piwik no script img

taz-Recherche zu Hannibal-Verein UniterVerfassungsschutz zieht Konsequenz

Reaktion auf taz-Recherchen: Der Gründungsvorsitzende des Vereins Uniter arbeitet künftig nicht mehr beim Verfassungsschutz.

Der baden-württembergische Verfassungsschutz versetzt Mitarbeiter und Uniter-Mitglied Foto: dpa

Berlin taz | Der Gründungsvorsitzende des umstrittenen Vereins Uniter wird künftig nicht weiter beim Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg tätig sein. Das teilte das Innenministerium unter CDU-Politiker Thomas Strobl am Montag in Stuttgart mit. Damit reagierte die baden-württembergische Landesregierung auf einen Bericht der taz.

Die taz hatte Anfang vergangener Woche darüber berichtet, dass ein Mitarbeiter des Landesverfassungsschutzes im Jahr 2016 als Gründungsvorsitzender den umstrittenen Verein Uniter in Stuttgart mitgegründet hatte. Wenige Monate später, im Januar 2017, hat er den Vorstandsvorsitz abgegeben.

Uniter war im Zusammenhang mit Recherchen der taz in die Schlagzeilen geraten, weil der Bundeswehrsoldat André S. alias „Hannibal“ als zentraler Hintermann des Vereins gilt. Derzeit führt die Bundeswehr ein Disziplinarverfahren gegen ihn. Unter anderem hatte Hannibal im Sommer 2018 ein militärtaktisches Training für Zivilisten in Baden-Württemberg angeleitet, für eine Einheit, die der Verein selbst „Defense Corps“ nennt.

Neben seiner Vereinstätigkeit hatte Hannibal unterschiedliche Chatgruppen in ganz Deutschland administriert, in denen sich unter anderem Soldaten, Polizisten und Behördenmitarbeiter auf einen möglichen „Tag X“ vorbereitet hatten. Die Mitglieder äußerten sich dort auch besorgt über Flüchtlingsströme. Gegen drei ehemalige Chatmitglieder ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen der Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten.

Sie wollten am „Tag X“ in Bundeswehrkaserne

An einem Treffen der süddeutschen Chat-Gruppe im baden-württembergischen Albstadt im Jahr 2016 hatte auch der rechtsextreme Bundeswehrsoldat Franco A. teilgenommen. Dort soll laut Zeugenaussagen auch darüber gesprochen worden sein, ob an einem möglichen „Tag X“ auch die Bundeswehrkaserne in Calw, wo das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr stationiert ist, genutzt werden könne. Dieses Treffen in Albstadt hatten mehrere Teilnehmer der taz als Uniter-Treffen geschildert.

Uniter selbst sagt von sich, dass der Verein gemeinnützig sei und als Netzwerk aktiver und ehemaliger Soldaten und Sicherheitsfachkräfte vor allem karitativen Zwecken nachgehe.

Das Landesinnenministerium wies darauf hin, dass Uniter selbst kein Beobachtungsgegenstand des Landesamts für Verfassungsschutz sei. An der Bewertung dieser Tatsache sei der entsprechende Mitarbeiter nicht beteiligt gewesen. Die Tätigkeit des Mitarbeiters bei Uniter sei „rein privater Natur“ gewesen.

Laut Innenminister Strobl habe man sich nun einvernehmlich darauf geeinigt, dass der Mitarbeiter künftig nicht mehr für den Verfassungsschutz arbeite. Da aus beamtenrechtlicher Sicht nichts gegen den Mann vorläge, werde er auch weiterhin als Beamter für das Land tätig sein. Zahlreiche Landes- und Bundespolitiker hatten zuvor Aufklärung in dem Fall gefordert.

