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Das Framing-Handbuch der ARDKeine Empfehlungen

Die ARD hat für ihr Framing-Manual sehr viel Kritik geerntet. Nun hat sich Elisabeth Wehling, die Verfasserin des Handbuchs, zu Wort gemeldet.

Begriffe bilden einen Rahmen, in dem wir denken. So soll Meinungsbildung gelenkt werden Foto: Pine Watt/Unsplash

Im Streit um das Framing-Gutachten der ARD, hat sich dessen Verfasserin mit einer Klarstellung gemeldet. Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling schreibt auf ihrer Webseite, dass sie in dem zwei Jahre alten Gutachten im Auftrag des MDR die Kommunikation der ARD als Institution habe analysieren sollen. Auf Basis der wissenschaftlichen Erfahrung habe sie aufzeigen sollen, welche Alternativen zu welchen Worten mit welchen Bedeutungsinhalten besetzt sind.

„Denn: Sprache schafft Bewusstsein.“ Die Begrifflichkeiten, die sich in dem Gutachten finden, seien „keineswegs als Empfehlung anzusehen“. Vielmehr sei das Dokument als interne Arbeits- und Diskussionsgrundlage verfasst.

In der vergangenen Woche war publik geworden, dass die ARD bei der Sprachwissenschaftlerin Wehling ein Gutachten zum Framing der ARD in Auftrag gegeben hatte. Mit dem Begriff Frame bezeichnen Wissenschaftler den Deutungsrahmen, der mit jedem Wort mitschwingt. Die Konzepte des Framings sind gerade in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden: Welche Assoziationen weckt das Wort Flüchtlingswelle? Welche die Begriffe Asyltourismus und Abschiebeindustrie?

Auch die ARD wollte wissen, welche Deutungsrahmen sie bei ihren Zuschauer- und ZuhörerInnen anspricht und hat das von Elisabeth Wehling untersuchen lassen. Wehling hat das Konzept des Framings zwar nicht erfunden, es aber mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen kombiniert. Dafür saß sie in vielen Talkshows und Zeitungsredaktionen.

Die „Bild“ bewertet das Papier als Umerziehungsmaßnahme

Die ARD hielt das Gutachten unter Verschluss, angeblich aus urheberrechtlichen Gründen. Dennoch begannen in der vergangenen Woche heftige Diskussionen um das Papier. Die Bild-Zeitung schrieb: „So will die ARD uns umerziehen“, die Welt sah in dem Papier den „Versuch, den freien Markt zu verleumden“. Vor allem rechte Blogger und Kommentatoren bezeichneten es als Anleitung zur sprachlichen Manipulation, quasi eine Handreichung der Sprachpolizei, Geldverschwendung.

Netzpolitik.org veröffentlichte das Papier am Montag. Da es mit öffentlichen Geldern finanziert sei, müsse es der Öffentlichkeit zugänglich sein, argumentieren die Netzpolitik-Autoren Markus Beckedahl und Leonhard Dobusch.

„Framing-Manual“ steht darüber und wer sich durch die 89 Seiten liest, findet in erster Linie viel Lobhudelei für die ARD: was sie ist, was sie kann, was sie leistet. Ein großer Teil des Handbuchs beschäftigt sich mit der Frage, wie die ARD das auch ihren Zuschauer- und ZuhörerInnen klar machen kann. Wehlings Tipp: Die richtigen Frames ansprechen.

In Schaubildern und mit konkreten Kommunikationsvorschlägen versucht sie das zu verdeutlichen: Nicht vom „öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ reden, lieber vom „gemeinsamen, freien Rundfunk ARD“. Die ARD nicht „Programmanbieter“ nennen, das klinge zu sehr nach Supermarkt. Lieber vom „gemeinsam ermöglichten Rundfunk der Bürger“ sprechen. Begriffe wie „föderal“ vermeiden, versteht eh keiner. Statt „solidarisch“ lieber von „Hand in Hand“ sprechen. Das Wort „Beitragseinnahmen“ ersetzen durch die Formulierung, die ARD verwalte „das Rundfunkkapital der Bürger“. Nicht von „Reform der ARD“ sprechen, sondern von der „Verantwortung, die mediale Infrastruktur stets so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Bürger gerecht wird“. Dahinter solle die Idee der ARD stehen „Wir sind ihr“.

