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Bundesfinanzhof zu AttacEnde der Gemeinnützigkeit

Weil sich die Globalisierungskritiker von Attac zu sehr in die Tagespolitik einmischen, soll die Organisation laut Bundesfinanzhof nicht mehr gemeinnützig sein.

Gemeinnützig oder nicht? Attac-Aktivist*innen schwenken Fahne in der Frankfurter Paulskirche Foto: Roessler/dpa

München epd | Der Trägerverein der Globalisierungsgegner Attac muss nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) mit dem endgültigen Entzug der Gemeinnützigkeit rechnen. Zwar gelte die unter Volksbildung zu fassende politische Bildungsarbeit als gemeinnützig, nicht aber der Einsatz für allgemeinpolitische Forderungen zur Tagespolitik und dazu durchgeführte Kampagnen, betonten die Münchener Richter am Dienstag bei der Jahrespressekonferenz.

Das Finanzamt hatte 2014 dem Attac-Trägerverein für die Jahre 2010 bis 2012, um die der Streit geht, die Gemeinnützigkeit entzogen. Das Finanzamt begründete das mit der allgemeinen politischen Tätigkeit, die nicht als gemeinnützig gelte. Seitdem stellt der Verein keine Spendenbescheinigungen mehr aus. Spenden sind damit nicht mehr steuerlich absetzbar.

Das Hessische Finanzgericht in Kassel gab den Globalisierungsgegnern noch recht. Die Arbeit von Attac sei als „Volksbildung“ einzustufen, die als gemeinnützig anzusehen sei. Doch dem widersprach nun der BFH. Die Abgabenordnung weise 25 gemeinnützige Zwecke auf, wie den Verbraucherschutz, den Tierschutz, Umwelt, Sport und auch die politische Bildung, zu der auch die Volksbildung gehört.

Die Volksbildung, so das Gericht, müsse aber eigenständig und in „geistiger Offenheit“ betrieben werden. Das sei bei Attac nicht der Fall. Der Trägerverein habe ganz konkrete Lösungsvorschläge zu bestimmten allgemeinpolitischen Themen durchsetzen wollen, etwa zum Sparpaket der Bundesregierung, der Bekämpfung der Steuerflucht oder zum bedingungslosen Grundeinkommen.

Zwar dürften auch gemeinnützige Vereine politische Forderungen erheben, wie etwa eine Umweltschutzorganisation zu Atomkraft. Aber Attac habe allgemeinpolitische Forderungen zu verschiedensten Themen gestellt.

Das Finanzgericht muss nun die Gemeinnützigkeit von Attac aus formalen Gründen erneut prüfen.

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14 Kommentare

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  • M. E. ist die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von attac politisch motivierte Haarspalterei, weil den Herrschenden attac zu unbequem, zu "hörbar" und zu unübersehbar geworden war.



    Tja, und alle glauben weiterhin, wir leben in einer Demokratie… glauben, wie war das noch mit "glauben"? Wer nichts weiß muss alles glauben?!



    Das ist schon ein Witz – der DFB, Bertelsmann, Atlantik-Brücke e. V., u.a. gemeinnützig 😂 (danke Nelly_M für die Auflistung). Honi soit qui mal y pense.



    www.dw.com/de/atta...%BCtzig/a-47695586



    Wörtlich sagte der Richter Heuermann: "Attac geht es nicht um politische Bildung, sondern um die Durchsetzung eigener Vorstellungen allgemeinpolitischer Art."



    - Wo ist jetzt da ein Unterschied? Die Vermittlung politischer hat immer einen Bezug zu "Vorstellungen Einzelner oder Gruppen", politische Bildung hängt doch nicht im luftleeren Raum herum.



    Und weiter



    ""Verheerendes Signal"



    In einer ersten Reaktion warf Attac dem BFH vor, den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen einzuengen. Insbesondere die Förderung der Bildung und des demokratischen Staatswesens werde deutlich eingeschränkt. Dirk Friedrichs, Vorstand im Attac-Trägerverein, sprach von einem "verheerenden Signal für die gesamte kritische Zivilgesellschaft in Deutschland."



    Auch Linken-Chef Bernd Riexinger wertet die Entscheidung als "Angriff auf das demokratische Grundverständnis in Deutschland". Forderungen von Attac etwa nach einer Finanztransaktionssteuer oder einer Vermögensabgabe seien im Sinne des Allgemeinwohls. Von einem "schwarzen Tag für die Demokratie" sprach auch der zu den Mitbegründern von Attac gehörende Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold.



    rb/uh (afp, dpa, epd, rtr)"

  • Im Artikel steht ganz klar und unmißverständlich, warum Attac der Entzug der Gemeinnützigkeit droht. Es geht hier um Steuervorteile, die entfallen würden. Aber, noch ist Deutschland nicht verloren oder der Käs ist noch nicht gegessen: gegen dieses Urteil des BFH kann Attac klagen, so funktioniert es im deutschen Rechtsstaat. Die einzelnen Institutionen in D. können nun mal nicht machen, was sie wollen. Und dann kommt es schon mal zu Urteilen, die nicht allen gefallen.

  • Das ist ein toller Satz: "Zwar gelte die unter Volksbildung zu fassende politische Bildungsarbeit als gemeinnützig, nicht aber der Einsatz für allgemeinpolitische Forderungen zur Tagespolitik und dazu durchgeführte Kampagnen, betonten die Münchener Richter am Dienstag bei der Jahrespressekonferenz."



