Kommentar EU im Konflikt USA-Iran: Die Koalition der Unwilligen
Die Möglichkeiten der EU, auf Trump im Atomstreit einzuwirken, sind beklagenswert begrenzt. Doch in Teheran muss offensiv vermittelt werden.
U S-Flugzeugträger im Golf, aufgekündigte Abkommen, eine zusehends aggressive Rhetorik aus Washington – all das erinnert an den Überfall von Georg W. Bush auf den Irak 2003. Damals ebneten die USA mit Fake News über Saddam Husseins Biowaffen dem illegalen Angriffskrieg gegen den Irak den Weg. 2019 arbeitet Trump, unterstützt von Netanjahu, mit dem gleichen Mittel – der durch nichts belegten Unterstellung, dass Iran trotz Atomabkommen sich klandestin Atomwaffen beschafft.
Wie 2003 dienen die Fake News dem gleichen Ziel: Stimmung machen für einen Militärschlag, der irgendwann unausweichlich erscheinen soll. Bush gelang es 2003, so die EU zu spalten und Großbritannien, Polen und die Niederlande als Verbündete in der Koalition der Willigen zu rekrutieren.
Die Möglichkeiten der EU und die Chancen Deutschlands, auf Trump einzuwirken, sind beklagenswert begrenzt. Die EU wirkt wie ein Zuschauer in einem Spiel mit fataler Eigendynamik. Denn Trumps unverblümte Aggression stärkt in Teheran die Falken. Doch Europa hat ein vitales Eigeninteressen an einer Deeskalation. Ein Krieg würde Migrationsströme in Gang setzten, Chaos und failed states hinterlassen, wie 2003. Die EU darf sich keinesfalls spalten lassen oder ins scheinbar Unausweichliche fügen. Sie muss, wenn sie bei Trump auf taube Ohren stößt, dämpfend auf Saudi-Arabien und Israel einwirken, denen ein Krieg gegen Iran gelegen käme.
Berlin hat ein recht gutes Verhältnis zu Teheran. Diese Regierung sollte nun endlich ihre seltsam ambitionslose, diffuse Außenpolitik beenden. Das heißt: in Teheran offensiv, gemeinsam mit Paris und London, vermitteln, trotz der Erpressung der USA weiter versuchen, Handelsbeziehungen mit dem Iran zu halten (und damit Einfluss) – und in Washington die Kosten eines Krieges klar machen. Trump ist wohl noch irrer als Bush und desinteressiert an Multipolarem. Das Mindeste für die EU ist – sich nicht auseinander dividieren lassen. Die EU muss die Koalition der Unwilligen sein. Es wäre was Neues.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen