: Ein schönes Denkmal
100 Jahre Frauenwahlrecht. Künstlerinnen des Frauenmuseums Berlin melden sich zu Wort. Die Ausstellung „Stimmen!“ in der SPD-Zentrale
Von Brigitte Werneburg
Am sinnfälligsten wirkt Rachel Kohns Ensemble aus glasiertem Steinzeug: schwarze Megafone mit roten Rändern und weißen Inschriften wie „bestimmen“, „zustimmen, „überstimmen“ oder „mitstimmen“. Ihre Keramikskulptur ist Teil der Ausstellung „Stimmen!“ mit der sich die Künstlerinnen des Frauenmuseums Berlin anlässlich von 100 Jahre Frauenwahlrecht zu Wort melden.
Kohns Arbeit funktioniert so gut, weil sich die Künstlerin ganz konkret Gedanken gemacht hat, auf welche Weise die Frauen ihre Stimme einsetzen und wie sie ihre Stimme hörbar machen können – vielleicht auch müssen, mit der Flüstertüte, deren attraktive Kegelform die Künstlerin dann auch formal für eine ästhetisch überzeugende Installation zu nutzen wusste.
Im Frauenmuseum als einem Netzwerk Berliner Künstlerinnen lebt noch immer der Auftrag der frühen Frauenbewegung fort, dem weiblichen Geschlecht in seinem – hier nun eben künstlerischen – Tun und Lassen Sichtbarkeit und Stimmrecht in Politik, Wirtschaft wie Gesellschaft zu geben. Insofern hat es seine genuine Berechtigung, dass Rachel Kohn und ihre Mitstreiterinnen nun ganz prominent in der SPD-Zentrale ihre Vorstellungen präsentieren wie sie des 100-jährigen Jubiläums des deutschen Frauenwahlrechts gedenken wollen.
Zum Beispiel mit der in Anlehnung an die Londoner Speakers Corner entworfene Feminist Corner der Ausstellung von Kuratorin Julie August. Eine Minute Redezeit hat man, betritt man das Podest. Mehr Zeit wird man in Susanne Kienbaums „Postdemokratischen Laboratorium“ verbringen, wo man schmökern kann – es gibt eine kleine Bibliothek einschlägiger Titel –, wo man aber auch aus Anlass „70 Jahre Grundgesetz“ einen der „70 Stimm- und Denkzettel an die Politik“ ausfüllen kann. Denn bekanntlich ist die Liste der Forderungen noch lang, was Gleichberechtigung und Teilhabe angeht.
Dass das Frauenmuseum in der SPD-Zentrale aufschlägt, ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass es keinen festen Ausstellungsort hat, mithin auf Kooperationspartner angewiesen ist, die Räume zur Verfügung stellen. Nicht nur die Existenz als Künstlerin ist schwierig, sondern auch die als Verein von Künstlerinnen, der sich ausschließlich aus Spenden und dem Beitrag seiner Mitglieder erhält. Aber gerade aus der Not seines Nomadentums heraus, dass es mit seinen Ausstellungen durch die ganze Stadt wandert, hat das Frauenmuseum dort zuletzt mehr und mehr an Sichtbarkeit gewonnen.
Selbstbewusst treten auch die 17 ausstellenden Künstlerinnen auf. Sämtliche Positionen sind nicht nur formal ausgereift, sondern dazu ausgesprochen ideenreich und solitär in der Themenfindung. Regina Weiss untersucht etwa in ihrer Fotoserie „Zur Gegenwart einer vergangenen Erinnerungskultur“ die Bedeutung kollektiven Erinnerns für die Selbstwahrnehmung einer Gesellschaft. Bei ihrer Reise durch das Gebiet der ehemaligen DDR findet sie flächendeckend Mahn- und Denkmäler zur Arbeiterbewegung und zum linken, antifaschistischen Widerstand in der Nazizeit, um am Ende verwundert festzustellen, dass der Frauenbewegung kein einziges errichtet wurde. So marginal dieser Befund zunächst erscheint, so zentral ist er. Denn das Phänomen schreibt sich ungebrochen im heutigen, auch dem eigenen, Alltag fort. Paradebeispiel ist das alte taz Haus mit seinem Personenkult an der Fassade und in seinem Namen. Ja, da musste frau dringend raus. Und gratuliert dem Abgeordnetenhaus von Berlin, dass es den internationalen Frauentag zum Feiertag in dieser Stadt erklärt hat.
Bis 24. 3., SPD-Zentrale; am 10. 3., 16 Uhr: Wege zur Emanzipation. Diskussion; 24. 3., 16 Uhr: Frauenwahlrecht, Frauenbewegung und Gleichberechtigung, ein internationaler Vergleich. Diskussion
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