Neues Framing auf Plakaten

Solche Frames solle die ARD nicht nur im persönlichen Gespräch nutzen, sondern auch durch Plakatkampagnen und Werbespots im TV oder Radio transportieren, um „Geschichten zu erzählen, die ihrer moralischen Perspektive treu sind“. Wichtig sei dabei, nicht die Frames der Gegner – „Lügenpresse“, „Zwangsgebühren“, „Steigbügelhalter der Politik“ – aufzugreifen, sondern neue Frames dagegen zu setzen.

Härter werden Wehlings Empfehlungen, wenn es um die privaten Rundfunksender gehe. Sie könnten als „profitwirtschaftliche Sender“, „profitorientierte/maximierende Sender“ oder „medienkapitalistische Heuschrecken“ geframt werden.

Gerade dafür bekam die ARD viel Kritik. Die Generalsekretärin der ARD, Susanne Pfab, wies diese Begriffe in einer Stellungnahme zurück. Sie habe noch nie gehört, dass ein ARD-Vertreter so gesprochen habe. Sie hielte das auch für unpassend. Pfab stellte klar, dass das Handbuch weder eine neue Kommunikationsstrategie noch eine Sprach- oder gar Handlungsanweisung an die Mitarbeitenden sei. Vielmehr solle es eine Diskussionsgrundlage darstellen und Denkanstöße geben.

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12 Kommentare

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  • Das Framing Manual ist nicht das Problem. Im Gegenteil. Es versucht eine positive Sicht auf das Öffentlich Rechtliche Fernsehen zu formulieren. Diese Sichtweise zerbricht sogleich an den seit drei Jahrzehnten produzierten Anbiederung an den erklärten Gegner - das Profitfernsehen. Und an dem Programminhalten, deren überwiegender Anteil kaum noch dem eigentlichen Bildungsauftrag nahe kommt. Auch ist der Unterhaltungsaspekt wesentlich von Mutlosigkeit geprägt, nur formal erfüllt, mitnichten innovativ und zu blass, um sich überhaupt noch framen zu lassen. Die Einbindung des Bürgers als politisch mündiger Vertragspartner und Auftraggeber für ein gemeinsames Medienprojekt zerschellt an den überzähligen Klippen der Talkshows im Dauerbetrieb - vom Frühstücksfernsehen bis zu Annne Will und Herrn Lanz. Sehe ich von ARTE, 3SAT Phönix und ALPHA ab, so bleiben schließlich im journalistischen Bereich und gerade im Regionalen Fernsehen eher schlecht produzierte Beiträge. Andererseits blockiert Fernsehen die traditionellen dokumentarischen Formate und senkt sie bestenfalls auf das Niveau bebilderten Hörfunks. Im Fiktionalen ermüden grenzwertige Stoffe nach Art der Rosamunde Pilcher und Krimis, deren Kriminalistik in Revierfehden verhaftet bleibt statt tatsächlich visuell und handlungsbezogen Spannung zu erzeugen. Wenn es um Journalismus in den Nachrichtenformaten geht ließe sich noch vermerken, dass Hintergrundinformation zu oft fehlt und der tatsächlich moralische Blick nicht hält, was das Framing Manual versprechen will. Sehe ich dann noch auf die Produktionsbedingungen für Film und Fernsehschaffende hinsichtlich der Honorare so bliebt kaum noch ein Framing, das nicht als euphemisch bezeichnen werden müsste. Das Maß ist dann mit Förderung von TATORTEN durch Mittel der Filmförderung vollends überschritten! Um nicht missverstanden zu werden - ich bin ein Freund dieses Systems. Wir könnten aber auch anders. Und dann mit offener Kritik, die nicht in FRAMINGS gefangen bleibt.

