piwik no script img

Kolumne Fremd und befremdlichKinder sind auch nur Menschen

In Hamburg hat ein Café, das kleinen Kindern den Zutritt verwehrt, viel Unmut auf sich gezogen. Ich finde es Okay, dass es solche Cafés gibt.

Finden nicht alle gut: Kinder und ihre Bedürfnisse im Café Foto: dpa

Ich liebe Kinder“, sagt jemand zu mir. „Wirklich, alle?“, frage ich zurück. Ich persönlich liebe Kinder so sehr oder gar nicht, wie ich Menschen liebe. Wenige liebe ich, einige mag ich, und der Rest ist mir egal oder ich lehne ihn sogar ab. Manche Menschen lösen Gefühle von Abscheu in mir aus. Kinder sind ja auch nur Menschen und ich sehe wirklich nicht, wie man sie alle lieben können soll. Manche Kinder können wirklich sehr unangenehm sein.

Ich sehe allerdings ein, dass man an Kinder nicht dieselben Ansprüche stellen kann, wie an Erwachsene. Kinder lernen ja noch das ganze Benehmen und Sich-in-die-Gesellschaft-einfügen. Man muss es ihnen nachsehen, dass sie zuweilen sehr laut herumschreien oder ihre körperlichen Bedürfnisse offen und ungehemmt ausleben möchten. Sie wissen oder sie können es noch nicht besser.

„Es sind ja Kinder“, sagen die Leute dann, und dieser Spruch ist gar nicht mal so selten von einem etwas verkniffenem Lächeln begleitet. Denn die Sache ist ja die, auch wenn wir wissen, dass Kinder nur Kinder sind, dass es also unsere Aufgabe ist, über das Geschrei oder das Gespucke, das Rumgerenne und Getobe hinwegzusehen, uns großzügig und verständnisvoll zu zeigen, auch dann stört uns diese Begleiterscheinung der Kinder zuweilen nicht wenig. Wir zeigen es nicht, aber es stört uns.

Ich möchte an dieser Stelle gerne erwähnen, dass auch Erwachsene sich auf diese Art benehmen, zum Beispiel nach dem Genuss von Alkohol, beim Karneval, Schlagermove oder Fußballspiel, und dann möchte ich des Weiteren erwähnen, dass es Kinder gibt, die durchaus eine Stunde still auf einem Stuhl sitzen können, während die Eltern einen Kaffee trinken, aber das ist ein anderes Thema.

Kinder sind ja auch nur Menschen und ich sehe wirklich nicht, wie man sie alle lieben können soll
Lou Probsthayn
Katrin Seddig

ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Als ich nach der schweren Geburt meines zweiten Kindes das erste Mal in einem guten Restaurant essen ging – endlich hatten wir einen Babysitter, endlich hatte ich wieder elegante Kleidung an, die nicht bespuckt war –, da saß uns gegenüber eine junge Familie mit Baby, und das Baby schrie. Sie versuchten, es zu beruhigen, aber es ließ sich nicht beruhigen. Da brach ich in Tränen aus.

Über dieses Thema habe ich viel diskutiert seither. Warum, dachte ich damals, müssen sie mit dem Baby in dieses gute Restaurant gehen? Warum, wenn es nun mal so ist, und das Baby schreit, können sie jetzt nicht gehen? Weil sie auch ein Recht auf ein gesellschaftliches Leben haben, sagen einige. Aber ich? Habe ich kein Recht auf ein ruhiges Essen? Das habe ich gesagt und da scheiden sich die Geister.

Es kam vor kurzem zu einem Farbanschlag auf ein Café in Hamburg, das Kindern unter sechs Jahren den Zutritt verwehrt. Kinderfeindlich finden die Menschen das. Ich finde es OK, dass es Cafés gibt, in denen keine kleinen Kinder rumtoben. Gerade weil ich selber Kinder habe. Ich liebe nicht alle Kinder, und selbst die, die ich liebe, stören mich mitunter. Wenn es sehr viele Cafés gibt, in denen kleine Kinder willkommen sind, warum soll es dann nicht auch einzelne Cafés geben, die den Bedürfnissen von Menschen wie mir entgegenkommen?

