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Streik mit Hinder­nissen

In vielen Städten rufen am Freitag Bündnisse zu einem Streik der Frauen auf. Die Bewegung ist noch jung – plagt sich intern aber auch mit einem harten Richtungsstreit. Den Berliner OrganisatorInnen werden antisemitische Strömungen und autoritäres Vorgehen vorgeworfen

Auch in den USA gab es Konflikte unter den streikenden Frauen Foto: Eugene Garcia/dpa

Von Jean-Philipp Baeck

Osnabrück ist vorbereitet, ebenso Hamburg, Bremen und Göttingen: In bundesweit fast 40 Städten rufen Bündnisse am 8. März zu einem Frauenstreik auf. Es geht darum, die vielen Formen der Arbeit von Frauen sichtbar zu machen und deren Ungleichbehandlung zu kritisieren: Die Hausarbeit solle ruhen, die Wäsche von Mann und Kindern an diesem Tag nicht gewaschen, die Mittagspause als Pflegekraft tatsächlich mal genommen und sich mit anderen Frauen vernetzt werden. Kundgebungen, Demos und Aktionen sind geplant.

Doch wie es bei jungen Bewegungen so ist, verlaufen auch die Vorbereitungen zu den Frauenstreiks nicht ohne Reibung. Ein Richtungsstreit, der in den letzten Wochen aufkam, dreht sich um Vorwürfe gegenüber dem Berliner Bündnis: Von „Antisemitismus im Frauen*streik-Bündnis“ schreibt der Osnabrücker Bündnis-Ableger, von „antizionistisch-antisemitischen Tendenzen“ das Hamburger Frauenstreikbündnis. Die „Feministische Frauengruppe Göttingen“ weist in einem Offenen Brief auf die „autoritären Einstellungen“ beim Berliner Vernetzungstreffen hin. Ähnliche Stellungnahmen kommen aus weiteren Städten.

Es ist ein Streit, der, obgleich in anderem Ausmaß, auch international nicht ohne Präzedenz ist. So verweist das Osnabrücker Frauenstreik-Bündnis auf den Women’s March in den USA, an dessen Aktionen sich seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten Tausende Frauen beteiligten und der der feministischen Bewegung international Auftrieb verschaffte. Führungsfiguren wurde zuletzt allerdings Antisemitismus vorgeworfen. Unter anderem die US-Demokraten zogen daraufhin ihre Unterstützung zurück.

Auch diese Erfahrungen spielen für die Debatte in Deutschland eine Rolle. Ausgangspunkt für die harsche Kritik war hier die Einladung der amerikanischen Autorin und Aktivistin Selma James auf das erste bundesweite Koodinierungstreffen für die Streiks, das im November in Göttingen stattfand. James wurde über das Frauenstreik-Bündnis aus Berlin eingeladen, das die bundesweite Vernetzung vorangetrieben hatte. Sie ist nicht nur eine bekannte Feministin, sondern bezieht auch im Nahost-Konflikt Position, unter anderem als Gründerin des „International Jewish Anti-Zionist Network“.

Kritikerinnen befürchteten, dass dem bundesweiten Bündnis damit politisch eine Positionierung aufgedrückt werden sollte, die keineswegs alle teilten. Die Feministische Frauengruppe Göttingen etwa schreibt, Social Media-Kanäle seien von Berlin aus genutzt worden, „um einseitig für eine autoritär-kommunistische, pro-palästinensische Position zu werben.“

So sei zum internationalistischen Block der Luxemburg-Liebknecht Demonstration aufgerufen worden und ein Bild vom Women’s March Berlin geteilt worden, auf dem Berliner Aktivist*innen mit dem Schild „palestine is a feminist issue“ Stellung bezogen hätten. Erst, nachdem die Einsprüche auf einem weiteren Treffen im Februar intern abgekanzelt worden seien, hätte die Göttinger Gruppe sie öffentlich gemacht.

So beschreibt es auch die Aktivistin Mai, vom „Hamburger Bündnis zum Internationalen 8. März Streik“: „Das eine ist es, Selma James einzuladen. Das andere ist es, wie die Debatte danach verlaufen ist.“ Das Bündnis sei bundesweit sehr vielfältig – und so solle es bleiben, sagt Mai. „Wir vereinen viele Kämpfe, aber das heißt nicht, dass wir uns mit jedem Kampf verbinden, wenn wir ihn nicht für emanzipatorisch halten.“

Berliner Streik-Aktivistinnen

Vertreterinnen des Berliner Frauenstreik-Bündnisses waren zu den Vorwürfen nicht zu erreichen. In einer Stellungnahme, die von einigen Berliner Aktivistinnen stammen soll und auf Facebook dokumentiert wurde, heißt es: Die Antisemitismusvorwürfe seien eine Instrumentalisierung zur Verleumdung von James. Zu keinem Zeitpunkt sei eine Diskussion unterdrückt oder jemand ausgeschlossen worden. Im Gegenteil seien sie besorgt, schreiben die Aktivistinnen, dass verhindert werden solle, dass antirassistische und antiimperialistische Menschen über Palästina sprächen. „Wir wollen ein Netzwerk, das auf der Seite der Unterdrückten und Ausgebeuteten steht und wir wollen ein diverses Netzwerk.“

Die Debatte wird das Bündnis wohl auch nach dem Streik beschäftigen. Gleichwohl: In keiner der Städte will man, dass der politische Streit die Aktionen schmälert – auch, wenn die Vorbereitungszeit in diesem Jahr besonders kurz war. „Am Frauenkampftag steht für uns die ökonomische, materielle und rechtliche Benachteiligung von Frauen im Vordergrund“, sagt etwa eine Aktivistin vom Bündnis aus Osnabrück.

Infos zu bundesweiten Aktionen: https://frauenstreik.org

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