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Serie Wohnen ist HeimatDie Ulmer Bodenpolitik

Mittlerweile befindet sich etwa ein Drittel des kompletten Stadtgebietes in kommunaler Hand. Wie Ulm die Spekulation mit Bauland bremst.

Stadtansicht von Ulm Foto: imago/Jochen Tack

In Ulm haben sie ein erprobtes Modell gegen Immobilienspekulation – und ein besonders altes. Was andernorts als „Spekulationsbremse“ im Rahmen städtischer Baupolitik bezeichnet wird, heißt in Ulm schwerfällig „Bodenbevorratungspolitik“. Zur Baulandbereitstellung betreibt die Stadt am Rand der Schwäbischen Alb seit rund 125 Jahren diese vorausschauende Bodenpolitik.

Konkret heißt das, die Stadt kauft mittelfristig und langfristig, oft auf Jahrzehnte im Voraus, Flächen auf, um sie dann eines Tages gezielt einzusetzen. Grundprinzip dabei ist, dass die Stadt einen Bebauungsplan für ein künftiges Baugebiet erst dann in ein Verfahren einbringt, wenn sie auch Eigentümerin der betroffenen Flächen ist. In Ulm kann also nur von der Stadt selbst Bauland erworben werden.

Zudem verhindert das Ulmer Wiederkaufsrecht, gekoppelt mit einer sogenannten Auflassungsvormerkung, eine Spekulation mit Bauland. „Das hört sich erst einmal sehr technisch an“, sagt Ulrich Soldner, Abteilungsleiter im Liegenschaftsamt Ulm. „Es bedeutet Folgendes: Ein unbebautes Grundstück, das aus kommunalem Besitz privatisiert und an einen Häuslebauer oder an einen Bauträger, Investor oder eine Firma verkauft wird, kann niemals an einen Dritten weiterverkauft werden. Wenn es also nicht für den ursprünglichen Zweck verwendet wird, und das kommt ja immer mal vor, kann es aufgrund dieser Auflassungsvormerkung im Grundbuch nur an die Stadt Ulm zurückverkauft werden. Und zwar zu dem Preis, den es damals gekostet hat. Ein Weiterverkauf spekulativer Art an Dritte ist nicht möglich.“

33 Millionen Euro investierte Ulm im vergangenen Jahr in den Ankauf neuer Grundstücke. Aufgrund ihrer langjährigen Praxis verfügt die Stadt über ein entsprechend großes Portfolio. Mittlerweile befindet sich etwa ein Drittel des kompletten Stadtgebietes in kommunaler Hand. Dadurch verfügt Ulm über ein Steuerungsinstrument, das es ermöglicht, Baugrundstücke zu vergleichsweise günstigen Preisen auf den Markt zu bringen.

Ein Weiterverkauf spekulativer Art an Dritte ist nicht möglich

Ulrich Soldner, Liegenschaftsamt Ulm

Da die Stadt jederzeit eigene Liegenschaften für den Wohnungsbau auf den Markt bringen kann, wird ein direkter, preisdämmender Einfluss auf die Grundstückspreise erreicht. Damit sollen die Wertsteigerungen aus der Baulandentwicklung auch der Allgemeinheit und den Erwerbern und nicht nur den ursprünglichen Grundstückseigentümern zugutekommen. So betreibt die Stadt eine aktive Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Mit Erfolg: Im Mietwohnungssegment existiert durch niedrige Baulandpreise und die Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften ein gutes Angebot an bezahlbaren Wohnungen. Auch bei der Vergabe von Baugrundstücken an Selbstnutzer wirkt sich der niedrige Baulandpreis positiv bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Eigenheimsegment aus. Die grün-schwarze Landesregierung Baden-Württembergs ermuntert alle Städte und Gemeinden, dem Ulmer Modell der Bodenvorratspolitik zu folgen.

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10 Kommentare

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  • Man muss allerdings auch festhalten, dass die restriktive Baulandausweisung (und dann auch noch restriktive Bebauungsmöglichkeiten auf den Flächen, nämlich oft nur für "Eigenheime") natürlich zuerst zu einer Verknappung der Baumöglichkeiten und damit zu höheren (!) Baulandpreisen führt. Ulm ist ja nun kein Ort, zu dem sich Millionen von Umzugswilligen hindrängeln, der also nie bedarfsgerecht Bauland ausweisen könnte, sondern bei mehr Angebot gäbe es niedrigere Preise. Dieses verknappte und dadurch künstlich verteuerte Bauland (weil keine Baulandausweisung ohne kommunalem Grundbesitz) wird dann wieder unter mehr oder weniger nachvollziehbaren Bedingungen "verbilligt" abgegeben. Wenn auch nur an einem Teil der Nutzungswilligen. Es liegt damit preislich vielleicht immer noch höher.



