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Berlinale „And Your Bird Can Sing“Das Leben ist eine Blumenampel

Drei SlackerInnen streunen in Sho Miyakes „And Your Bird Can Sing“ durchs Nachtleben. Tagsüber schlurfen sie wie ferngesteuerte Buddhas durchs Bild.

Rausch ist die Leitwährung: Boku, Shizuo und Sachiko beim Feiern Foto: Hakodate Cinema Iris

Die nächtliche Skyline von Tokio: Aus der Ferne betrachtet blinken die Posititionsleuchten der Wolkenkratzer und Brücken spektakulär schön. Der Establishing Shot des japanischen Films „And Your Bird Can Sing“ ist eine Kameraeinstellung ohne Ton, die Kamera hält eine halbe Ewigkeit auf die Skyline. Aber das Glücksversprechen der Nacht schmilzt bis zum nächsten Tag wie Eiscreme auf der Heizung. In der Vorstadt mit ihren zweistöckigen Gebäuden ist es bei Licht betrachtet eintönig und grau.

Vom Leben in einem solchen Tokioter Quartier handelt „And Your Bird Can Sing“, der Film des 35-jährigen Regisseurs Sho Miyake, der auf einer Erzählung des Autors Yasushi Sato basiert. Im Fokus stehen drei SlackerInnen; der von Tasuku Emoto gespielte namenlose Protagonist Boku (im Japanischen wird damit das männliche Ich bezeichnet), sein Mitbewohner Shizuo (Shota Sometani) und Sachiko (Shizuka Ishibashi), eine Kollegin von Boku in der Buchhandlung, in der auch er jobbt.

Tagsüber schlurfen die drei wie ferngesteuerte Buddhas durchs Bild, verschlafen, verbummeln die Schichten, träumen von besseren Zeiten. Nachts ziehen sie routiniert durch Bars und Clubs, da und dort ein Bier, ein Glas Bourbon, ein Stamperl Sake sich genehmigend: Es gibt kein Morgen, es gibt nur Rausch und Rausch ist die Leitwährung.

Der Kunstgriff von Regisseur Miyake ist, das eigentlich Existenzialistische des Alltags (Probleme von Shizuo mit seiner kranken Mutter, Trouble von Boku mit seinem Chef, Ennui von Sachiko) scheinbar nebenbei einzustreuen. Ausführlicher sehen wir Boku und Shizuo beim Tanzen mit Blumenampeln, Shizuo und Sachiko beim Singen in der Karaoke-Bar, Boku und Shizuo beim Tischtennis, Sachiko und Boku beim Sex. Shizuo und Sachiko beim Campen und alle drei beim Skanken auf einem HipHop-Jam mit dem US-Rapper OMSB, der japanische Reime droppt, als wären es Haikus.

Das ist durchaus vergleichbar mit anderen geglückten berühmten Dreiecksgeschichten des Kinos: „Jules et Jim“ von Truffaut zum Beispiel. Nur geht Sachiko viel selbstbestimmter zu Werke als Jeanne Moreaus Catherine in „Jules et Jim“, außerdem hat Sachiko noch ein Date mit dem Chef der Buchhandlung! Boku und Shizuo bleiben weiter Freunde, obwohl Sashiko am Ende Shizuo lieber mag.

„And Your Bird Can Sing“

16. 2., 19.30 Uhr, Colosseum 1

Eigenwillig an „And Your Bird Can Sing“ ist auch das methodische Verweben: Die Darstellung von Leid wird nicht abgedimmt durch die Darstellung von Ausschweifungen. Shizuo trägt beim Termin am Arbeitsamt die gleiche Leichenbittermiene wie Boku, wenn er zu Überstunden verdonnert wird, weil er einen Ladendieb hat ziehen lassen. Und Sachiko ­verabschiedet den Chef höflich, aber bestimmt.

Was der ruhige Anfang einfordert, wird von der elliptischen Erzählweise auch eingelöst. Das Alltagsleben ist eine lange, ruhige Blumenampel in Slow Motion.

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