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Grünen-Europapolitiker über Lobbyismus„In Berlin hängt die Latte tief“

Die EU unternehme viel gegen den Einfluss von Lobbyisten, sagt der Grüne Sven Giegold. Davon müsse Deutschland lernen.

Hat eine große Lobby: Das Berlaymont in Brüssel, der Sitz der EU-Kommission Foto: ap
Eric Bonse
Interview von Eric Bonse

taz: Herr Giegold, Konzerne haben zu viel Macht in Europa: Das kritisiert Lobbycontrol. Die Lage in Brüssel sei aber besser als in Berlin. Teilen Sie das?

Sven Giegold: Ja, aber nur weil in Berlin die Latte maximal tief hängt und viel zu wenig gegen verdeckten Einfluss von Lobbys unternommen wird – dort gibt es nicht einmal ein Lobbyregister, geschweige denn Lobbytransparenz im Bundestag oder bei der Regierung. Das ist leider nicht ungewöhnlich, weil wir in fast allen EU-Ländern weit schwächere Regeln haben als in Brüssel.

Was läuft besser in Brüssel?

Die Liste ist lang. Das Wichtigste ist vielleicht, dass Lobbyisten weder bei den Kommissaren noch bei ihren engsten Mitarbeitern Termine bekommen, ohne dass das registriert wird. Alle Lobbytermine werden öffentlich gemacht. Man kann auch einsehen, wer die bezahlenden Auftraggeber hinter den Lobbyisten und wie hoch die Lobbybudgets sind.

Und obwohl die Christdemokraten und Liberalen die Transparenz scheuen wie der Teufel das Weihwasser und auch die Sozialdemokraten gezaudert haben, haben wir als Grüne im Europaparlament in einem dreijährigen Tauziehen viel durchgesetzt. In Zukunft werden auch im Parlament immerhin alle wichtigen Lobbytreffen offengelegt. Da sollte der Bundestag nachziehen.

Bei der Reform des EU-Urheberrechts bombardierten Lobbyisten das Parlament regelrecht.

Ja. Die Befürworter von Artikel 13 haben Google & Co. beschuldigt und die Gegner haben die Verlage attackiert. Letztlich haben beide Seiten nicht mit Marzipankartoffeln geschossen. Es war viel, aber es war auch verteilt. Es wäre ja schön, wenn es immer so wäre. Aber die Realität ist ja doch, dass die Lobbymacht nicht fair aufgeteilt ist. Die Konzerne haben mehr Ressourcen, da reicht der Blick auf die fossile Energielobby. Transparenz allein reicht nicht. Wir müssen auch die politische und wirtschaftliche Ungerechtigkeit dahinter begrenzen.

privat
Im Interview: Sven Giegold

Sven Giegold, 49, hat Attac-Deutschland mitgegründet. Er sitzt seit 2009 für die Grünen im EU-Parlament und ist deren Spitzenkandidat bei den Europawahlen.

Unternehmen und Politiker klagen, die NGOs bekämen immer mehr Macht, etwa durch Internet-Kampagnen.

Ich bitte Sie. Sicherlich gibt es NGOs, die clevere Kampagnen machen oder genügend Spender im Rücken haben. Und sicher gibt es auch Politikfelder, in denen das Ungleichheitgewicht nicht so groß ist wie in anderen. Aber ein Blick in das Lobbyregister der EU zeigt, dass die größten Geldgeber regelmäßig die Wirtschaftsverbände und Unternehmen sind. Dasselbe zeigt sich, wenn man sich die Liste derjenigen anschaut, die nach dem Ausscheiden aus öffentlichen Ämtern in Lobbyjobs gelandet sind. Die landen in aller Regel nicht bei den kritischen NGOs.

Die Seitenwechsel von Politikern sorgen in Brüssel immer wieder für Schlagzeilen. Der ehemalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat einen hoch dotierten Job bei Goldman Sachs gefunden, der frühere Generalsekretär der EU-Kommission, Alexander Italianer, berät nun eine Lobbyfirma. Was halten Sie davon?

