Kolumne Press-Schlag: Freude schöner Ajaxfunken
Ajax Amsterdam wird Meister und blickt auf eine nahezu perfekte Saison zurück. Der Ausverkauf droht. Das Wichtigste ist aber etwas anderes.
A ls Johan Cruyff einmal gefragt wurde, ob er die Niederlage gegen Deutschland im 1974 WM-Finale bedauere, lautete die Antwort einfach: Nein! Denn jene Mannschaft, erklärte er, würde sowieso in Erinnerung bleiben. Das gleiche lässt sich heute über Ajax Amsterdam sagen. Den Verein, der in Europa zu allererst mit dem unglücklichen Ausscheiden im Champions-League-Halbfinale gegen Tottenham Hotspur in Verbindung gebracht wird.
Dass sich das Team neben dem Pokal am Mittwochabend auch noch den nationalen Meistertitel mit einem 4:1-Erfolg bei De Graafschap Doetinchem gesichert hat, werden nicht so viele mitbekommen haben.
Aber auch das ist nur zweitrangig. Das Wichtigste an der Saison ist die Freude, die das Team von Trainer Erik ten Hag den Fans bereitet hat – dieselbe Freude, welche die Spieler auf dem Feld empfinden.
Das ist keine romantische Perspektive, sondern Realität. Denn Grund zur Freude gab es reichlich: Ajax hat 44 von 58 Spielen gewonnen, 8 ausgeglichen und nur 6 verloren. Erik ten Hag, der den Trainerposten 2018 im Januar übernommen hat, hat eine Mannschaft vorgefunden, die schon unter Peter Bosz überzeugt hatte. Das Europa-League-Finale hatte sie erst gegen den „Anti-Fußball“ von José Mourinhos Manchester United verloren – dem Klub, wo der ehemalige Ajax-Kapitän Daley Blind auf die Bank verbannt wurde.
Die Zerstückelung der Mannschaft
Vergangenen Sommer ist Blind nach Amsterdam zurückgekehrt: Mit ihm verfügt Ajax neben dem 19-jährigen Kapitän Matthijs de Ligt über einen Innenverteidiger mit einem besonders guten Positionsspiel. Ten Hag konnte dann Frenkie de Jong ins Mittelfeld vorziehen und damit das Spieltempo beschleunigen. Außerdem ließ er Donny van de Beek zwischen den Reihen agieren: Kein Gegner, allen voran Juventus Turin, kam damit zurecht. Das gut abgestimmte Positionsspiel erspart den Spielern Laufwege und Kräfte.
Die 179 Tore sind nicht zwei, drei Ausnahmespielern zu verdanken, sondern der Mannschaft. Ein untypischer Außenstürmer wie Dusan Tadic wurde zum Top-Scorer der Eredivisie mit 30 Toren, obwohl er häufig tief ins Mittelfeld rückt und seine Stelle von van de Beek oder Hakim Zyech besetzt wird.
Schließlich profitierte Ajax im ersten Teil der Saison mit dem Überraschung-Effekt: Der FC Bayern hatte wohl kaum damit gerechnet, dass ein physisch eher nicht so kräftiger Spieler wie der Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui so viele Probleme bereiten kann. Er erzielte beim 1:1 den Ajax-Treffer. Das beeindruckende Spiel in der Münchner Arena war das erste Zeichen, dass das junge, vermeintlich naive Ajax-Team nicht so einfach zu beherrschen war.
Auch nach der peinlichen Pleiten gegen Feyenoord (2:6) ist ten Hag seinen Ideen treu geblieben und die Mannschaft hat mit seinem sanften und doch gnadenlosen offensiven Fußball begeistert.
Die Frage ist nun, wie viele Spieler neben dem schon vom FC Barcelona verpflichteten de Jong verkauft werden. Wer die Zerstückelung der Mannschaft vorzeitig bedauert, vergisst die Mannschaft selbst. Was sie gezeigt hat, wird in Erinnerung bleiben.
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