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Kommentar AfD-Wahlparteitag in SachsenHass und Hysterie

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Beim Wahlparteitag erreichen die härtesten Rechtsausleger vordere Listenplätze. Man kann hoffen, dass die Radikalisierung die AfD stärker isoliert.

Jedem potenziellen AfD-Wähler müsste nun endgültig klar sein, wem er seine Stimme geben will Foto: dpa

D eutlicher konnte die AfD Sachsen nicht vor sich selber warnen als bei der Aufstellung ihrer Kandidatenliste für die Landtagswahl, dass die fortschreitende Radikalisierung der AfD sie nun auch stärker isoliert. Die 500 Delegierten in Markneukirchen wurden vor allem von jenen Rednern in Erregung versetzt, die allein an dumpfe Gefühle und Ängste appellierten. Bei der klebrigen und langwierig-langweiligen Dreitagesveranstaltung bildeten einzig infantile und pseudoreligiöse Patriotimus-Ausbrüche die Highlights.

Die Partei hat eben keine „Alternative“ bei konkreten Sachfragen zu bieten, wofür auch die äußerst mühsame Aufstellung eines Wahlprogramms spricht. Sie lebt nur von Hass und Hysterie. Man kann dieser zunehmenden Radikalisierung aber auch etwas Positives abgewinnen.

Jedem potenziellen AfD-Wähler müsste nun endgültig klar sein, wem er seine Stimme geben will. Und wer in der sächsischen CDU bislang darauf schielte, eventuell mit einer domestizierten AfD im Herbst zu koalieren, muss seinen Irrtum spätestens jetzt erkennen. Diese AfD hat sich endgültig selbst disqualifiziert. Zumindest die Parteispitze, die eine Koalition ausschließt, scheint das auch selbst begriffen zu haben.

Man kann also durchaus hoffnungsfroh sein, dass die fortschreitende Radikalisierung der AfD sie nun auch stärker isoliert. In Markneukirchen war beim besten Willen niemand mehr zu entdecken, der als Anschlussfigur an bürgerliche Kreise gelten könnte.

Immer irrationaler

Gleichzeitig zeigen sich erste Zerfallserscheinungen am rechten Rand. Ex-AfDler André Poggenburg, der die Partei „Aufbruch deutscher Patrioten“ gegründet hat, war am Wochenende ebenfalls in Sachsen. Er schluckte die rechtsextreme „Sächsische Volkspartei“. Rechtsausleger wie diese könnten die Wahlergebnisse der AfD deutlich verringern und das rechte Lager spalten.

Gut möglich, dass die immer irrationaler agierende AfD den Zenit ihrer Massenmobilisierungsfähigkeit bereits überschritten hat.

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Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
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13 Kommentare

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  • Woher die Zuversicht des Autors kommt, der Rechtsruck in der sächsischen AfD beschleunige ihren Niedergang, erschließt sich mir nicht. Vielmehr folgt die Partei dem Modell der NSDAP. Hetze auf Andersdenkende, Nationalismus und Demokratiefeindlichkeit und ganz Vorn: Rassismus. Damit will man die Bösmenschen anlocken - und das Konzept scheint wieder zu funktionieren.

  • Die AfD ist der Darmfortsatz des Donald Trumps: Rassistisch, Feind der Menschlichkeit.

  • Wenn die AfD so sehr nur auf ein Thema spezialisiert ist, wie hier immer wieder behauptet, dann sind doch bei Koalitionsverhandlungen keine Probleme zu erwarten, dann wäre sie ein geradezu idealer Koalitionspartner, zumal die Gestaltungsmöglichkeiten in der Zuwanderungsfrage auf Landesebene sehr beschränkt sind. Die voll auszuschöpfen ist ohnehin weitverbreiteter Wunsch innerhalb der CDU. Da käme ihr die AfD, hinter der sie sich verstecken könnte, sicher ganz gelegen. Warum sollte sie da nicht zugreifen?

