piwik no script img

May beantragt Brexit-VerschiebungGroßbritannien will bis Juni bleiben

Die britische Premierministerin fordert mehr Zeit, um ihren Deal doch noch durch das Parlament zu bekommen. Die EU reagiert verhalten.

Theresa May hofft immer noch auf eine Zustimmung zum Brexit-Deal im britischen Unterhaus Foto: ap

Berlin taz | Die britische Premierministerin Theresa May hat in einem Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk die Verschiebung des britischen EU-Austrittstermins vom 29. März auf den 30. Juni beantragt. Als Grund nannte sie den Wunsch, „so bald wie möglich“ das bereits zweimal vom britischen Parlament abgelehnte Brexit-Abkommen doch noch durch das Parlament zu bringen. Die bei einer Zustimmung fällige Ratifizierung samt den nötigen Gesetzgebungsverfahren „werden offensichtlich nicht vor dem 29. März abgeschlossen sein“, so May am Mittwoch.

Sie bat auch darum, dass der EU-Ministerrat die mit der EU-Kommission vereinbarten Zusatzprotokolle zum vorliegenden Brexit-Deal förmlich beschließen möge, damit sie diese Protokolle sowie „weitere innenpolitische Vorschläge“ in das Parlament einbringen kann – als Grundlage für eine neue Abstimmung über den Brexit-Deal.

Nach geltender Gesetzeslage erlischt Großbritanniens EU-Mitgliedschaft am 29. März um Mitternacht, egal, ob es ein Brexit-Abkommen gibt oder nicht. Das britische Parlament hatte am 12. März den vorliegenden Brexit-Deal abgelehnt, dann ebenfalls gegen einen No-Deal-Brexit gestimmt und schließlich einen Antrag, der eine Brexit-Verschiebung um drei Monate im Falle einer Annahme des Deals befürwortet, angenommen.

Am Montag hatte Parlamentspräsident John Bercow eine neue Abstimmung über den Deal für unzulässig erklärt, solange dieser gegenüber der letzten Abstimmung „substanziell identisch“ sei.

Im britischen Parlament stieß Mays Antrag überwiegend auf Ablehnung. Zahlreiche Abgeordnete befürworteten eine längere Verlängerung; Theresa May sagte, sie sei dazu „nicht bereit“, da Großbritannien dann an der Europawahl teilnehmen müsse. Parlamentspräsident John Bercow setzte eine Dringlichkeitsdebatte darüber noch für den Mittwochabend an.

Der EU-Gipfel wird am Donnerstag über den Brexit beraten – eine Entscheidung wird da noch nicht erwartet

Alle EU-Mitglieder müssen einer Verschiebung zustimmen. Frankreich signalisierte Ablehnung. Die EU-Kommission argumentierte in einer Vorlage für den kommenden EU-Gipfel, es müsse zwischen einer Verschiebung bis zum 23. Mai – dem Datum der Europawahl – oder einer Verlängerung „bis mindestens Ende 2019“ entschieden werden. „Jede andere Option, zum Beispiel eine Verlängerung bis 30. Juni, würde erhebliche rechtliche und politische Risiken für die EU bedeuten“, heißt es.

Allerdings erklärte EU-Ratschef Donald Tusk am Mittwochabend nach Rücksprache mit anderen europäischen Politikern, dass eine „kurze Verschiebung“ des Brexits möglich sei – falls das britische Parlament den Austrittsvertrag annimmt.

Der EU-Gipfel wird am Donnerstag über den Brexit beraten, aber eine endgültige Entscheidung wird da noch nicht erwartet. EU-Kommis­sions­präsident Jean-Claude Juncker stellte einen Sondergipfel eine Woche später in Aussicht. Dann weiß man, ob das britische Parlament den Brexit-Deal angenommen hat oder nicht – falls ja, dürfte Mays technischer Verlängerung nichts im Wege stehen; falls nein, ist alles ohnehin wieder offen. Im britischen Parlament betonten Regierungsvertreter am Nachmittag, in Abwesenheit einer neuen Beschlusslage bleibe es beim Austritt ohne Abkommen am 29. März.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Für mich entwickelt sich im United Kingdom ein Bild des Schreckens, heller Wahn im Brexit Anzug, in anderem Kontext aber vergleichbar beschrieben in Naomi Kleins Buch "Schocktherapie" 2007.



