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Comiczeichner Jacques Tardi in BaselReise ans Ende der Nacht

Der französische Zeichner Jacques Tardi wird in Basel mit einer großen Ausstellung gefeiert. Berühmt sind seine Comics zum Ersten Weltkrieg.

Die Erlebnisse seines Großvaters im Ersten Weltkrieg inspirierten Jacques Tardi zu „Elender Krieg“ Foto: Tardi/Casterman

Schon zu Beginn seiner Karriere hat der Comiczeichner Jacques Tardi die Verheerungen des Ersten Weltkriegs thematisieren wollen. Doch seine ersten Versuche dazu wurden vom Chefredakteur des Magazins Pilote, René Goscinny, abgelehnt. Der ansonsten junge Talente durchaus fördernde Asterix-Szenarist konnte sich 1969 noch nicht vorstellen, dieses Thema den Lesern einer Comiczeitschrift zuzumuten. Den Begriff der Graphic Novels gab es noch nicht, und selbst im Comic-affinen Frankreich begannen erwachsene Leser erst allmählich, die „neunte Kunst“ ernst zu nehmen.

Das Cartoonmuseum Basel widmet seine neueste Ausstellung „Le Monde de Tardi“ (Tardis Welt) dem 1946 geborenen Franzosen, der sich seit Jahrzehnten den „Großen Kriegs“, wie der Erste Weltkrieg in Frankreich bis heute genannt wird, im Comic darstellt. Fast die gesamte Schaffenszeit Jacques Tardis wird anhand zahlreicher, gut ausgewählter Originalseiten aus seinen Hauptwerken präsentiert. Das sind rund 50 Jahre, in denen er eigene Comic-Geschichten kreierte wie die im Fin de Siècle angesiedelte Serie um den früh emanzipierten weiblichen Freigeist „Adèle Blanc-Sec“, aber auch Literatur adaptierte und Kooperationen mit bekannten Schriftstellern einging.

Der Krieg als Sujet blieb Jacques Tardis Passion – oder auch „Obsession“, wie er es selbst in Interviews formulierte. Auch im Frühwerk, das – wie das an Jules Vernes Abenteuerromane erinnernde Album „Dämon im Eis“ (1974) – phantastische Elemente enthielt und das Genre des „Steampunk“ vorwegnahm, tauchte das Weltkriegsthema schon am Rande auf. Erst Anfang der 80er Jahre begann er, realistische Kurzgeschichten dazu zu veröffentlichen, bis in den 90ern die Hauptwerke „Grabenkrieg“ und „Elender Krieg“ folgten. Der einfache, namenlose Soldat stand meist im Mittelpunkt, der als Kanonenfutter von rücksichtslosen Generälen oder Politikern verheizt wurde.

In der Ausstellung liegen in Vitrinen Exemplare seiner ersten Veröffentlichungen aus, die zeigen, dass er seinen Zeichenstil sehr früh gefunden hatte. Denn ein Tardi ist auf den ersten Blick erkennbar: kräftig konturierte, leicht karikiert gezeichnete Figuren bewegen sich vor äußerst realistisch gezeichneten Kulissen, die meist das Paris des Fin de Siècle oder des beginnenden 20. Jahrhunderts wiedergeben, später auch der 50er und 60er Jahre.

Die Ausstellung

„Le Monde de Tardi“, bis 24. März, Cartoonmuseum Basel. Ausstellungszeitung 5 SFR

Tardis Ahnen sind Karikaturisten wie Gus Bofa, der selbst am Weltkrieg teilgenommen hat, oder Otto Dix. Ebenso ist der Einfluss der belgischen Comicpioniere und „Ligne Claire“-Protagonisten Hergé und Edgar Pierre Jacobs deutlich, denn auch Tardis Werke sind klar gezeichnet, dabei jedoch stimmungsvoller in Licht- und Schattenzeichnung, und noch genauer in der Recherche der Hintergründe. Tardi ist daran gelegen, das Flair vergangener Epochen einzufangen, ohne sie zu idealisieren.

Welt der kleinen Leute

Profunde Milieuzeichnung ist ein weiteres Markenzeichen: der Franzose kommt selbst aus einfachen Verhältnissen und porträtiert in seinen Geschichten meist beiläufig die Welt der kleinen Leute. Dieses ärmliche, oft rüde Milieu fängt er genauso unsentimental und mit groteskem Humor ein wie er die verlogene, gierige Oberschicht, deren Repräsentanten meist selbstzufriedene, feiste Gesichter haben, mit unbarmherziger Feder zeichnet.