Kein Eintritt in Raucherkneipen, Bars, Clubs und Spielhallen

Handelt es sich um Diskriminierung? Die Kinder werden weder aufgrund ihrer religiösen Orientierung, noch aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe ausgeschlossen. In allen Raucherkneipen ist Kindern in Deutschland übrigens auch der Zutritt untersagt. Ebenso in Bars, Clubs und Spielhallen. Da ist es unbestritten, dass ein Kind in eine solche, für das Kind schädliche Atmosphäre, nicht mitgenommen werden darf. Aber ist denn ganz allein nur das Wohl des Kindes von Bedeutung?

Ich, als erwachsener Mensch, bin ich nicht ebenso wichtig und bedeutsam für die Gesellschaft wie jedes Kind? Ich bemühe mich um ein solidarisches und rücksichtsvolles Leben, ich leiste meinen Teil in dieser Gesellschaft, und kann ich nicht erwarten, dass auch meine Bedürfnisse respektiert werden? Und wenn es dazu auch ein paar Orte braucht, an denen keine kleinen Kinder rumschreien?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Das, werte Katrin Sedding, was Sie da ansprechen, scheint mir ein grundlegendes Problem zu sein. Eins, um das sich Generationen von Philosophen jahrhundertelang verdient gemacht haben, ohne einer eindeutigen Antwort auch nur im Ansatz näher zu kommen. Welche Rechte habe ich? Welche Rechte haben andere? Und was, wenn die (vermeintlichen oder tatsächlichen) Rechte miteinander kollidieren?

    Wir leben hier in einem Rechtsstaat, sagen wir stolz, und fühlen uns deswegen überlegen. Anderswo auf Erden nämlich gilt immer noch das Recht des Stärkeren. Hier, immerhin, gilt das Recht dessen, der den besseren Anwalt hat und/oder das aktuelle Recht auf seiner Seite. Als Anwalt aber darf man erst dann arbeiten, wenn man die entsprechende Zulassung erhalten hat. (Von wem und zu welchem Preis, ist eine andere Frage.) Und Gesetze werden immer noch mehrheitlich beschlossen.

    Nur: Löst das wirklich schon das Problem, das wir mit Kants Kategorischem Imperativ haben? Wer kann schon alle seine Handlungen jederzeit daraufhin „prüfen, ob sie einer für alle, jederzeit und ohne Ausnahme geltenden Maxime folgen und ob dabei das Recht aller betroffenen Menschen, [...] nicht als bloßes Mittel zu einem anderen Zweck behandelt zu werden, berücksichtigt wird“? Ich meine: Was, wenn wir – wie Sie – gerade einen unheimlich wichtigen Zweck verfolgen?

    Für die Gesellschaft, werte Katrin Sedding, sind Sie genau so bedeutsam wie jedes Kind. Für die meisten Eltern allerdings sind Sie weniger wichtig. Schließlich geht von Ihnen keine Gefahr aus. Vom eignen Kind schon. Das kann einem ganz schnell seine Liebe entziehen. Zumindest scheinen das manche Eltern ganz fest zu glauben.

    Ich bin ganz bei Ihnen, werte Katrin Seddig, es sollte auch Orte geben auf dieser Erde, an denen keine kleinen Kinder schreien. Jedenfalls so lange, wie noch nicht alle Eltern halbwegs gerecht abwägen - und es genügend andere Orte gibt. Eine Wahl muss man den Menschen einfach lassen, wenn man sie schon nicht gleichbehandeln will.

  • Sitze gerade in einer S-Bahn. Eben ist mindestens eine ganze Grundschulklasse eingestiegen. Der Geräuschpegel steigt. 1. Gedanke: ja, Zugabteile ohne Kinder, da wäre es ruhiger.