    Sowohl Brüssel und vor allem Tory Brexiteers London zielen irgendwie gegeneinander aber je näher der 29. März 2019 rückt, doch irgendwie durch Echternachschen Springprozedur Unterhaus Handicap Verlauf Theresa Mays drei Schritte vor, zwei zurück im unbeirrt vollen Lauf, hält sie weder Ochs noch Esel auf, gemeinsam virtuos auf den "Größt Anzunehmenden Schockeffekt" durch No Deal Brexit Vollzug 29. März 2019. 23.01 Uhr MEZ, unverzüglich Zölle auf Null zu setzen, brit. Pfund Sterling vorsätzlich durch brit Zentralbank Intervention auf Talfahrt zu schicken, brit. Export an Gütern, Diensten anzukurbeln, Kontrolle von Mindestlohn wg. Personalmangel auszusetzen, damit flächendeckend Lohndumping auszulösen, bei gleichzeitigem Preisanstieg Güter täglichen Bedarfs, Nahrung, Wasser, Medikamente, Strom, Mobilität, Ansteigen der Mieten.

    Dazu Angriff auf Bestand der UNIONs ganz im Maggie Thatcher Neocom Modus 1979-1992 nur scheinbar legitimiert durch Wirtschaftstheorie Milton Friedman, seinen Chicago Boys, auch wenn diese mit ihrem Konzept nicht nur im Chile General Augusto Pinochets 1973-1993, auch in Polen 1982-1994 mit Investor George Soros als Investor mit 1 Milliarde US Dollar als Kredit mit Zinsertrag Garantie, da US Regierung George Bush senior, wenn überhaupt Förderung polnischer Wende durch Solidarnosz Lech Walesa, alles privatim geregelt sehen wollte, gescheitert sind.

    Lt. Medienberichten haben die Chicago Boys nach vollzogenem oder paralell zum Brexit ihr neustes Gefechtsfeld in Venezuela ausbaldowert, selbstverständlich mithilfe der US President Donald Trump Administration beim Vollbild Rauschen und Flimmern .



    -

  • "Als Grund nannte sie den Wunsch, „so bald wie möglich“ das bereits zweimal vom britischen Parlament abgelehnte Brexit-Abkommen doch noch durch das Parlament zu bringen."

    Wie soll das gehen?

    May ist ja nicht nur bereits zwei Mal damit gescheitert, sondern Bercow hat doch klar gemacht, daß eine dritte Abstimmung über das selbe Brexit Abkommen unzulässig ist.

    Dies bedeutet doch: selbst wenn die EU nun doch nochmal das Abkommen aufschnüren sollte, was sie partout nicht will und, realistisch betrachtet, wohl auch nicht kann, und mit GB ein verändertes Abkommen aushandelt, daß das Kriterium "substanzielle Änderung" (was auch immer das heißen mag...) erfüllt; erst dann wäre das Abkommen im Parlament doch erst abstimmungsfähig !

    Eigentlich sollte man gelernt haben, daß man beim Thema Brexit einfach mit allem rechnen muss; aber dieses Szenario ist doch sehr unwahrscheinlich. Sollte es aber dennoch eintreten, dann reicht die Verschiebung bis 30. Juni nie und nimmer aus - und auch eine bis Ende des Jahres nicht.

    Die Situation stellt sich doch eher so da: May bittet die EU um eine Verschiebung des Austrittsdatums, um über ein Abkommen abstimmen zu lassen, das weder mehrheitsfähig ist und über das, so wie es ist, überhaupt nicht abgestimmt werden kann !

    Heute ist übrigens genau Tag 1000 nach dem Brexit Referendum.

  • Wenn das EU Parlament dem Antrag nicht zustimmt, finde ich das nachvollziehbar. Ich glaube nicht daran das das englische Parlament überhaupt noch eine Einigung zum Brexit.hinbekommt

    Der Ausstieg aus dem Brexit wäre eine Option, aber das Parlament war im Gegensatz zur Bevölkerung deutlich dagegen. Wenn man dann noch bedenkt das das ganze Brexit Votum erkauft und erlogen worden ist kann man nur sagen poor Little Britain - sleep well.

  • Wenn verlängert werden soll, dann um eine volle Legislaturperiode des EU Parlaments, macht sonst alles keinen Sinn.