    Die Information und Beteiligung der Bürger (Souverän) an Themen der Politik ist nicht gewünscht?



    Wie verträgt sich das mit Friede Springer BILD Zeitung und Liz Mohn mit Bertelsmann?



    Das Ergebnis nennt man "Marktkonforme Demokratie" Das empfehle ich zu googeln!



    Das Volk zu des-informieren als Staatsziel ist das öffentliche Bekenntnis, wir haben keine Demokratie mehr?

  • Bertelsmann, Atlantik-Brücke e. V., DFB, alle gemeinnützig. Denn gemeinnützig kann nur sein, was der CDU/CSU keine schlechte Laune macht.



    Unsd schon wieder ist die letzte Hoffnung das Verfassungsgericht?

    • @nelly_m:

      DFB passt in Ihre Aufzählung nicht recht rein, denn die sind gemeinnützig, weil sie eine Sportart fördern und nicht weil sie vorgeben, politische Bildung zu betreiben.

      Und Sie haben Recht: Dass Organisationen wie die Bertelsmann-Stiftung als gemeinnützig anerkannt sind, geht gar nicht. Hier messen die Finanzverwaltungen mit zweierlei Maß.

      Ich finde es allerdings richtig, dass politische Organisationen nicht als gemeinnützig anerkannt werden dürfen. Es ist nicht Sache des Staates, sich durch steuerliche Privilegierungen in das politische Engagement seiner Bürger einzumischen. Das schafft nur Abhängigkeiten. Wer darauf achten muss, dass sein politisches Engagement steuerlich gefördert wird, hat meist schon die Schere im Kopf.

    • @nelly_m:

      Richtig ! - Besonders die Bertelsmann-Stiftung hat wohl eine Sonderstellung bekommen. Der Bertelsmann-Stiftung gehört Bertelsmann und Bertelsmann gehört wiederum die RTL Group mit 57 Fernseh- und 31 Radiosendern. RTL ist Europas größter Betreiber von werbefinanziertem Privatfernsehen und Privatradio.

      Die Bertelsmann-Stiftung hat mit Gerhard Schröder (SPD) und Peter Hartz sich damals die Hartz Reformen ausgedacht. Man kann also sagen, dass ein Fernseh- und Radiosender - der viele Millionen Euro mit Werbung verdient - nicht nur die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland mitbestimmt hat, sondern auch noch die "Gemeinnützigkeit" zuerkannt bekommen hat.

  • Dies ist eine Warnung an alle Vereine! Wir lassen euch so lange spielen, bis ihr zu konkret und uns gefährlich werden könntet. Also immer schön brav sein, und mit den übrigen toten Fischen schwimmen.

    • @Drabiniok Dieter:

      Das ist - gelinde gesagt - Unsinn. Konkret darf auch ein gemeinnütziger Verein werden, aber eben nur innerhalb des gemeinnützigen Zwecks.

      Attac galt allerdings lediglich im Rahmen der politischen Bildung als gemeinnützig. Politische Bildung wurde aber nicht wirklich betrieben, sondern politischer Aktivismus. Das sei denen gegönnt, aber es gibt keinen Grund, das als gemeinnützig zu fördern.

      Attac hat als poltische Gruppierung gearbeitet und ist damit genauso wenig gemmeinnützig im Sinne der Abgabenordnung wie Parteien, Jugendorganisationen von Parteien oder bspw. die Antifa oder "Wir sind Sachsen".

      Gewähren Sie Attac die Gemeinnützigkeit, müsste das auch für die anderen gelten.

      • @sart:

        Und die Amadeu Antonio Stiftung Arbeitet nicht als politische Gruppierung? Oder ist sie einfach nicht unbequem genug?

      • @sart:

        um als politischer Aktivist gemeinnützig zu sein, muss man eben die Bertelsmann-Stiftung sein und sich mit offen neoliberaler Agenda in die Politik einmischen. Ansonsten bleibt nur die karatitative Ummäntelung der dadurch verursachten Schäden gemeinnützig...

        • @till:

          Es gibt aber nunmal keine Gleichheit im Unrecht.

          • @sart:

            aber doch, warum den kopf in den sand stecken, und unrecht einfafch hinnehmen.



            entweder kaltschneuziger sein als die, an die sich der rest eh nicht rantraut, oder die regeln verändern. schließlich sind wir nicht auf die welt gekommen, um trübsal zu blasen.



            daher ergeht hiermit ein neuer arbeitsauftrag an frau barley. auf in eine bessere zukunft, damit die blinden bald sagen werden die hätten es ja schon immer so gesagt und so gesehen.



            im übrigen ist noch lange nicht aller tage abend. das finanzgericht darf nochmals tätig werden und der finanzhof als "geheime politexikutive" der landesregierung feiert mit sekt im aktenstübchen; prost.



            "Die Volksbildung, so das Gericht, müsse aber eigenständig und in „geistiger Offenheit“ betrieben werden." wie "offen" (!) muß man sich denn noch äußern, damit die anerkennung verbleibt. die Kritik war wohl in wahrheit zu unangenehm.



            müssen die bisherigen spender denn nun ihre steuerersparnis zurückzahlen. dann trifft es wohl auch so manche bekannten politiker.

          • @sart:

            ja, attac kann sich juristisch nicht darauf berufen - in der politischen Debatte aber schon: einige sind da eben etwas gleicher als andere.

            • @till:

              Und das ist auch deutlich zu kritisieren, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.