Indigene in Brasilien: Bolsonaro lehrt das Fürchten
Der designierte brasilianische Präsident hält die vorhandenen Schutzgebiete für zu groß. Umwelt ist für den Rechtsextremisten kein Thema.
Rio de Janeiro taz | Den Indigenen in Brasilien stehen schwere Zeiten bevor. Seit der Wahl des Rechtsextremisten Jair Bolsonaro zum Präsidenten fürchten sie um ihre Rechte und ihr Land. Der Ex-Militär Bolsonaro ist erklärter Freund von Großgrundbesitzern und Sojabaronen, deren Interessen Umwelt und Klimaschutz entgegenstehen.
„Wenn es nach mir geht, wird Indios in Zukunft keinerlei Land mehr zugesprochen“, erklärte der designierte Präsident. Die indigenen Schutzgebiete seien „völlig überdimensioniert“. Die Indigenen sollten sich an seine Lebensvorstellungen anpassen. „Sie wollen sich doch auch entwickeln, Internet haben und zum Zahnarzt gehen“, sagte Bolsonaro. „Die Indios werden sich im Kontakt mit der Zivilisation schnell an das neue Leben gewöhnen, das anders und besser als ihr bisheriges ist.“
Daiara Figueroa vom Volk der Tukano aus dem Amazonasgebiet hält das für einen „zutiefst rassistischen Diskurs“. Viele Indígenas seien in Sachen Technologie auf dem neusten Stand, hätten aber eigene Ansichten dazu. „Erstmals haben wir Angst, dass ein Kandidat seine Wahlkampfversprechen umsetzt. Denn er hat angekündigt, im Interesse der Landoligarchie das Leben vieler indigener Gemeinden aufs Spiel zu setzen“, erklärt die Juristin Figueroa.
Für Gert-Peter Bruch, Gründer der Nichtregierungsorganisation Planète Amazone, sind die Ankündigungen ein Affront: „Indigene Schutzgebiete sind ein Auftrag der Verfassung von 1988, der erst zum Teil umgesetzt wurde.“ Für das Klima könne Bolsonaros Politik „den Todesstoß bedeuten“, meint Bruch. „Niemand schützt den Amazonaswald besser vor Abholzung als die Indígenas“, sagte er der Infoplattform UOL.
„Erstmals haben wir Angst, dass ein Kandidat seine Wahlkampfversprechen umsetzt“
Vor allem aus dem Amazonasbecken häufen sich Berichte über Auseinandersetzungen um Landbesitz. Obwohl Bolsonaro erst am 1. Januar sein Amt antritt, heizt seine Wahl Konflikte an. Kleinbauern, die ökologische Landwirtschaft betreiben, und Indígenas, deren Interessen meist nur von NGOs, Menschenrechtlern und der unterlegenen Arbeiterpartei PT vertreten werden, sind in der Defensive.
Die parteienübergreifende Fraktion der Agrarier im Parlament geht derweil in die Offensive. Die bisherige Vorsitzende der mehr als 200 Abgeordnete starken Gruppe, Tereza Cristina, wird Agrarministerin. Noch ist nicht entschieden, ob das unter den Rechten ungeliebte Umweltministerium ihrem Ressort eingegliedert wird. Aber bereits kurz nach ihrer Nominierung kündigte sie an, die lockeren Richtlinien für Pestizide und Landnutzung noch abzubauen.
Ausbeutung von Bodenschätzen soll erlaubt werden
Ebenso wird ein Gesetzentwurf, der die Landrechte indigener Gemeinden infrage stellt, von den Agrariern mit großer Eile vorangetrieben. Danach soll in Schutzgebieten künftig die Umsetzung von Infrastrukturprojekten und die Ausbeutung von Bodenschätzen erlaubt sein. Auch das Recht der Indigenen, vor solchen Vorhaben angehört zu werden, soll enden, obwohl es ein Grundsatz der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ist.
Hoffnungsschimmer war der Besuch einer Delegation der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, die nach 27 Jahren wieder die Lage vor Ort in Brasilien untersuchte. LGBT-Gruppen, Frauenrechtlerinnen und weitere Minderheiten präsentierten der Delegation unzählige Versäumnisse von Institutionen.
Auch Indigene sind betroffen. „Immer wieder kommen Holzfäller und roden in unserem Schutzgebiet. Inzwischen drohen sie uns, als ob das Land ihnen gehöre“, berichtet der Kazike Tabá Arara aus dem Bundesstaat Pará.
Unweit wurde der Riesenstaudamm Belo Monte errichtet, Tausende Indigene wurden vertrieben. „Die Folgen der Umsiedlung sind bis heute dramatisch. Statt Unterstützung seitens der Behörden gibt es immer wieder Drohungen“, erklärt ein Indígena-Aktivist. Unter Bolsonaro dürfte es noch schlimmer werden, fürchtet er.