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Kommentar Obdachlose aus EU-StaatenEin klitzekleiner Sozialausgleich

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Viele Obdachlose in Deutschland kommen aus Osteuropa. Als eines der reichsten EU-Länder sollte man hier bessere Strukturen für sie schaffen.

Eine Helferin spricht am 19.12.2017 in Hannover mit einem Obdachlosen aus Osteuropa Foto: dpa

D as Thema Obdachlosigkeit eignet sich für das Herumreichen von Klischees, aber man kann sich auch für eine völlig neue Perspektive entscheiden. In den Metropolen kommt inzwischen die Hälfte der Obdachlosen aus dem östlichen EU-Ausland, auch dies ist eine Folge der Freizügigkeit. Inwieweit soll man hierzulande nun diese EU-BürgerInnen mit Steuergeldern unterstützen? Wer der Frage nachgeht, stößt auf die Ambivalenz, die im reichen Deutschland gegenüber den ärmeren östlichen Nachbarländern zutage tritt.

Obdachlose EU-BürgerInnen haben in der Regel keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. Ihnen bleibt nur das karitative System: die Suppenküchen, die Notübernachtungen, der Verkauf von Straßenzeitungen, das Betteln. In der politischen Debatte wird vor mehr Unterstützung, mehr Schlafplätzen, mehr medizinischer Betreuung, mehr Tagescafés für die obdachlosen EU-BürgerInnen gewarnt, weil dies einen „Sogeffekt“ auslösen und dann noch mehr Arme aus der EU nach Deutschland kommen könnten, um Himmels willen! Dahinter verbirgt sich ein Unbehagen, denn tief drinnen weiß man, dass das materielle Gefälle zu den Nachbarländern ungerecht ist und eine der Schicksalhaftigkeiten des Lebens, von denen wir ganz gut profitieren.

Wenn billige Handwerker aus der östlichen EU kommen, um die Heimsauna einzubauen oder das Bad zu renovieren, bitte gerne, hereinspaziert! Oder wenn sich Pflegekräfte aus Rumänien oder Polen in den Heimen bewerben, gerne und vielen Dank! Diese Angebote sind eine Folge des Wohlstandgefälles zu diesen Ländern.

Wegen dieses Gefälles aber halten sich verarmte Menschen aus der EU eben vielleicht auch länger und häufiger in Deutschland auf, als sie es sonst täten. Weil es hier mehr Gelegenheitsjobs gibt, aber auch weil die Suppenküchen und Schlafplätze im Herkunftsland noch schlechter sind und die polizeiliche Verfolgung dort noch unangenehmer als in Deutschland. Die Metropolen hierzulande könnten sich daher durchaus ein paar Tagescafés und Schlafplätze mehr leisten für diese Klientel, gewissermaßen als eine Art klitzekleinen sozialen Ausgleich innerhalb der EU.

Auch für Privatleute ist ein solcher Sozialausgleich möglich: Man stecke sich einfach ein paar 50-Cent-Stücke oder Euromünzen locker in die Tasche und verteile sie dann bei Gelegenheit auf der Straße oder im U-Bahnhof. Das ist nie falsch. Armut lässt sich nicht wegschicken, sie bleibt die Kehrseite des Wohlstands. Wir müssen mit der EU-weiten Armut koexistieren. Aufgeklärte EU-BürgerInnen wissen das auch.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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3 Kommentare

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  • "Man stecke sich einfach ein paar 50-Cent-Stücke oder Euromünzen locker in die Tasche und verteile sie dann bei Gelegenheit auf der Straße oder im U-Bahnhof."

    So viel Naivität habe ich selten gelesen. Schon mal was von Anreizen gehört. Wenn Sie das durchhalten wollen, müssen Sie alle absolut Armen finanzieren. Davon gibt es in der Welt ca. 2 Mrd. Menschen...könnte problematisch werden, die Welt zu retten.

  • Ich bin hier ganz stark für ein fachübergreifendes Differenzieren. Das Recht über den Genuss von Freizügigkeit d.d. Bürger der EU, s. zB das FreizügG/EU, ist, wie die zugrunde liegende Richtlinie, im Ergebnis zusammengeschusteter Unfug. Es lädt, weil es, zumindest meiner Meinung nach, das Freizügigkeitsrecht unangemessen überhöht, zur Ausbeutung aufgrund des bestehenden Wohlstandsgefälles ein. Im Ergebnis kommt es ebenfalls zu gebrochenen Lebensläufen, u.a. zu Obdachlosigkeit.



    Das ist weniger den gemeinen Menschen anzulasten, noch eine Sache des Kleingelds, das am Bahnhof "eingezahlt" wird, denn der Eurokrise und nicht zuletzt der überkommenen Struktur der Förderung von Superreichtum und s.g. Wettbewerb unter (den) Staaten.

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      Ich schliesse mich Ihren Worten in vollem Umfang an!