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Streit um Ethik in der ForschungStudieren ohne Tieropfer

Hamburgs SPD und Grüne wollen Tierversuche aus der Lehre verbannen, zugleich baut die Uniklinik ein teures neues Tierversuchshaus. Die Linke will das Geld sperren.

Was wäre wenn? Symbolischer Protest vor der Uni Hamburg Foto: dpa

Hamburg taz | SPD und Grüne in Hamburg wollen den Tierschutz ins Hochschulgesetz schreiben. Nach dem Vorbild Bremens soll ein Passus eingefügt werden, der mit Verweis auf das Grundgesetz fordert: Hochschulen müssen in Lehre und Forschung Methoden fördern, die die „Verwendung“ von Tieren verringern.

Als ersten Schritt, so der beschlossene Antrag, soll der Senat mit der Uniklinik Eppendorf (UKE) und anderen Instituten Tierversuche „problematisieren“ und klären, inwieweit tierversuchsfreie Forschung und Lehre in Gestalt innovativer Formate schon existieren und weiterentwickelt werden können.

Schon heute sei es in Hamburg möglich, Medizin ohne Tierversuche zu studieren, sagte die Grüne Christiane Blömeke: „Das ist gut so! Aber das gilt für das Biologiestudium beispielsweise noch nicht.“ Es gehe darum, dass jeder Tierversuch noch stärker als bisher hinterfragt wird. „Tierschutz fängt in den Köpfen an“, sagte der SPD-Politiker Gert Kekstadt. Tierversuchsvermeidung im Studium sei „ein richtiger Schritt“.

Die Linke kritisierte den Vorstoß als ungenügend und Zeichen „schlechten Gewissens“ von Rot-Grün. Wollten die Regierungsfraktionen wirklich gegen Tierversuche angehen, wären andere Schritte nötig. „Nach wie vor steht der Ausbau der Versuchstierhaltung am UKE mit 32 Millionen Euro im Haushalt“, sagte der Linke Stephan Jersch. „Wir fordern eine Sperre über diese Gelder, um nach einer Vereinbarung mit dem UKE kleiner und kostengünstiger zu bauen oder ganz darauf zu verzichten.“ Der Senat in Berlin mache es vor, indem er einen ähnlichen Betrag – 34 Millionen Euro – in ein Institut für tierversuchsfreie Forschung steckt.

Tiere in Lehre und Forschung

Das Humanmedizinstudium ist in Hamburg tierversuchsfrei. Im Wahlpflichtbereich können Studierende Forschung mit und ohne Tierversuche kennenlernen, machen aber keine Experimente. Laut

gibt es im Biologiestudium Tierversuche.

Das Tierhaus am UKE verfügt über Kapazitäten für 40.000 Mäuse und eine deutlich geringere Zahl an Ratten, Kaninchen, Frettchen und großen Tieren wie Schweinen und Schafen.

Jeden Versuch prüft eine Ethikkommission. 2017 meldete das UKE die „Verwendung“ von 67.293 Tieren, 2018 von 65.595.

Jerschs Antrag wurde abgelehnt. Von heute auf morgen könne man die Versuche nicht abschaffen. „Das geht nur langfristig“, sagte Blömeke. Deshalb habe Hamburg gerade einen Forschungspreis für Alternativen von 20.000 auf 50.000 Euro erhöht. Der Neubau des Tierhauses sei nötig, um die Standards im Tier- und Arbeitsschutz einzuhalten. Die Gebäude stammten zum Teil aus der Nachkriegszeit, heißt es in der dazu gehörigen Senatsdrucksache. Die Erdarbeiten haben schon begonnen.

„Die Kapazitäten werden dabei nicht erweitert“, sagte UKE-Sprecherin Anja Brandt. Bei den Versuchen würden die Tiere so schonend wie möglich behandelt, etwa durch Schmerzlinderung mittels Anästhesie. Am häufigsten würden Mäuse eingesetzt, aber auch Ratten, Frösche, Kaninchen, Meerschweinchen, Schweine und Schafe.

Soweit es den Wissenschaftlern möglich sei, nutzten sie Alternativen, etwa durch Zellenzüchtung in einer Laborkultur. In der Grundlagenforschung könne man Versuche nicht durch andere Methoden ersetzen, da nie derselbe Versuch zweimal gemacht werde. „Dies ist schon rechtlich gar nicht möglich“, sagte Brandt.

Ausweitung der Tierversuche ist möglich

Tierversuche könnten nur durchgeführt werden, wenn keine Alternativen verfügbar sind, sagte auch Julia Offen, die Sprecherin der Wissenschaftsbehörde. Die Bildung von Metastasen im Körper etwa könne „nur im Tiermodell untersucht werden“.

In der Drucksache zum Neubau heißt es, dieser sei auch nötig, um den Standort „konkurrenzfähiger zu machen“. Der Bau biete auch die Option einer Erweiterung, falls weiter erfolgreich Drittmittel eingeworben werden und „die Anzahl der Forschungsprojekte wächst“.

Einen „verschwindend geringen Anteil“ werde es „auch künftig geben müssen“, räumt Stephan Jersch ein. Doch er könne bei Rot-Grün „den Willen zum Abbau der Tierversuche zu wenig erkennen“.

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