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Campact verliert die GemeinnützigkeitSpenden sind nicht mehr absetzbar

Nach dem Attac-Urteil rechnet Campact mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit. Es werden keine Bescheinigungen für Spenden mehr ausgestellt.

Gut zu erkennen: ein Campact-Aktivist am 12. Oktober in Berlin Foto: dpa

Das Urteil des Bundesfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit des globalisierungskritischen Netzwerks Attac wirkt sich auch auf die Bürgerbewegung Campact aus, die Kampagnen zu vielen verschiedenen Themen organisiert. An diesem Montag will die Organisation ihre rund zwei Millionen Unterstützer*innen informieren, dass Spenden ab sofort nicht mehr steuerlich abgesetzt werden können.

„Unsere Steuerberater*innen und Anwält*innen haben das Urteil analysiert und kommen zu dem Fazit: Das Finanzamt Berlin wird Campact sehr wahrscheinlich nicht länger als gemeinnützig anerkennen“, schreibt Campact-Vorstand Felix Kolb in der Mail, die der taz vorliegt. Wenn die Organisation weiterhin Bescheinigungen zur steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden ausstellen würde, könne das als Betrug gewertet werden, so Kolb. Bereits ausgestellte Bescheinigungen bleiben aber gültig.

Der Bundesfinanzhof hatte Ende Februar am Beispiel von Attac festgelegt, dass die Beeinflussung von öffentlicher Meinung und politischer Willensbildung nicht als Bildungsarbeit oder Förderung des demokratischen Staatswesens im Sinne der Gemeinnützigkeit gewertet werden darf. Auch wenn die endgültige Entscheidung des untergeordneten Gerichts noch aussteht, steht damit praktisch fest, dass die Globalisierungskritiker künftig nicht mehr gemeinnützig sind.

Vor ähnlichen Problemen dürften alle Nichtregierungsorganisationen stehen, die sich nicht überwiegend zu explizit im Gesetz als gemeinnützig genannten Themen wie Umweltschutz, Tierschutz, Gleichberechtigung oder Verbraucherschutz engagieren. Ohne Gemeinnützigkeit können SpenderInnen ihre Spenden nicht mehr vom zu versteuernden Einkommen abziehen, was zu einem Rückgang der finanziellen Unterstützung führen kann. Zudem entfallen auch für den betroffenen Vereinen bestimmte Steuervorteile und Rabatte.

Das Urteil hat Auswirkungen auf Tausende Vereine und Stiftungen

Stefan Diefenbach-Trommer

„Der Verlust der Gemeinnützigkeit wird für Campact eine Bürde sein“, schreibt Kolb. „Mehrkosten und Steuernachzahlungen in Höhe von Hunderttausenden Euro kommen auf uns zu.“ Insgesamt lagen die Einnahmen von Campact 2018 bei knapp 10 Millionen Euro, die zum weit überwiegenden Teil von rund 150.000 Klein­spender*innen kommen. Campact-Vorstand Kolb hofft, dass sich die Spendenbereitschaft durch die Entscheidung nicht verringert.

„Zeigen Sie unseren Gegner*innen: Angriffe auf Campact schwächen unsere Bürgerbewegung nicht, sondern machen uns sogar noch stärker“, heißt es im Schreiben an die Unterstützer*innen. Ein solcher Effekt war bei Attac zu beobachten: Dort nahm die Zahl der Neueintritte und Spenden nach dem Verlust der Gemeinnützigkeit deutlich zu, sagte Geschäftsführerin Stephanie Handtmann der taz. Sie schränkt aber ein: „Dieser Effekt ist vermutlich nicht von Dauer.“

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, ein Zusammenschluss vieler gemeinnütziger Organisationen, sieht die Entscheidung von Campact als Alarmzeichen. „Die Reaktion von Campact ist überraschend, aber sicher erst der Anfang“, sagt Vorstand Stefan Diefenbach-Trommer. „Es zeigt sich, dass das Urteil über Attac hinaus Tausende Vereine und Stiftungen betrifft.“ Der Bundestag müsse jetzt schnell und möglichst rückwirkend Rechtssicherheit schaffen, ­fordert Diefenbach-Trommer. „Dazu braucht es vor allem weitere ­gemeinnützige Zwecke im Gesetz.“

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8 Kommentare

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  • Also, ich finde es gut, daß die Versorgung ausgemusterter Politiker in parteinahen Stiftungen weiterhin zweifelsfrei gemeinnützig ist. Wo sollen sie sonst auch hin? Schließlich können sie ja nicht alle bei Putin unterkommen.



    Und, wir erinnern uns; nach einem positiven Urteil für Attac beim Hessischen Finanzgericht hat die Schwarze Null Schäuble über eine Nichtzulassungsbeschwerde dafür gesorgt, daß der Fall beim Bundesfinanzhof landet. Das Hessische Finanzgericht hatte Revision nicht zugelassen.

  • Vorauseilender Gehorsam - eher ein feiges Einknicken von Campact. Und Steuernachzahlungen kann man auch erstmal verweigern.



    Aber Campact ist ja auch eher staatsnah:



    www.nachdenkseiten.de/?p=35545

  • Aberkennung der Gemeinnützigkeit - "Von hinten durch die Brust ins Auge."

    Das ist der moderne Maulkorb für die Bürger, die es wagen sich für mindestens mündig genug zu halten, mit ihren Forderungen gegen fatale Entwicklungen und Tendenzen ihr bürgerliches Veto einzulegen und gewaltfrei zu protestieren.

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    Immerhin ist die Initiative neue soziale Marktwirtschaft gemeinnützig.



    Ich halte sie eher für gemein als nützig/nützlich.



    Dieses Urteil ist ein Beispiel für Klassenjustiz.

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @93559 (Profil gelöscht):

      Das würde ich so nicht unterschreiben.



      Die Justiz setzt in diesen Fällen lediglich die Gesetze durch, die - und da würde ich Ihnen wieder zustimmen - die "Klassengesetzgebung" erdacht hat.

    • @93559 (Profil gelöscht):

      Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft ist nicht gemeinnützig und behauptet dies auch nicht. Insofern geht Ihr Einwurf an der Sache vorbei.

  • Solange Uniter e.V. gemeinnützig bleibt und die Staatsorgane unterwandert, ist in Deutschland doch alles in Ordnung. Einfach zum Kotzen.

    • @Hampelstielz:

      Genau das Gleiche habe ich beim lesen dieses Artikels auch gedacht. Und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) will man diesbezüglich (Status: “Gemeinnützigkeit“) auch “ans Leder“.