: eine Art Gesichtserkennung für Pflanzen. Wieder andere setzen verstärkt auf das Wissen von Community-Foren und leben vom botanischen Eifer der NutzerInnen. Manche Apps kombinieren auch die Vorteile dieser verschiedenen Ansätze.

Da wir den Botanischen Garten in Berlin als Testareal gewählt haben, können wir die Ergebnisse nachprüfen: Jedes Gewächs hier ist akribisch beschriftet. Deswegen ist es der perfekte Ort, um die Anwendungen zu testen – sollte man meinen. Inzwischen wissen wir: Ein Botanischer Garten ist der härteste Stresstest für die Pflanzenerkennungs-Apps. Sie verwechseln den Amerikanischen Hundszahn mit Ahorn, eine fernöstliche Allium-Art mit Schnittlauch. Auch für uns ein Stresstest also, denn das ist nach einer Weile ganz schön frustrierend. An der Qualität unserer Fotos kann es nicht liegen, überlegen wir.

Schließlich wird uns klar, dass die Apps nur so gut sein können, wie ihre Spezialisierungen es ermöglichen. Sie sind nämlich allesamt geografisch beschränkt oder auch auf bestimmte Pflanzenkategorien ausgerichtet. Wir sind um­geben von exotischen Pflanzen aus aller Welt, oftmals selten dazu. Das überfordert die Apps. Immerhin gibt es weltweit Hunderttausende Pflanzenarten, allein in Deutschland sind es etwa 10.000. Die Programme wissen davon nur so viel, wie ihre EntwicklerInnen ihnen schon beigebracht haben.

PlantNet

Die App: Die Software kann über 13.000 Pflanzenarten erkennen. NutzerInnen fotografieren dazu einfach einen beliebigen Pflanzenteil und wählen aus, ob es sich um Blüte, Blatt oder Stamm handelt. Die berechneten Ergebnisse sortiert die App nach Trefferwahrscheinlichkeit. NutzerInnen müssen dann selbst anhand der Fotos aus der App entscheiden, welcher Vorschlag der richtige ist.

Der Test: PlantNet ist mit über 5 Millionen Downloads und 30.000 Anfragen am Tag eine der beliebtesten Apps und erkennt als einzige der getesteten Anwendungen auch exotischere Pflanzen. Je mehr Menschen mit ihren Beobachtungen die Datenbank füttern, desto genauer kann die Software neue Observationen zuordnen. Einziges Minus ist die etwas umständliche Auswahl der Pflanzenherkunftsländer, die zur Ergebnisfindung gebraucht wird.

AndyGarden

Die App: NutzerInnen posten ein Foto mit einer Frage an die Community auf die Startseite der Anwendung. Die Beiträge können dann von allen NutzerInnen mit Tipps und Ratschlägen kommentiert werden. Wer aktiv postet, kommentiert und auf das "Daumen hoch"-Symbol drückt, kann sich dann den Rang "Pflanzenexperte" verdienen – ein kleines Statussymbol unter den Botanikfans bei AndyGarden.

Der Test: Auch wenn hier mehrheitlich keine ausgewiesenen Fachleute unterwegs sind, hat die menschenbasierte Anwendung ihren Reiz. Auf Nachfrage erhält man innerhalb weniger Minuten erste Einschätzungen zur Identität der Gewächse. Die Begeisterung der HobbygärtnerInnen ist ansteckend.

Naturblick

Die App: Das Berliner Naturkundemuseum entwickelte die App speziell, um Natur in Städten greifbarer zu machen. NutzerInnen nehmen direkt über die Handykamera ein Bild für die Pflanzenerkennung auf, das die Anwendung auswertet. Die App erkennt lediglich heimische Pflanzenarten, die am Straßenrand oder in Parks wachsen. Wer also vergessen hat, wie oft das exotische Geburtstagsgeschenk der botanikbesessenen Tante gegossen werden muss, sollte eventuell doch auf einE ExpertIn zurückgreifen, um einen pflanzlichen Todesfall zu vermeiden.

Der Test: Insgesamt ist die App die benutzerfreundlichste unter den getesteten und besonders für PflanzenfreundInnen aus der Großstadt geeignet. Da das Foto für die Pflanzenerkennung nicht aus der eigenen Handygalerie importiert werden kann, wird allerdings das Konto der mobilen Daten belastet – die wichtigste Ressource für junge Städter. Schöne Entschädigung: die integrierte Vogelbestimmung per Tonaufnahme.

Flora Incognita

Die App: NutzerInnen wählen zuerst die Wuchsform (Baum, Wildblume, Gras oder Farn), dann verlangt die Anwendung Bilder von Blüte, Blättern und Stamm aus verschiedenen Perspektiven, gleicht sie mit der Datenbank ab und schlägt eine Pflanzenart vor, die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der fotografierten übereinstimmen soll.

Der Test: Hoher Spaßfaktor! Auch Laien bekommen dabei das Gefühl, gerade wie einE ProfibotanikerIn zu forschen.

Doch vor allem solche, die auf Foto-Erkennung beruhen, lernen immer mehr dazu. Entweder werden sie von ExpertInnen mit Daten gefüttert oder direkt von den NutzerInnen. Denn die gesammelten Informa­tionen und Fotos fließen in die Datensätze ein und werden von Algorithmen sortiert. Die Software-EntwicklerInnen dressieren die Apps darauf, möglichst exakte Ergebnisse zu liefern. Deep-Learning nennt sich das, eine Art Vorstufe der künstlichen Intelligenz.