Mann war Mitglied von Kiesewetters Einheit

Am Wochenende hatte die taz berichtet, dass der Mann auch Mitglied in der früheren Polizeieinheit der mutmaßlich vom NSU erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter war. Um Spekulationen vorzubeugen: Eine Verbindung des Uniter-Gründers ins Täterumfeld des NSU ist allerdings an keiner Stelle belegt. Der NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen hat den Mann inzwischen vorgeladen. Dort soll er Anfang April aussagen.

Auch Bundestagsgremien und andere Sicherheitsbehörden beschäftigen sich mit dem Verein Uniter. Am Samstag hatte die taz darüber berichtet, dass ein Vertreter des Vereins Uniter Mitte Februar 2019 südlich von Manila vor Angehörigen der philippinischen Nationalpolizei die militärtaktischen Ausbildungen des Vereins beworben hatte. Der dortige Präsident Rodrigo Duterte, der sich selbst als Diktator bezeichnet, hatte die philippinische Nationalpolizei in der Vergangenheit angewiesen, Drogenabhängige zu erschießen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Man könnte meinen, so manch ein Unions-Innenminister, dieser Bundesrepublik, hat zur Zeit seine “Läden“ (Sicherheitsbehörden) “nicht im Griff“. Die Personalien: Herbert Reul (NRW), Peter Beuth (Hessen), Thomas Strobl (Baden-Württemberg), Joachim Herrmann (Freistaat Bayern), Roland Wöller (Freistaat Sachsen) erwecken m. E. diesen Anschein.

    • @Thomas Brunst:

      Stimmt!. Doch auch schon vorher stimmten Anspruch und Wirklichkeit selten überein.

  • Noch einmal schönen Dank für eure Recherche. Ich dachte erst die Informationen könnten doch kaum alle wahr sein aber jetzt.....

    Dickes DANKE

    • @Heiner Petersen:

      Da bin ich dabei.

    • @Heiner Petersen:

      Schließe mich ebenfalls an. Und: Auch im Ausland (z.B. Der Standard, Wien/Österreich) wird die taz-Recherche zum Hannibal-Uniter-Komplex anerkennend zur Kenntnis genommen.

    • @Heiner Petersen:

      anschließe mich.

  • Wenn UNITER wirklich als gemeinnützig anerkannt ist, dann möge das doch bitte der Bundesfinanzhof auch mal genauer prüfen. Da bin ich gespannt zu welchen Ergebnis er da kommt.

    • @rolff:

      Nicht nur Uniter gilt derzeit als gemeinnützig, auch die Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) (mit dem irre gemeinnützigen Ziel Profit für die Waffen- und Rüstungslobby) und die "Stiftung Familienunternehmen“ hinter der sich finanzstarke "Famiien"unternehmen wie Merck, Henckel Kärcher verbergen und die eine finazielle Förderung nun wirklich nicht nötig haben.



      Nicht bei den aktuell gültigen Zwecken der Gemeinnützigkeit aufgeführt sind hingegen der Einsatz für Soziale Gerechtigkeit, Kinderrechte, Menschenrechte, Schwule/Lesben (von Trans*menschen ganz zu schweigen), Klimaschutz, Umweltschutz, Lobbykontrolle, Steuergerchtigkeit, weil das Regelwerk seit Jahrzehnten nicht überarbeitet wurde (damals gab es u.a. noch einen Sozialstaat).





       Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

      • 9G
        91655 (Profil gelöscht)
        @nelly_m:

        Sorry, wenn mensch an einer wichtigen Debatte teilnimmt, sollte er keinen Unsinn schreiben:

        Den § 52 AO kann ich wegen der Länge nicht ab"drucken".

        Aber es ist der Naturschutz, Soziales, Tierschutz etc. pp. "natürlich" enthalten und z. B. der LSVD ist gemeinnützig ...

        Ihre Behauptungen sind daher offensichtlich falsch. Schade!

  • Bitte weiter recherchieren!! Die verhaltenen Reaktionen aus der Politik bisher, vor allem der Grünen, sind unsäglich, trotz alledem: bitte nicht entmutigen lassen deswegen!!