In seinen seit den 80er Jahren erschienenen Krimiadaptionen um Léo Malets Privatdetektiv „Nestor Burma“ findet er in der Titelfigur einen prototypischen, grobschlächtigen Antihelden mit notorisch missmutiger, nicht selten im Laufe der Ermittlungen verdroschener Visage, der pfeiferauchend vertrackte Fälle löst, die quer durch alle Gesellschaftsschichten verlaufen. Die düsteren, gesellschaftskritischen Krimis des früh verstorbenen Erneuerers des französischen Néo-Noir-Krimis, Jean-Patrick Manchette (1942–95), entsprachen Tardis pessimistischem Weltbild, was zu kongenialen Adaptionen wie „Killer stellen sich nicht vor“ führte.

Für die Hauptwerke des umstrittenen Schriftstellers Louis-Ferdinand Céline wiederum schuf er zahlreiche Illustrationen, die das Albtraumhafte von dessen Meisterwerk „Reise ans Ende der Nacht“ kongenial einfingen. In Adèle Blanc-Sec wiederum, seiner bekanntesten Figur, die er 1976 einführte (der Nachname bedeutet „trockener Weißwein“), konnte er seinem Faible für kolportagehafte Abenteuergeschichten frönen, die in ihren aberwitzigen Handlungsverläufen um groteske Monster und verrückte Wissenschaftler an die Fortsetzungsromane in französischen Zeitungen im 19. Jahrhunderts erinnern.

„Charlie Hebdo“-Zeichner

In einem Extraraum zeigt die Basler Schau auch eine hierzulande kaum bekannte Seite des Künstlers, die wenig mit der Historie zu tun hat, und offenbart, dass er auch die gegenwärtige Politik, Fragen der sozialen Gerechtigkeit oder auch des Umweltschutzes, in seinen Arbeiten thematisiert und anprangert. Es sind meist Gelegenheitskarikaturen für linke Zeitungen wie Libération oder auch Satiremagazine wie Charlie Hebdo, in denen Tardi auf Missstände in Frankreich verweist, die gesamte politische Klasse wie auf einem Titelbild von 2016 auch mal auf den Müll wirft oder Diktaturen in der ganzen Welt kritisiert.

In den 80er Jahren ging sein Engagement gegen das Pinochet-Regime so weit, dass er zusammen mit seiner Frau Dominique Grange vier chilenische Kinder adoptierte.

Das Zeichnen ist für den heute 72-jährigen Comicautor ein Lebenselixier, dem er sich nach wie vor täglich widmet. In den vergangenen Jahren sind seine Werke zunehmend autobiografisch geworden.

Vater in deutscher Kriegsgefangenschaft

Nachdem ihm die Erlebnisse seines Großvaters zur Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg anregten, sind es nun die seines Vaters in deutscher Kriegsgefangenschaft während des Zweiten Weltkriegs, die er akribisch aufarbeitete. Anhand von dessen Notizbüchern reiste er zur Recherche den Orten und Wegen seines Vaters in der Gefangenschaft und eines langen Marschs durch Deutschland nach. Herausgekommen ist eine Stalag-Trilogie, die ähnlich wie Art Spiegelmans „Maus“-Comic Geschichte anhand eines authentischen Einzelschicksals erfahrbar macht.

Die rund 200 Original-Comicseiten der Ausstellung – ergänzt durch Illustrationen, Plakatentwürfe und Entwürfen zu einem Animationsfilm – führen dem Besucher die unglaubliche Kunstfertigkeit Jacques Tardis vor Augen, der die Historie in erschütternden Bildern auferstehen lässt. Ob die Bürgerrevolte während der „Pariser Kommune“ 1871, kriegstrunkene Massenaufläufe während der Mobilmachung 1914, das Chaos des Kriegs bis zum Grauen im Schützengraben: Tardi macht das Unfassbare vergangener Epochen für heutige Generationen anschaulich und stellt die Sorg- und Rücksichtslosigkeit der Männer an den Pranger, die Millionen in den Tod schickten.

Seit einigen Jahren tritt Tardi auch öffentlich als Vorleser seiner Werke auf, begleitet von einer Band und seiner Frau Dominique Grange, die zu den Bildern ihres Mannes historische Antikriegslieder neben selbst verfassten vorträgt.

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1 Kommentar

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  • Danke. Da jommer henn.

    unterm------klar --;)



    „Killer stellen sich nicht vor“



    &



    Basel - liegt ja noch nicht ganz am Ende der Nacht.



    Ein Blanc-Sec - wird da doch schon aufzutreiben sein.



    Normal Schonn.



    Märcí.