    Das ganze macht einen gewissen Sinn unter dem Gesichtspunkt der kommunalen Ertragserzielung durch Grundstücksspekulation, aber zu einer Verbilligung des Wohnens führt es nicht. Im Gegenteil. Im Übrigen funktioniert das Ganze nur in der ersten Generation, aber nicht beim Wiederverkauf der gebauten Immobilien.

    • @meerwind7:

      Vielleicht können Sie hier ja zum Vergleich mal Baulandpreise von Ulm und die vergleichbarer Kommunen, die anders agieren, nennen?

      Wäre sehr interessant und würde den Artikel ergänzen.

  • Zitat: „Die grün-schwarze Landesregierung Baden-Württembergs ermuntert alle Städte und Gemeinden, dem Ulmer Modell der Bodenvorratspolitik zu folgen.“

    Schau an. Gibt es in Baden-Württemberg keine Kommunen mehr, deren Haushalt vom Land bezuschusst werden muss?

    In Thüringen gibt es viele solche Kommunen. Das hat historische Ursachen, aber auch strukturelle und personelle. Städte, die ihre Ausgaben aus eigenen Einnahmen (noch) nicht bestreiten können, bewahrt das Land mit Hilfe sogenannter Schlüsselzuweisungen regelmäßig vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Höhe der Zuweisungen hängt dabei von der „Steuerkraft“ sowie der Zahl der Einwohner ab – und von der Größe des jeweiligen Haushalts-“Lochs“.

    Wenn die Kommunen ihre Haushalte nach der Beschlussfassung beim Land einreiche, prüfen fleißige Beamte deswegen akribisch, ob die Kommunen alle gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, das benötigte Geld von Bürgern und Unternehmen einzutreiben. Ist das nicht der Fall, wird der Haushalt nicht genehmigt. Die Kasse bleibt dann, ähnlich wie in den USA, erst einmal zu. Begründet wird das Aushebeln der kommunalen Autonomie mit der Pflicht, sorgsam mit Steuergeld umzugehen.

    Was aber ist „sorgsam“? Thüringer Kommunen dürfen z.B. keine wiederkehrenden Straßenausbaubeiträger erheben, obwohl die gerechter wären als einmalige und außerdem gesetzlich zulässig. Und zwar deswegen nicht, weil die Ausgaben für den Straßenbau damit nicht schnell genug zurück in die Kassen fließen würden.

    Ulm konnte im vergangenen Jahr vermutlich nur deswegen 33 Millionen Euro investierte in den Ankauf neuer Grundstücke, weil die Stadt das Geld hatte. Weniger finanzstarke Kommunen können vermutlich keine „Bodenvorratspolitik“ betreiben. Dass die von einem (West-)“Linken“ geführte Thüringer Landesregierung „ihre“ Kommunen zu einer aktiven Sozial- und Wirtschaftspolitik nach Ulmer Vorbild auffordert, glaube ich jedenfalls erst, wenn ich es selber sehe.

    • @mowgli:

      Und was ist jetzt so verkehrt an dem Modell in Ulm? Der Vergleich mit Thüringer Gemeinden etwa?

      Wie schon beschrieben, ist es wohl ein seit 125 Jahren betriebenes Verfahren. Ähnlich ist es in Wien, es gibt sicher noch andere kommunale Beispiele, um Miet- und Baukosten gering zu halten.

      Mensch muss eben nur mal anfangen! Das ist das wichtigste. Auch andere Städte im ehemaligen DDR-Gebiet müssen jetzt handeln.

      Und da hat "Thüringen" sicher auch Möglichkeiten. Und am besten beginnen, wenn es nicht am dringensten ist. Ich kenne die Miet- und Baulandpreise in Thüringen nicht, aber sind sie schon so wie in den mittlerweile oft beschriebenen Städten?

  • Die DDR hatte ein ähnliches Konzept, man weiss mittlerweile, wohin das führt.

    • @Klartext:

      Dass die Treuhand das Land an private Spekulanten verscherbelte...

      • @Achtsamer:

        Ich schrieb von der DDR, nicht davon, welche Fehler später gemacht wurden.

  • Stell dir vor, es geht... Und keiner macht's...

  • Schade das andere Städte so etwas nicht auch hin bekommen. Aber da ist wohl die kurzfristige finanzielle Not wichtiger als langfristiger Erfolg. Was interessiert den Bürgermeister von heute die Stadt in 50 Jahren, wenn er morgen um seine Wiederwahl kämpft.

    • @Lain Lainsen:

      Richtig, bei uns ist es auch eher so, dass die Stadt öffentliche Grundstücksverkäufe als Mittel benutzt möglichst viel von Käufern einzukassieren und die Stadt zu sanieren!