  • Dieses Manual ist so viel mehr als eine Empfehlung für bestimmte Sprachkonstrukte.



    Es leitet sehr schön her, was der Unterschied zwischen meinen Werten und denen der AFD/FDP/CDU/CSU-Koalition ist, und beschreibt schlüssig die Argumente für das, was ich sonst eher unbestimmt innerlich fühle. Eine wunderbare Argumentationshilfe also.



    Jeder Humanist mit ein bisschen Rückgrat kann dieses Papier ohne Weiteres verteidigen.



    Dass ausgerechnet die Tatsache der gewinnmaximierenden Privatmedien so viel Kritik erntet, zeigt, dass die getroffenen Heuschrecken bellen.

  • 8G
    86970 (Profil gelöscht)

    Zitat aus dem berühmt-berüchtigten Manual:



    "... denn objektives, faktenbegründetes und rationales Denken gibt es nicht, zumindest nicht in der Form, in der es der Aufklärungsgedanke suggeriert"

    Bei diesem Satz habe große Augen gemacht. War die ganze Aufklärung jetzt nur ein alberner Irrtum, und wir leben in der Post-Aufklärung? Dann bin ich hier definitiv im falschen Film. Aber wohin gehe ich dann??

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Das ist wie mit den Hotelbeschreibungen in Reisekatalogen.

    Keine Ahnung, was die gute Frau dafür bekommen hat, ich hätte es für weniger gemacht.

  • Ich habe eigenlich den Begriff "Spre(a)chblasen" gemocht, zum einen konnte man sich viel mehr darunter vorstellen zum Anderen konnten sie auch scon mal platzen. Die genannten Begriffe haben ohnehin eine kurze Lebensdauer, sobald ein neuer Skandal aufgetischt wird. Besonders der Begriff der "Abschiebevermeidungsindustrie" war ohnehin zu sperrig und ein Wortungetüm, aber dennoch wurde er oft wiederholt und ist nicht so recht hängengeblieben.



    Auch frage ich mich warum man von "Framing" spricht, gibt es denn keine klarere Bezeichnung dafür, unter der sich Jede(r) was vorstellen kann?



    Und was sollen diese Vorschläge von Umbenennungen, nur um eine verwaschene Kommunikation in die Öffentlichkeit zu bringen, bei der keine(r) mehr versteht was eigentlich gemeint ist. Klartext ist das was Menschen verstehen ohne zu beleidigen natürlich.

    • @Reiner Lorber:

      Die Gefahr dabei – egal wie "es" heißt – übersehen Sie einfach mal, oder wie darf ich das sonst verstehen?



      Es geht um Manipulation, Meinungmache und Ausgrenzung auf eine ganz besonders fiese, für viele kaum spür- und|oder nachvollziehbare Weise.



      Siehe auch Kommentar von @Rolf B., 19.02.2019, 12:01.



      Aufwachen. Bitte.

  • Beihilfe zur Meinungsmanipulation. Bezahlt mit Steuergeldern.



    Framing hat Goebbels schon ohne Berater geschafft.

  • Beihilfe zur Meinungsmanipulation. Bezahlt mit Steuergeldern.



    Framing hat Goebbels schon ohne Berater geschafft.

  • Mir ist die Aufregung um das Manual ja ziemlich egal, aber der Tonfall in dem es geschrieben ist, klingt für mich ZIEMLICH nach Handlungsempfehlung.

    Und einzelne Formulierungen wie z.B. "medienkapitalistische Heuschrecken" gießen eben viel mehr Öl ins Feuer als dass sie geeignet sind das Feuer, der ÖR-Kritiker und Rechtspopulisten zu löschen...

    Klassischer Fall von: Gut gemeint != gut gemacht...

  • 9G
    96173 (Profil gelöscht)

    Und ich habe den Sch. bezahlt.... .

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Man darf die ARD-Causa wohl zum Anlaß nehmen, das Wording/Framing in anderen Medien -auch bei der taz- mal kritisch zu betrachten, gar zu hinterfragen.