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Infrastruktur für FlüssiggasRegierung gibt Gas

Die Regierung beschließt neue Regeln für LNG-Gas-Terminals. Die Kosten tragen die Kunden. Kritiker sehen darin ein Geschenk an die US-Regierung.

Das Forschungsschiff „Atar“ fährt mit emissionsarmem Flüssiggas Foto: dpa

Berlin taz | Wenn die Bundesregierung Pläne zum Klimaschutz macht oder erneuerbare Energien fördern will, zieht sich das oft über Monate und Jahre hin. Aber wenn es sich um die Förderung von fossilen Brennstoffen dreht, geht es manchmal ganz schnell: Derzeit drückt die Große Koalition im Rekordtempo eine Regelung für den Bau neuer Gas-Terminals durch. Und während sie bei Strom- oder Benzinpreisen immer warnt, man dürfe die Menschen finanziell nicht überlasten, verschiebt sie mit diesem Vorschlag die Finanzierung von den Unternehmen auf die Kunden.

Es geht um die Bedingungen für den Bau von Hafen-Terminals für LNG-Gas an der Nordseeküste bei Brunsbüttel, Stade oder Wilhelmshaven. Anders als Erdgas aus der Pipeline wird dieser Brennstoff verflüssigt und per Schiff transportiert.

Schon im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, den Aufbau dieser Infrastruktur zu unterstützen. Denn Gas soll laut Bundesregierung nach dem Ende der Kohle und des Atoms den Übergang zu einem Energiesystem aus Erneuerbaren garantieren. Und neben der stark kritisierten „Nordstream 2“-Pipeline aus Russland eröffnen LNG-Terminals die Chance, Gas aus den USA oder aus Katar auf den deutschen Markt zu bringen.

Wie das geschehen soll, regelt nun eine „Verordnung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Aufbau der LNG-Infrastruktur in Deutschland“ aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Darin wird festgelegt, dass der Anschluss der geplanten Terminals an das deutsche Gasnetz nicht von den Investoren zu tragen ist, sondern auf die Netzentgelte und damit auf alle Kunden umgelegt wird. Die zuständige Bundesnetzagentur hatte dieses Ansinnen abgelehnt, weil es rechtlich nicht zulässig war.

„Nicht strittig“ findet nur die eine Seite

Das Wirtschaftsministerium aber will das nun ändern, denn es befürchtet laut Verordnung, dass „zum Teil sehr lange Leitungen erforderlich werden und die damit verbundenen hohen Kosten einzelne LNG-Projekte unwirtschaftlich machen können“. In den Unterlagen ist von 134 Millionen Euro Investitionen und 2,1 Millionen Euro jährlicher Betriebskosten die Rede.

Auch Energieexpertin Claudia Kemfert vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ (DIW) sieht das LNG-Terminal positiv: Anders als Nordstream-2 könne ein solches Projekt dazu dienen, Schiffe mit Gas zu betanken und erneuerbares Gas aus Windstrom ins Netz einzuspeisen.

Die Regierung jagt nun ihre Verordnung mit Hochdruck durch den Regierungsapparat. Die Anhörung der Verbände lief vom 14. bis 19. März, die Abstimmung zwischen den Ressorts, die sonst oft Wochen dauert, gelang an wenigen Tagen und bereits am Mittwoch soll die Vorlage vom Kabinett entschieden werden. Das Vorhaben sei eben „nicht strittig“, erklärte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage.

Das aber gilt höchstens für die Regierung. Umwelt- und Verbraucherschützer dagegen laufen Sturm: „Es ist nicht richtig, dass zum Schluss wieder die Privatkunden zahlen sollen“, sagt Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Das sollte der Investor tragen. Und wenn die Regierung es fördern will, sollte sie das aus Steuermittel machen.“ Auch die Deutsche Umwelthilfe kritisiert den Schnellschuss: Bis 2050 müsse nach dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz auch fossil erzeugtes Gas aus dem Energiemix verschwinden, dafür gebe es keinen Plan der Bundesregierung. Eine „künstlich verbesserte Wirtschaftlichkeit“ des Terminals könne dazu führen, dass die Anlagen unrentabel würden. Und schließlich wehren sich die Umweltschützer dagegen, dass über diese Terminals Gas aus den USA importiert wird, das dort mit der umweltschädlichen Fracking-Methode gewonnen wird.

Für Constantin Zerger, Klimaexperte der DUH, hat die Eile noch eine andere Bedeutung: „Die Regierung macht so großen Druck, weil sie offenbar US-Präsident Trump damit nach dem Streit um Nordstream 2 ein Geschenk machen will, weil Trump auf den Export von LNG-Gas setzt. Aber es kann nicht sein, dass dafür unsere Klimaziele über Bord gehen.“ Zufall oder nicht: Just in der Woche der Entscheidung war ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums in Berlin, um „deutsch-amerikanische Kooperation in Energiefragen“ zu diskutieren, wie die US-Botschaft ankündigte.

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15 Kommentare

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  • Sehen sie sich doch die furchtbaren Visagen der heutigen Politiker. Da ist



    der alte Bayer der es nie zum Kanzler geschafft hat noch hip.



    Ich bin Gläubig, aber nicht Kirchen gläugbig Ich bin ja nicht blöd!.

  • 10-25% schlechterer Wirkungsgrad, d.h. man setzt 10 bis 25% mehr CO2 als mit russischem Gas frei. Da wir unsere Klimaziele mit gesundem Menschenverstand zweifellos erreichen, kommt es darauf wohl nicht mehr an.

  • In Wilhelmshaven sind ja schon die ganzen Pipelines.