Ein Botanischer Garten ist der härteste Stresstest für die Apps

Das Studium der Botanik werden die Apps aber auch in Zukunft sicher nicht ablösen. Unter WissenschaftlerInnen werden sie oft belächelt. Sophie Lokatis, Biologin an der FU Berlin, hat sich aber inzwischen zu einem gewissen Grad überzeugen lassen: „Früher war ich Puristin und habe neben dem botanischen Bestimmungsatlas nichts gelten lassen. Im Stadtgebiet gehe ich inzwischen fast nur noch mit dem Smartphone auf Exkursion.“ Wobei die Kombination aus beidem am besten sei, resümiert sie. Gerade bei Feldforschungen in ländlichen Regionen kann die Abhängigkeit der Apps von Strom und Internet ein Nachteil sein.

Wir gehen nach einer Reihe von Misserfolgen im Botanischen Garten dazu über, die wilden Pflanzen abseits der gepflegten Beete zu bestimmen. Und tatsächlich: Das Schöllkraut, Chelidonium majus, erkennt die App sofort! Ohne Schild wuchert es am Stamm eines majestätischen Ginkgobaumes.

Führen uns solche Apps nun näher an die Natur heran oder entfremden sie uns sogar noch weiter von ihr? „Es hängt davon ab, wie man mit der Technologie umgeht“, sagt Martin Tscholl vom Berliner Naturkundemuseum, wo die App „Naturblick“ entwickelt wurde. „Wir geben selbst bei relativ eindeutigen Anfragen bewusst immer drei Möglichkeiten zur Auswahl, die nach Wahrscheinlichkeiten gelistet sind. Man muss also schon noch mal selber gucken, und darum geht es eigentlich auch.“ Die Benutzung der Apps fällt mit biologischem Vorwissen, einer gewissen Beobachtungsgabe und etwas Ruhe und Gefühl auch spürbar leichter. Den eigenen, offenen Blick auf die Natur ersetzen sie also nicht.

Mit Hilfe der Apps kann einen das Smartphone an wunderschöne, grüne Orte führen. Man darf dann als eifrigeR NachwuchsbotanikerIn nur nicht vergessen, den Blick ab und zu vom Bildschirm zu lösen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Die Apps, die ich getestet habe, konnten auch die heimische Flora nicht zuverlässig bestimmen. Sicher markante Pflanzen, da gibt es Treffer, ab wenn sich eine Art von anderen Arten in Details unterscheidet, die ein Foto nicht aufnimmt oder die App nicht berücksichtigt, dann geht nüscht mehr. Und das passiert fast immer.

  • Danke fürs Fotto

    Ganz ohne App holte uns unsere alte Dame des nachts aus den Federn.



    Um die victoria regia im Botanischen Garten Halle/Saale von umme Ecke.



    In der einen Nacht blühend zu erleben.



    Leider damals schon zu schwer - um auf einem der Blätter zu sitzen. 😈

    unterm---- ansonsten



    “Was blüht den da?" Kosmos unter der Bank.



    & Däh! konnste -



    Schmeil-Fitschen rückwärts lesen!



    & Däh!



    Weil ich auch fand - daß Bio-Heft-Malkunst.



    Mit Bio wenig zu tun habe - Hatte ich im Herbst.



    Ne fünf - statt Ostern noch ne zwei.



    (Kalle Hopp - “Höer auf - die Dumpfbacke Schwodi…*



    “Mit de Pölze!" - klar Oxpreuße! 👹

    ----



    (*Übler Schläger - aber das - ist eine andere Geschichte!;)(



    &



    www.google.de/amp/...-11040831.amp.html



    Der damals aber - vor LÜGT&Moritz - noch Ratzeburger Achter hieß!;)(

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      .



      Namen bleiben Schall und Rauch und recht belanglos, wenn man darüber hinaus nichts Interessantes über das eben durch mehr oder weniger glückliche Smart-Treffer identifizierte Grün- oder Viechzeuch im Hinterstübchen abspeichert.



      Zum Beispiel sowas: die Victoria hat eine Einkerbung am Blatt, damit das Regenwasser ablaufen kann. Warum läuft der See aber nicht durch selbige ins Blatt, hm? Oder ist das jetzt schon wieder Haarspalterei am Blattspalt?

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Liggers.

        unterm—-beschenkt — entre nous —



        Zu dieser - mir bis dato unbekannten funktionellen Spalte - dürfte vergeblich im gerade zum 90. gehypten Lexikon - …also nichts zu finden sein. 👺



        &



        (btw - “Waas? Mathe/Physik? Du wirst doch In'geniör!“ Ol alkiKaLeu Jack‘n zu seinem Lieblingsschüler😈



        kurz - ein one-way-Schleuse dürfte Mutter Natur eine der leichteren Übungen gewesen sein - wie ja so fein & eindrucksvoll ersichtlich. 😎



        (…unsere Ollen … - ja - zwei ~ gern dankbar genommene lebenskluge Unikate - mit zwei enfants terrible gesegnet 🎭

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @61321 (Profil gelöscht):

        .



        Übrigens Glückwunsch nachträglich zur ansteckenden Begeisterung Ihrer alten Dame, die auch ihre smarten Jungs damit nicht verschont hat. Nicht jeder hatte solche Eltern