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Die ständige Angst der 'besorgten Bürger' in Sachsen



    Die 'besorgten Bürger' in Sachsen sind eben deshalb immer so besorgt, weil sie nicht wissen, ob sie nicht am Ende selbst das Gesocks sind und die Flüchtlinge die Guten sind.



    Und in dieser Ungewissheit hilft Euch 'Besorgten' nicht die CDU, nicht die SPD, nicht die Linke, sondern: Euer segensreicher AfD-Abschiebeberater. Er sagt Euch einen Tag vorher, wann und wohin der Abschiebeflug geht, so daß ihr noch rechtzeitig das Nötigste zusammenpacken könnt. Ihr könnt nun endlich nachfühlen, wie es Geflüchteten geht.

  • Was wäre, wenn die AfD weniger radikal und klar von rechts abgegrenzt wäre? Davor herrscht doch viel größere Angst, als vor einer irgendwie radikalen AfD, die man schnell ablehnen kann ...

    • @TazTiz:

      Die Frage stellt sich seit diese Angst-/Panik- und Hassmaschine aufgetaucht ist vor sechs Jahren.

      Die von Ihnen genannte Variante wäre machtpolitisch verheerender.

      Die BRD hätte dann eine Art Dänische Volkspartei oder Norwegische Fortschrittspartei, genauso unappetitlich aber etwas weniger verroht ... und seit Jahren Mehrheitsbeschaffer für die dortigen traditionellen Konservativen und Rechtsliberalen. Auf sowas warten viele in der CDU doch insgeheim, hätte man dann doch ganz andere Machtoptionen. Und darum geht's in der Union doch immer nur: Macht um der Macht willen.

      Pazderski steht in Berlin für sowas parat. Die CDU würde sofort zugreifen. Dass da in Berlin in zweiter Reihe Figuren wie der Goebbels-Verschnitt Curio oder Nikolaus Fest eher auch am ganz rechten Rand fischen, würde die CDU mal eben so großzügig übersehen. Das Narrativ würde schon gefunden werden (darf ich raten? "das Rot-grün-rote Chaos beenden" !)

      In Dresden hat die CDU übrigens gerade mit AfD, FDP und einer "Hut"-Bürgerliste den gemeinsamen Angriff auf die lokale freie Kulturszene gestartet und die Finanzmittel zusammengestrichen.

      Von Polen, Ungarn und Österreich lernen, heißt in Dresden die Freiheit der Kunst (Art 5 (3) GG zuerst schleifen.

      www.deutschlandfun...:article_id=440619

      • @Tom Zwanziger:

        In der Demokratie gilt es um Mehrheiten zu kämpfen und nicht diese irgendwie zu zementieren. Wenn Schwarz und blau-schwarz ohne braun zu Mehrheiten kommen: bitteschön! Gleiches gilt für linke oder mittige Parteien.

        Problematisch ist doch eher, wenn 10-20% der Bevölkerung (und ihrer Parteien) nicht mehr an der politischen Meinungsbildung beteiligt werden "dürfen". Bei 2-3% (entspricht ungefähr braun) mag das noch gehen ... aber eben nicht mehr bei der AfD.

        • @TazTiz:

          Es gibt einen Nachkriegskonsens unter den Demokraten dieses Landes, der sich auch im Grundgesetz wiederspiegelt: Nie wieder Faschismus!

          Wenn wie zuletzt 12,6% der Wählerinnen & Wähler bei der BT-Wahl plus der paar Zehntel-Prozent NPD, "Die Rechte"-Wähler, sagen wir 13 Prozent sich von diesem Grundkonsens lossagen (bzw. ihn niemals verinnerlicht hatten) und damit den Reifetest in Sachen demokratischer Überzeugung und aufrechtem Gang vergeigt haben, müssen sie damit leben erstmal "außen vor zu stehen"

          Sie können sich gern wieder oder erstmals hinzugesellen, wenn sie glaubthaft belegen können "ausgestiegen" zu sein aus dem Paralleluniversum am ganz rechten Rand, der nur aus Hass , Niedertracht und Gewalt gegen Andersdenkende, Andersliebende, Andersaussehende besteht.