    2. Gedanke: eigentlich nervt mich die ältere Dame, die es nicht schafft den Ton ihres Smartphonespieles auszuschalten viel mehr. Und erst der Mann in meinem Alter, der uns alle daran teilhaben lässt, was er von der Mitarbeiterin des Autohauses hält, die keinen Termin für einen Reifenwechsel am heutigen Tage findet.



    3. Gedanke: wie cool die Kinder miteinander reden. Spielen auf Gleisen ist gefährlich sagt der eine. Andere unterhalten sich über Elektroautos, wieder andere über Fußball... Warum gelingt es mir nicht, die Dame zu bitten den Ton auszustellen?



    MEIN Fazit: Hoffentlich reden die Kinder weiter miteinander und werden nicht wegen ihres Alters ausgeschlossen.

    • @hg1912:

      Sie kennen aber schon den Unterschied zwischen einem öffentlichen Transportmittel und einem guten Restaurant?

      • @Mainzerin:

        Ich dachte es geht in dem Artikel um ein Cafe. Ist das ein Synonym für "gutes Restaurant"?



        Und ja ich kenne Unterschiede zwischen Transportmitteln und gastronomischen Betrieben. Das von mir beschriebene Verhalten, dass ich Telefonate anderer Gäste mitverfolgen muss und von Handygeräuschen (Spiel, Video, Sprachnachricht) mehr mitbekomme als mir lieb ist, habe ich auch schon in Cafés erlebt.

  • Es geht hier überhaupt nicht um Bedürfnisse von Kindern, denn die finden Cafés langweilig. Die Kuchen vielleicht nicht, aber das Sitzen am Tisch für die Zeit, in der sich die erwachsene Begleitung dort auzuhalten wünscht, schon. Kinder wären sicherlich glücklicher, wenn man den Kuchen kauft und sie ihn in einer für sie angenehmeren Umgebung essen dürfen.



    Es geht hier allein um die Bedürfnisse von Erwachsenen, das sollte man bei der Diskussion nicht aus dem Auge verlieren.



    Ich frage mich, warum es in Deutschland so unentspannt sein muss, und es IST oft unentspannt mit Kindern in einem gastronomischen Betrieb. Mein Vergleich ist Italien und auch Israel, wo jeder seine Brut mitschleppt und die Kinder ganz selbstverständlich Teil des täglichen Lebens sind. Ich denke, der Punkt ist, dass es hier nicht selbstverständlich ist. Es ist eben nicht ein Elternteil, das mit seinem Kind mal irgendwo sitzt, es sind immer öfter Gruppen, gerade im hoch verdichteten Hamburg. Da hat man gern mal vier bis sechs Mütter (meistens, seltener Väter), mit mindestens sechs Kleinkindern. Das nervt. Oder die Erwachsenen, sind so unentspannt, dass sich das auf ihre Kinder überträgt und die ihrer Anspannung auf die einzige Art Luft machen, die sie kennen: Sie werden laut. Da Deutsche nun mal Deutsche sind und keine Italiener, sehe ich nicht, wie sich das Problem lösen ließe.



    Mir ist die Aufregung um das Café auch unverständlich, weil es eben nicht darum geht, Kinder von der Befriedigung ihrer Bedürfnisse fernzuhalten. Es sind die Erwachsenen mit Kindern, die einen Anspruch auf jedes einzelne Lokal erheben. Der Aufriss ist mir umso unverständlicher, als es ja nicht um Kinder pauschal geht, sondern nur die, die jünger als sieben sind. Und es ist auch nicht das einzige Café auf weiter Flur, sondern eines in einem Stadtteil, wo sich Gastrobetriebe jeder Art in großer Häufung finden.

  • Zwei Punkte: Für mich persönlich: Nichts ist entspannender als das Geschrei fremder Kinder. Ich muss mich nicht kümmern.

    Punkt 2. Das AGG verbietet die Diskriminierung wegen des Alters.

    Daher ist der Satz:Handelt es sich um Diskriminierung? Die Kinder werden weder aufgrund ihrer religiösen Orientierung, noch aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe ausgeschlossen.