  • Wieder ein Nachweis dafür, dass die derzeitge Regierung (CDU/CSU/SPD) keinerlei Ernsthaftigkeit zur Beendigung der Klimakatastrophe an den Tag legt.



    Letztlich bleibt das so auch für zukünftige Regierungen (Grüne, oder andere) solange unser Land von fossilen Brennstoffen abhängig sind und der komplette Umstieg auf regenerative Energien nicht vollzogen ist. Die letzten Meter werden noch umkämpfter sein als bisher, da die Politik keinerlei "Rückrat" zeigt und nicht für den Bürger, sondern für den Weg des geringsten Widerstandes arbeitet.



    Daher führt nur ein Weg zu einer zukunftsfähigen, enkelfreundlichen Energieversorgung - wir Bürger müssen es selbst in die Hand nehmen, denn die Politik ist korrupt (von Angst getrieben, von Abhängigen beraten, und von der Finanzwirtschaft abhängig).



    Das Terminal ist jetzt schon ein finanzielles Grab, das wir über unsere Steuergelder finanzieren werden - als Geschenk an die USA, damit unsere Autokonzerne keine Zollauflagen erleiden müssen.



    Letztlich wird damit auch der Populismus von Trump gestärkt, weil er bestätgt wird in seinen Handlungen.

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Volle Zustimmung! Diese politische Bande gehört samt ihren industriellen Einflüsteren vors Gericht gestellt. Da das wohl leider nicht passieren wird, werden die Geschichtsbücher von 2100 das vernichtende Urteil über unsere Generation sprechen.

  • Wie irre muß man denn sein Flüssiggas durch Fracking (massive Umwelt -schäden erzeugen die 30 70 Jahre zum Abbau der Giftstoffe brauchen) dieses Flüssiggas 1000 de km über die Ozeane zu schippern oder vielleicht auch noch mit Tankflugzeugen (vielleicht von Boinf, beim Absturz zahlt dann die Versicherung) und das dann Kundfreundlich zu verkaufen?



    Welchen materiellen und ideellen Sinn hat das ganze? Was berechtigt dazu die Drahtzieher dieser schaurigen Dramödie noch für zurechnungsfähig zu halten?



    gar Allen Poe würde Szenerie sicher einen guten Horrorroman machen. aus dieser

  • Auch die Linkspartei und die Grünen machen mit beim Russland-Bashing, man will schließlich regierungsfähig/ernstgenommen werden. Die LNG-Subventionierung folgt also dem Trend der kollektiven Hirnabsaugung.

    • @geo-gop:

      Die Grünen sind schon lange nicht mehr Grün schon eher schwarzgrün, die wollen einfach dabeisein, die Linke will auch nur dabeisein. Die musste sich garnicht mehr verkaufen.

  • Wie wird das Gas in den USA gewonnen?



    Fracking ist ziemlich umstritten - vorsichtig ausgedrückt. Aber Umwelt hat auch nichts mit Klimawandel oder Nachhaltigkeit zu tun. Irgendwie bescheuerte Geschenke...

  • Erneuerbares Gas in’s Netz einspeisen, und es vorher verflüssigen? Wissen die Leute überhaupt, wovon sie reden?

    • @Gregor Tobias:

      Dieses Gas mit Hilfe eines enorm giftigen Gemischs aus Gestein gepresst. In Deutschland Nähe Rotenburg a.d. Wümme. Das vergiftet Grundwasser und Boden auf Jahrzehnte oder Jahrhundert.



      Fördert verschiedene Krebsarten, siehe Statistik des Anstiegs in dieser Gegend, besonders bei Männern.



      Was sagt das über unsere Regierung?

  • "verschiebt sie mit diesem Vorschlag die Finanzierung von den Unternehmen auf die Kunden"

    Das ist mißverständlich. Mit "Kunden" sind wohl auch solche Kunden gemeint, die gar kein LNG-Gas beziehen.

    Spannend wäre die Frage nach dem Wirkungsgrad. Wieviel Energie ist nötig für Aufbereitung und Transport im Vergleich zum russischen Pipeline-Gas?

    • @A. Müllermilch:

      aus der Wikipedia:



      Bislang spielte diese Art der Beförderung nur eine untergeordnete Rolle, da insbesondere der Energiebedarf für die aufwändige Verflüssigung bei etwa 10 bis 25 Prozent des Energieinhaltes des Gases liegt. Die Transportwirtschaftlichkeitsgrenze von verflüssigtem Erdgas liegt bei etwa 2500 Kilometern, darunter ist der Transport per Erdgas-Pipeline als verdichtetes Erdgas (CNG, Compressed Natural Gas) energetisch wirtschaftlicher.

    • @A. Müllermilch:

      Flüssiggas ist ca. 30% teurer als russisches Gas, das wird also niemand kaufen, wenn man es nicht steuerlich begünstigt. Die Terminals werden also entweder eine Investitionsruine (bzw. politische "Sicherheitsreserve") oder klimatechnischer Wahnsinn (steuerlich hochsubventioniertes Frackinggas, das die USA verseucht und quer über das Meer verschifft wird). Warum die Koalition hier einen Braunheitswettbewerb im Durchkriechen von Trumps Allerwertesten veranstaltet, bleibt mir ein Rätsel. Dass sich die Terminals wirtschaftlich nicht lohnen, sieht man schon an denen in Polen und im Baltikum, schon die sind nicht ausgelastet und dienen auch Deutschland als Sicherheitsreserve.

      • @Dorian Müller:

        Was man halt alles tut, um die Autoindustrie vor Sanktionen zu schützen... Eigentlich ist das Betrug und eine 8illegale Quersubventionierung.