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Kommentar zur EnteignungsdebatteAuch Politiker dürfen Fakten checken

Kommentar von Stefan Alberti

Linksparteipolitiker sprechen von Black Rock als Eigentümer der Deutsche Wohnen – dabei gehören der Fondsgesellschaft nur rund 10 Prozent.

Das Thema Enteignung stand im Mittelpunkt der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag Foto: dpa

E r also auch. Blackrock, oft kritisierte Fondsgesellschaft, sei Eigentümer der Deutschen Wohnen, war von Harald Wolf am Donnerstag im Abgeordnetenhaus zu hören, dem Linkspartei-Abgeordneten und früheren langjährigen Wirtschaftssenator. Das ist allerdings schlicht irreführend bis falsch: „Eigentümer“ legt Alleinbesitz nahe – tatsächlich gehören Blackrock nur rund 10 Prozent der Anteile an der Aktiengesellschaft, die mit rund 115.000 Wohnungen in Berlin größter Vermieter der Hauptstadt ist.

Schon am Wochenende bei der Klausurtagung der Linksfraktion in Rheinsberg war eine ähnliche Aussage zu hören. Die Deutsche Wohnen gehöre Blackrock, war da die Wortwahl. Damals kam sie aber nicht von dem auch bei anderen Parteien respektierten 62-jährigen Ex-Senator, sondern von der 35-jährigen, gern mal provokanten wohnungspolitischen Sprecherin der Fraktion, Catalin Gennburg. Das macht die Aussage zwar nicht weniger falsch, aber weniger überraschend.

Gleiches nun aber von Wolf zu hören, inzwischen verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion, macht traurig. Denn der hat es bislang nicht nötig gehabt, auf diese Art und Weise zumindest zu irritieren, wenn nicht zu desinformieren. Wolf argumentiert sonst ruhig und faktenreich – wenn er ans Mikro kommt, wird es meist ein kleines bisschen ruhiger als bei anderen Rednern im Abgeordnetenhaus.

Wem soll solche Desinformation nutzen, außer dass sie der Gegenseite Futter für „Fake News“-Vorwürfe gibt? Reichen Fakten nicht aus? Ist die Deutsche Wohnen an sich doch nicht so böse und abgrundtief schlecht, wie vor allem die Linkspartei nahelegt? Oder fehlen zusätzliche Argumente? Muss eine größer imaginierte Verbindung zu Blackrock – Schubladenetikett: „böse“ – zum Diskreditieren herhalten? Und weil 10 Prozent offenbar nicht genug sind, muss mit der Falsch-Info vom „Eigentümer“ argumentiert werden?

Teilhaber, Mit-Eigentümer, größter Einzelaktionär, all das hätte Wolf sagen können. Hat er aber nicht – anders als die Grüne Katrin Schmidberger. Die ist nicht minder Deutsche-Wohnen-kritisch, bringt zum taz-Interview auch schon mal einen ganzen Ordner Mieterbeschwerden mit, hatte aber in der Parlamentsdebatte eine Fehlinfo nicht nötig und sprach richtigerweise von einem 10-Prozent-Anteil.

Traurig wäre es, wenn das nun ein Vorspiel auf die noch breitere Debatte sein sollte, wenn die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ am 6. April erstmals und in der zweiten Stufe des Volksbegehrens voraussichtlich nächstes Jahr Unterschriften sammeln wird. Wenn schon ansonsten seriöse Politiker mit Vorbildfunktion wie Wolf so auftreten, ist leider zu vermuten, dass alles Weitere kein Glanzstück demokratischer Diskussionskultur wird.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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4 Kommentare

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  • Es ist nicht schwer zu erkennen, dass Herr Alberti der Enteignung/ Vergesellschaftung negativ gegenüber steht.

    Seine Argumente kann ich aber nicht ganz nachvollziehen:



    Wäre es in Ordnung gewesen, wenn man BlackRock als Miteigentümer bezeichnet hätte? Oder sollte man BlackRock lieber überhaupt nicht erwähnen, da das der Deutschen Wohnen gegenüber unfair ist?



    Und wie kann es bloß gegen demokratische Diskussionskultur sein, wenn man den Menschen die Fakten mitteilt?

  • Immer noch nicht ganz richtig. Die 10% gehören ja nicht Blackrock, sondern sind Teil von Blackrock Fonds und ETFs. Damit gehören 10 % der Deutschen Wohnen Lischen Müller, der Rücklage meiner Krankenversicherung und vermutlich auch der Altersvorsorge im Rahmen des Versorgungswerkes der Presse.

  • Jetzt würde mich mal interessieren, welcher Anteil des Unternehmens im Streubesitz ist.



    Es soll ja auch Normalverdiener geben, die in Aktien sparen, weil es auf dem Sparbuch nichts mehr gibt.

  • Sehr guter Kommentar.