    Wo ist der Unterschied? Es gibt Kulturkreise, die anders (lauter, vielleicht auch fröhlicher) feiern. Wenn einen das stört und man diese Personen ausschließen würde, wäre das rassistisch. Aber evtl stört es nun einmal trotzdem den einen oder den anderen, oder nicht?

    Einem Teil der Menschen wird durch ein pauschales Verbot die Teilhabe verboten. Wo ist der Unterschied, ob das pauschale Anknüpfungskriterium die Herkunft oder das Alter ist? Wie die Autorin sagt, nicht alle Kinder sind laut.

    Der Unterschied ist nur, dass Rassismus per se böse ist (was ich so auch unterschreibe). Kinderfeindlichkeit hingegen nicht. Ich sehe keinen Unterschied.

    Entweder kündigt man im privaten Bereich die Antidiskriminierung auf mit der Konsequenz, dass man Menschen wegen ihres Geschlechts, der Religion und des Alters (letzters ist die Forderung der Autorin) ausschließen darf und beschränkt das Gesetz auf den Staat. Oder man lässt es wie es ist und akzeptiert auch mal Gebrüll.

    Um ein anderes Beispiel zu nehmen: Ich kann nicht einen älteren Arbeitnehmer kündigen, weil er nicht so leistungsfähig wie ein junger. Das wäre aber wirtschaftlich und daher "logisch". Die Besitzerin des Caféa sagte, sie ist kein Wohlfahrtssunternehmen und muss wirtschaften, daher der Ausschluss von jungen Menschen. Dies dient daher auch nur ihrem Profit.

    Wenn dies die Autorin gut findet: Wieso dann nicht auch ein Café, in dem keine dunkelhäutigen sitzen dürfen? Das stört auch den ein oder anderen. Die Antwort liegt auf der Hand? Dann sind wir uns ja einig.

  • Die Kolumne hat mich recht nachdenklich gemacht. Denn ich stelle mir natürlich gleich die Frage, ob der Ausschluss von Kindern unter sechs Jahren nicht ein ebensolcher Ausschluss ist wie es der von z.B. Rentnern und deshalb gerne als diskriminierend bezeichnet wird. Andererseits finde ich, dass unsere ach so kinderliebe Gesellschaft unglaublich heuchelt. Denn im Allgemeinen sind wir Meister im Aussortieren und Ausschließen anderer und treten bedenkenlos auf die Füße anderer, die unser Kind zurechtzuweisen wagen, wenn es seinen Abfall neben dem Papierkorb achtlos auf den Boden wirft.

    Ich habe eine überaus rücksichts- und respektvolle Gesellschaft in Japan kennengelernt, in der es selbstverständlich ist, dass Familien mit Kinderwagen und Baby in manchen Lokalen nicht erwünscht sind. Es gibt für sie ja genügend Ausweichmöglichkeiten. Da regt sich niemand auf. Es ist selbstverständlich und da jeder Jeden respektiert gibt es auch keine Rüpel, die unter dem Deckmantel der Diskriminierung auf diejenigen losgehen, die ihr Recht als Gastgeber wahrnehmen. Man kann es ja auch freundlich formulieren und um Verständnis bitten!

  • Kinder fühlen, sie haben ein gutes Gespür für das was gut für sie ist. Ein Lokal mit vielen Menschen und diesem unterdrückten Gesprächspegel ist sicher kein Ort für ein Baby oder Kleinkind. Ein Baby braucht Ruhe und Geborgenheit, ein Kleinkind hat noch einen ungehemmten Bewegungs- und Mitteilungsdrang.



    Leider ist den meisten Eltern heutzutage abhanden gekommen sich auf Kinder und ihre Bedürfnisse einzustellen. Kinder sind kein Spielzeug sie brauchen Eltern mit Verantwortungsbewusstsein und Einfühlungsvermögen. Kinder stören nicht, man kann Lokale aussuchen die Kindgerecht sind oder separate Räume haben. Es sind die Erwachsenen die glauben Kinder müssen so funktionieren wie der Erwachsene es erwartet.