Beides ist enormes Fehlverhalten und geeignet, den Ruf der europäischen Institutionen schwer zu beschädigen. Wobei der Fall Italianer vermutlich noch schlimmer ist als der Seitenwechsel von Barroso. Denn Italianer war der Chef der Wettbewerbsbehörde, die über milliardenschwere Fusionen entscheidet – man denke nur an Bayer und Monsanto.

Dann zu einer Beratungsfirma im gleichen Bereich zu wechseln, das beschädigt die Integrität der europäischen Institutionen. Das Problem ist, dass der Integritätsausschuss, der diese Fragen regeln soll, selbst intransparent ist. Wir brauchen einen starken, unabhängigen und transparenten Ethikausschuss, damit Fälle wie Barroso und Italianer sich nicht wiederholen können.

Was muss sich noch ändern, um für Transparenz zu sorgen?

Die größte Lücke sind die Mitgliedsländer. Es gibt keine wirksamere Lobby der Autoindustrie als die deutsche Große Koalition. Wenn man den Lobbyismus in der EU transparent machen will, dann müssen auch die Regierungen der Mitgliedsländer transparent werden. Dazu müssten auch die Ständigen Vertretungen der Mitgliedsländer in Brüssel ihre Treffen offenlegen. Die Finnen tun es bereits.

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6 Kommentare

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  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Habe gestern die Doku " Gekaufte Agrarpolitik? " auf ARD gesehen und muss sagen , dank CDU/ CSU ist die Korruption ,in Brüssel noch erschreckend stark vertreten.



    Ich bin jetzt noch ganz sprachlos , wie der eigene finanzielle Vorteil ,diesen ehrenwerten Damen und Herren wichtiger ist ,als das Wohl und die Gesundheit der Allgemeinheit.



    Wer es nicht gesehen hat sollte es sich in der ARD Mediathek anschauen.

  • Es ist ja nun nichts neues, dass es unsere Bundesregierung mit strengeren Gesetzen für mehr Transparenz und weniger Korruption nicht so eilig hat. Der Europarat mahnt Deutschland schon seit Jahrzehnten an, die EU-Antikorruptionsempfehlungen des Rates vollumfänglich umzusetzen, dabei bildet Deutschland weiterhin ein Schlusslicht, und schert sich nicht mal darum, dass selbst osteuropäische Staaten sich über das korrupte Deutschland mokieren können. Für die meisten Abgeordneten scheint Korruption eben noch immer ein "Schmierstoff" zu sein, der die Wirtschaft letztlich am Laufen hält. Und nur darauf kommt es ihnen doch an: laufende Geschäfte, Big Business. Was ist da gegen schon so ein bißchen Transparenz...wer hat denn da schon was von ?

  • "Die EU unternehme viel gegen den Einfluss von Lobbyisten"

    Und die Registrierungspflicht soll jetzt "viel" sein? Dass man die Treffen nicht geheim hält, bedeutet noch lange nicht, dass man sich nicht beeinflussen lässt...

    • @agerwiese:

      "Dass man die Treffen nicht geheim hält, bedeutet noch lange nicht, dass man sich nicht beeinflussen lässt..."

      Dann sind Sie entweder mit Herrn Giegold einverstanden, oder Sie haben das Interview nicht gelesen.

      • @tomás zerolo:

        Nichts von beidem. Herr Giegold auf die Frage "Was läuft besser in Brüssel?" antwortet: "Die Liste ist lang." und danach kommt nur die Offenlegungs-und Registrierungspflicht. Das ist a) nicht "viel" b)kaum "gegen".

        • @agerwiese:

          Naja -- er hat explizit ja nur ein Beispiel genannt. Das er mehr kennt, das nehme ich gerade ihn ohne weiteres ab.

          Und Transparenz bei Industrielobbyismus, ach, allein das wäre hierzulande traumhaft. Mehr wäre natürlich besser, keine Frage.