          Für Härtefälle gibt es das "EXIT"-Programm, für Mitläuferfälle sind zu



          empfehlen für den Anfang:

          - Freien Kinoeintritt für "Bei Nacht und Nebel" von Alain Resnais, (Frankreich 1956)

          - ein Moscheebesuch bei einer liberalen muslimischen Gemeinde



          - freiwillige Sozialarbeit in einer Flüchtlingsunterkunft



          - Teilnahme an einem Gesprächskreis bei denen russische schwule Asylberechtigte von den Qualen erzählen, die ihnen von Putins Miliz auf dem Revier zugefügt worden sind.

          Die Standards, was in diesem Land geht und was nicht, bestimmen die Demokraten in diesem land von Linke bis CDU, nicht die, die beim Demokratietest versagt haben und jetzt alles umdefinieren und umdeuten wollen, in dem sie bestimmen wollen, was ein Lehrer im Unterricht über die AfD sagen darf ohne denunziert zu werden oder was an einer deutschen Bühne aufgeführt werden darf aus Sicht der AfD.

          • @Trollhunter:

            Ein Nachkriegskonsens über die Existenzberechtigung einer AfD oder anderer Parteien, Strömungen oder Richtungen gibt es nicht. Aber es gibt einen Konsens im Hinblick auf die Zeit und Geschehnisse 1933 bis 1945. Daraus einen Macht- und Deutungsanspruch (wie seinerzeit z.B. in der DDR) abzuleiten, ist eben nicht demokratisch.

            Und ca. 20% der Wahlbevölkerung im Osten nun "Hass, Niedertracht und Gewalt gegen Andersdenkende, Andersliebende, Andersaussehende" zu unterstellen, ist gelinde gesagt nicht sehr humanistisch oder demokratisch oder gar antifaschistisch sondern einfach nur falsch.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Zitat: 'Gut möglich, dass die immer irrationaler agierende AfD den Zenit ihrer Massenmobilisierungsfähigkeit bereits überschritten hat'.



    Gut möglich aber auch, daß der große Hype im Jahre 2019 kommt und das Drama erst richtig beginnt.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "Die Partei hat eben keine „Alternative“ bei konkreten Sachfragen zu bieten, wofür auch die äußerst mühsame Aufstellung eines Wahlprogramms spricht."

    Der einzige Grund, aus dem die Leute AfD wählen, ist meines Erachtens der:

    Wie kriegen wir die Kanacken wieder aus dem Land und wie verhindern wieder, dass welche kommen.

    Dafür braucht man kein Parteiprogramm.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Richtig.

      Deswegen gibt es auch keine "fortschreitende Radikalisierung" der AFD. Die waren immer schon so. Einige hatten lediglich mehr Kreide gefressen als andere.

  • "Jedem potenziellen AfD-Wähler müsste nun endgültig klar sein, wem er seine Stimme geben will. Und wer in der sächsischen CDU bislang darauf schielte, eventuell mit einer domestizierten AfD im Herbst zu koalieren, muss seinen Irrtum spätestens jetzt erkennen. Diese AfD hat sich endgültig selbst disqualifiziert. Zumindest die Parteispitze, die eine Koalition ausschließt, scheint das auch selbst begriffen zu haben."



    Zweimal "endgültig" und einmal "spätestens jetzt" sollen suggerieren, dass nun wirklich jeder, der noch all seine Tassen im Schrank hat, auf die AfD pfeifen muss, geht ja gar nicht anders.



    Ich fürchte, da führte Wunschdenken die Feder. So wie die Trump Anhänger darauf pfeifen, ob er 10 oder 12x pro Tag lügt, so ist es AfD-Anhängern komplett egal, ob die Partei ausser "Hass und Hysterie" nichts zu bieten hat. Im Gegenteil, das sind die Gründe, aus denen diese Partei gewählt wird. Und je deutlicher die H-Worte in den Vordergrund gerückt werden, desto fester werden sich die Reihen ihrer Anhänger schliessen. Zur Hoffnung sehe ich da keinen Anlass. Auch wenn ich selbst hoffe, damit falsch zu liegen.