EU-Gipfel in Brüssel: Es geht ums Ganze

Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs geht es um die Beziehungen zu den USA und zu China. Zum Brexit-Termin soll es keine Entscheidung geben.

Jean-Claude Juncker spitzt seine Lippen und hält sich eine Hand vor den Mund

Adieu?! Ob Juncker Großbritannien hier den Abschiedskuss mitgibt, ist nicht überliefert Foto: reuters

Brüssel taz | Über alles reden, aber nichts entscheiden: Diese Linie hat EU-Ratspräsident Donald Tusk für den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel vorgegeben. Nicht einmal zum Brexit, dem schicksalhaften Angstthema der (noch) 28 EU-Staaten, sollen Entscheidungen fallen. Beschlüsse werde man wohl vertagen, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dennoch könnte es einer der wichtigsten Gipfel der letzten Jahre werden.

Zwei Monate vor der Europawahl geht es nämlich ums Ganze: den Handelsstreit mit den USA, der jederzeit in einen offenen Handelskrieg umschlagen könnte – aber auch um die Beziehungen zu China, das in Brüssel neuerdings als „systemischer Rivale“ bezeichnet wird. Auch über den Klimaschutz wollen die EU-Chefs diskutieren – ein Thema, das den Bürgern laut Umfragen besonders am Herzen liegt.

Beim Handelsstreit mit den USA macht Tusk Druck: Kanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskollegen sollen den Weg für Verhandlungen über die Senkung von Industriezöllen frei machen. Doch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bremst. Er will unbedingt den Eindruck vermeiden, auf die Drohungen von US-Präsident Donald Trump zu reagieren – und spielt auf Zeit.

Trump hatte wiederholt mit der Verhängung von Strafzöllen auf Autos gedroht, was vor allem deutsche Premiummarken treffen würde. Merkel hat daher großes Interesse daran, den Streit durch Verhandlungen zügig zu entschärfen. Man dürfe nicht mit „vorgehaltener Pistole“ verhandeln, hält Macron ihr entgegen. Er will eine Entscheidung auf die Zeit nach der Europawahl vertagen.

Deals mit China

Deutlich früher, nämlich bis zum 9. April, muss die EU ihre Politik zu China festlegen. Dann findet nämlich ein EU-China-Gipfel statt – und der könnte frostig werden. Die Europäer haben ihre Haltung gegenüber den Chinesen auch auf amerikanischen Druck deutlich verhärtet. Wo sie bisher vor allem fantastische Zukunftsmärkte sahen, erkennen sie nun plötzlich lauter Tücken und Fallen.

Unfaire Marktbarrieren, versteckte Industriebeihilfen, dreister Technologie-Klau und Missbrauch geistigen Eigentums – all das soll beim China-Gipfel zur Sprache kommen. Gleichzeitig will die EU aber auch um Zusammenarbeit werben, etwa bei der Reform der Welthandelsorganisation WTO. Wie das zusammenpasst, wollen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend diskutieren.

Es deutet sich ein Machtkampf um das lukrative China-Geschäft an

Das könnte munter werden – denn einige EU-Staaten haben sich längst auf eine enge Zusammenarbeit eingelassen. An der chinesischen Seidenstraßen-Initiative ist bereits halb Südeuropa beteiligt, ein Schienenstrang führt auch zum Rheinhafen Duisburg. Italien will die Zusammenarbeit mit China nun noch weiter ausbauen, Deutschland hat jedoch Bedenken.

Von der viel beschworenen Einheit ist also nicht viel zu sehen. Eher schon deutet sich ein Machtkampf um das lukrative China-Geschäft an. Dass dabei ausgerechnet Berlin auf der Bremse steht, das die größten Deals mit Peking macht, dürfte manch einem sauer aufstoßen. Immerhin weiß sich Merkel mit Macron einig: Beide wollen ihre Industrie vor einem Ausverkauf schützen.

Mehr Ehrgeiz

Der deutsch-französische Plan, künftig auch „europäische Champions“ zu fördern, die gegen die USA und China auf dem Weltmarkt bestehen können, steht dagegen nicht auf der Tagesordnung des Gipfels. Er habe bisher nur „wenig Freunde“ gefunden, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. Ausgerechnet da, wo sich Macron und Merkel einmal einig sind, dürfte es deshalb kaum Fortschritte geben.

Das gilt auch für den Klimaschutz, über den die Chefs am Freitag diskutieren wollen. Die einen fordern mehr Ehrgeiz, um die europäische Wirtschaft schon bis 2050 „klimaneutral“ zu machen. Andere pochen auf Wettbewerbsfähigkeit und warnen vor allzu ehrgeizigen Zielen. „Da wird niemand zufrieden sein“, prophezeit der Diplomat.

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