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Lebensraum von Indigenen in BrasilienBegegnung gegen den Hass

Der rechte Präsident Jair Bolsonaro droht Reservate im Amazonas aufzulösen. Das Volk der Huni Kuin will sich durch den Kauf von Land schützen.

Im Amazonas leben hunderte indigene Stämme Foto: dpa

Mit dem Amtsantritt von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro am 1. Januar droht dem Land eine neue Ära der Gewalt. Der ultrarechte Politiker will Reservate indigener Gemeinschaften zugunsten kommerziellen Landbaus auflösen, die Abholzung des Amazonasgebiets und den Bergbau fördern und Straßen in den Urwald bauen.

„Seit der Wahl von Bolsonaro fühlen wir alle eine Bedrohung. Wir sind in einer Art Schockstarre. Wir haben große Angst, dass unseren Menschen und unserer Natur etwas angetan wird“, sagt Txana Bane im Gespräch mit der taz. Der 32-Jährige ist der Sohn des Häuptlings der Huni Kuin, eines etwa 15.000 Menschen umfassenden Stamms, der im brasilianischen Amazonas lebt, im Bundesland Acre, an der Grenze zu Peru.

Der Hass auf Indigene zieht sich durch Bolsonaros Biografie. In einem Beitrag der Zeitung Correio Braziliense von 1988 wird er mit dem Satz zitiert: „Es ist eine Schande, dass die brasilianische Kavallerie nicht so effektiv war wie die Amerikaner, die ihre Indianer ausgerottet haben.“ Heute sagt er Sätze wie: „Wenn es nach mir geht, wird Indios in Zukunft keinerlei Land mehr zugesprochen.“ Txana Bane spürt die Folgen noch vor allem als verbale Attacken. „Es werden in Brasilien aber viele Aktivisten umgebracht und das wird sicher noch schlimmer werden“, fürchtet er.

Vertreter der Indigenen in Brasilien rufen international um Hilfe, fordern die EU auf, Brasilien mit Handelssanktionen unter Druck zu setzen, um ökologische Katastrophen und eine „soziale Vernichtung“ zu verhindern. Die Reservate der Indigenen haben etwa ein Drittel der Größe Deutschlands, über 300 verschiedene Stämme leben dort, etwa 100 davon in völliger Isolation. Auf dem Papier garantiert ihnen die brasilianische Verfassung ein selbstbestimmtes Leben. Doch das kann sich nun rasch ändern.

Westliche Welt – ein Krebsgeschwür

Deswegen ruft die Berliner Unternehmerin Alexandra Schwarz-Schilling, 54, zum Landkauf im brasilianischen Urwald auf. „Die Gefahr für die indigenen Völker und den Wald ist durch die Wahl stark gewachsen“, sagt sie. „Wenn wir ihre Zukunft bewahren wollen – und damit auch unser aller Zukunft –, müssen wir als Weltgemeinschaft aktiv werden.“

Mit ihrem brasilianischen Mann hat sie vor einigen Jahren ein Begegnungszentrum in Zentralbrasilien aufgebaut, vor sechs Jahren reiste sie zum ersten Mal in den Wald nahe Jordão, an der Grenze zu Peru. Dorthin, wo man viele Stunden mit dem Boot fahren muss, wo es keine Straßen gibt, kein fließendes Wasser, keinen Strom. Dort lernte Sie Txana Bane kennen. Um sein Volk und den Wald zu unterstützen, gründete Schwarz-Schilling einen Verein, Living Gaia e. V. Sie sieht unsere Gesellschaft in der Verantwortung: „Die westliche Welt benimmt sich wie ein Krebsgeschwür, der den Organismus Erde langsam stranguliert.“

Wir haben große Angst, dass unseren Menschen und unserer Natur etwas angetan wird

Txana Bane, Häuptlingssohn

Es sei sinnvoll, die Indigenen und den Wald als einen Komplex zu betrachten, sagt Schwarz-Schilling. Das eine schütze das andere. So sehen das auch die Indigenen selbst. „Der Schutz unserer Kultur und der Natur, in der wir leben: Das gehört in unserem Leben immer zusammen. Unsere Kultur ist verwoben mit der Natur“, sagt Txana Bane.

Die Miete für den Planeten

Das Land, das er erwerben will, grenzt direkt an das Reservat der Huni Kuin. Die 50 Hektar sind abgeholzt und gehören einem Farmer. Umgerechnet 35.000 Euro soll es kosten, das Land zu kaufen, wieder aufzuforsten und einen Begegnungsort zu schaffen. Dort will Bane die Sprache, die Kultur und das Wissen der Huni Kuin über Pflanzen und Heilung vermitteln.

Auch andere, größere Organisationen kümmern sich um den Erhalt des Regenwaldes und deren Bewohner – Amazon Watch etwa, die Organisation bittet online um Solidaritätsbekundungen für Brasiliens Indigene. Die NGO Rettet den Regenwald wirft auch Brasiliens Vorgängerregierung die Demontage des Umweltschutzes und der Rechte Indigener vor.

Land privat zu kaufen, um es vor Ausbeutung zu schützen, haben ebenfalls bereits andere Organisationen verfolgt. Bekanntestes Beispiel ist der US-Amerikaner Douglas Tompkins. Der 2015 verstorbene Gründer der Bekleidungsunternehmen The North Face und Esprit kaufte mit seiner Frau Kristine McDivitt, der ehemaligen Chefin des Labels Patagonia, etwa 800.000 Hektar in Argentinien und Chile, um sie in Schutzgebiete umzuwandeln.

Kurz vor seinem Tod sagte Tompkins: „Ich weiß, dass nicht jeder meine Mittel hat, aber ich sage, das macht nichts, unternimm etwas nach deinen Möglichkeiten, du wirst es als lohnenswert und wertvoll empfinden und bezahlst damit die Miete für dein Leben auf diesem Planeten. Tu es einfach.“

Tücken der Bürokratie

Banes Vater hat bereits in den 70er-Jahren damit begonnen, Land zu kaufen, um sein Volk zu schützen, darauf will Bane nun aufbauen: Offizieller Käufer soll nicht der Verein Living Gaia e. V. sein, sondern die Kooperative Aru Kuxipa der Huni Kuin. Die Kooperative ist mit Unterstützung des international bekannten Künstlers Ernesto Neto entstanden.

Natürlich habe ein Landkauf in Brasilien auch Tücken, sagt Schwarz-Schilling. Jeder bürokratische Schritt sei mit enormen Kosten verbunden und könne Jahre dauern. Behörden könnten die Prozesse willkürlich verzögern. Land in den Reservaten selbst zu erwerben, sei nicht realistisch, da es dem Staat gehört: „Das will die Regierung den Indigenen natürlich nicht verkaufen, vor allem jetzt nicht“, sagt Schwarz-Schilling.

Es sei sehr schwer, sich gegen die Interessen der brasilianischen Regierung durchzusetzen, „das kann vielleicht die UNO. Aber sicher nicht wir, als kleiner Verein.“ Privates Land sei jedoch nicht von Enteignung bedroht, da Bolsonaro explizit damit wirbt, Privateigentum nicht antasten zu wollen. Die Huni Kuin versuchen, den Präsidenten mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.

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