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Kommentar Brexit-Spiele im UnterhausBrexit-Soap, neue Staffel

Das britische Unterhaus reißt die Initiative an sich, um Alternativen zu Mays Brexit-Deal zu beraten. Aber was nützt das?

Es mangelt nicht an Ideengebern im britischen Unterhaus Foto: ap

Die Endlos-Soap namens Brexit, die seit Wochen und Monaten allabendlich im britischen Parlament läuft, geht an diesem Mittwoch in eine neue Staffel. Zum ersten Mal dürfen ab jetzt die Abgeordneten parteiübergreifend tun, worauf Gegner von Mays Brexit-Kurs seit Monaten vergeblich drängen: ihre eigenen Vorstellungen vom Brexit zur Abstimmung zu stellen, statt immer nur auf die Einlassungen und Vorlagen der Regierung reagieren zu müssen.

Was auf den ersten Blick aussieht wie eine formalistische Selbtverständlichkeit, ist von erheblicher Tragweite. Denn in der Geschäftsordnung des britischen Parlaments ist die Bestimmung der Tagesordnung des Unterhauses ausschließlich Sache der Regierung. Dem Initiativrecht der Volksvertreter sind enge Grenzen gesetzt. Am Montagabend aber erhielt ein Antrag von Hinterbänklern, diese Geschäftsordnung für einen Tag zu suspendieren, eine Mehrheit.

Die Regierung von Theresa May warnt nun zu Recht, wenn auch etwas übertrieben, vor Verfassungschaos – und hat zugleich Unrecht. Denn Abstimmungen über verschiedene Brexit-­Modelle und Alternativen zu ihrem eigenen Brexit-Deal hätte sie schon längst selber ansetzen können. Sie hat es zuletzt sogar zugesagt; es ging am Ende nur darum, wer dabei federführend ist.

Die Befürworter eines weichen Brexits, eines zweiten Referendums oder gar einer Brexit-Absage wiederum jubeln. Sie können nun für ihre Konzepte eine Mehrheit suchen, ohne darauf zu warten, dass die Regierung ihnen das erlaubt.

Aber jenseits der Aufregung bringt das die Lösung der Brexit-Krise keinen Schritt weiter. Es ist nämlich durchaus möglich, dass kein einziges der zur Abstimmung gestellten Konzepte eine Mehrheit findet; die meisten der derzeit zur Debatte stehenden Vorschläge sind schon einmal durchgefallen.

Und wenn einer doch nicht durchfällt, ist das nur dann relevant, wenn sich die EU dafür auch interessiert und sich bereit erklärt, bei den Brexit-Verhandlungen wieder ganz von vorne anzufangen.

Das aber ist eine völlig unrealistische Vorstellung. Die Vereinbarung zwischen Großbritannien und der EU über die Verlängerung der Austrittsfrist schließt es sogar ausdrücklich aus. Denn darin steht, dass die vereinbarte Brexit-Verlängerung „jedes neue Aufschnüren des Austrittsvertrages ausschließt“. Etwaige neue britische Pläne müssten sich innerhalb des vorliegenden Deals bewegen.

Die ganze Sache ist also letztendlich ziemlich überflüssig. Außer für das Ego der beteiligten Abgeordneten.

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3 Kommentare

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  • Bei Monthy Python würden jetzt schon vorab die Sektkorken knallen.

    Was für eine grandiose Vorlage!

  • Was jetzt im UK House of Common abgeht, kommt mir wie schlechter Remake Dreh "Untergang der Titanic" 1912 vor, als zuletzt mit Freibier, Frei Champagner zum Untergang Tanz geblasen wurde, feiert den Untergang, das Überleben mit erfrorenem Gebein wird entsetzlich sein, wobei im Unterhaus Freibier, parteiübergeordnetes Initiativrecht Abgeordneter für einen Tag ist, deren Umsetzung bei Mehrheiten Ja oder Nein weiter in Premier Theresa Mays zitternden Händen, verbleibt.

    Ist da jetzt, mit Martin Walser gesprochen, vor Kühnheit zitternd, auch ungeordnetes Kommentieren Freibier bei der taz angesagt?, wenn ja, Marke heller Wahn im No Deal Brexit Nadelstreif Anzug, Chance in Stilblüte geschlagene Kommentare.

    Z. B.:

    Theresa May Parforce Ritt über radioaktiv kontaminiert Irische See durch schottische Wiederaufbereitungsanlage, UK von Ewigkeitslasten mit einem Schlag. Hieb- und Stichtag genau zu befreien?



    Macht Theresa May Winston Churchill, Maggie Thatcher, Michail Gorbatschow, Boris Jelzin in historischer Personalunion, kühnen Parforce Ritt über atomar kontaminiert Irische Backstopp See, Starke bändigen, Schwache heben, oder umgekehrt, Schockstrategie schwere Not, Milton Friedman Wirtschaftstheorie in Chile, Polen gescheitert, Morgen in Venezuela, nach Brexit in UK gescheitert erprobt, Chicago Boys lassen grüßem, No Glasnost, No Perestroika Geniestreich, Last Order No Deal Brexit hin, Brexit Deal her, United Kingdom mit Perspektive europäischem Singapur Weltfinanzplatz London City, mit entindustrialisiert, digitalisiert angeschlossenem Dienstleistung Working Poor Homeland, von Kostgängern britischer Krone Peripherie, Nordirland, Gibraltar, Schottland, Wales zu befreien, sich Verantwortung für Ewigkeitslasten u. a. atomare Wiederaufbereitungsanlage Sialley Field/Schottland, wie Russland im Fall Ukraine dem dortig am 26. April 1986 havarierten AKW Komplex Tschernobyl GAU Block 4 durch UdSSR Auflösung 1991 zu entziehen, internationalisiert, ganz der Rest Welt aufzuhalsen?

  • Was für ein Blödsinn! Tusk hat sich noch heute dafür ausgesprochen, den Briten eine längere Frist zu gewähren. Sicher ist eine Neuverhandlung von Mays Deal ausgeschlossen. Nicht aber ausgeschlossen sind völlig neue Verhandlungen über eine Zollunion oder eine Teilnahme am Binnenmarkt oder ein Referendum über den ausgehandelten Deal.