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Freie beim Öffentlich-RechtlichenKeine Vorbilder

Jede*r dritte freie Mitarbeiter*in von ARD, ZDF und Co. hat Diskriminierung am Arbeitsplatz erfahren. Das geht aus einer Studie der Linksfraktion hervor.

Wären das alles Journalis­tInnen von ARD, ZDF & Co,­ dann wären vier­ von­ ihnen­ nicht­ fest­angestellt Foto: dpa

Gut die Hälfte der freien Mit­ar­bei­ter*innen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat im Berufsleben Diskriminierung beobachtet – sei es aufgrund von Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder sexueller Belästigung sowie Mobbing. 27,7 Prozent der Befragten haben gar selbst Diskriminierung erfahren. Das geht aus einer Studie hervor, die die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Donnerstag vorgestellt hat. „Die Situation bei den Öffentlich-Rechtlichen ist nur wenig besser als beim Durchschnitt der Bevölkerung“, sagte Jörg Langer, der die Studie durchgeführt hat.

Wobei die Diskriminierungserfah­rungen nur ein Teil einer deutlich größeren Untersuchung zur sozialen und beruflichen Situation der Freien bei den ARD-Landesrundfunkanstalten, dem ZDF, dem Deutschland­radio und der Deutschen Welle ist, die Ende Januar vorgestellt werden soll. Eigentlich war der Bereich Diskriminierung sogar gar nicht als Teil geplant.

Es sollte bei der Befragung in erster Linie um Honorare, um Altersvorsorge, um die Arbeitnehmerrechte von freien Mitarbeiter*innen gehen. Sie sind häufig auf dem Papier zwar ­irgendwie frei, aber eigentlich doch wie Festangestellte an die Häuser gebunden. 25.500 Festangestellten ­sollen – so schätzt die Studie – 12.643 freie Mitarbeiter*innen gegenüberstehen.

Doch dann kamen #MeToo und die Veröffentlichungen um den WDR-Fernsehspielchef Gebhard Henke – und der Themenbereich Diskriminierung wurde in die Untersuchung aufgenommen und nun vorab ­veröffentlicht. Knapp 2.000 Teil­neh­mer*in­nen beantworteten die Fragen dazu.

Diskriminierungserfahrungen und berufliche Abhängigkeiten werden in der Studie also zusammengefügt – was durchaus sinnvoll erscheint. Je größer die Abhängigkeit, desto schwerer wird es, sich gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz zu wehren. Desto anfälliger sind die Mitarbeitenden. Und so geht es den Auftraggeber*innen der Studie auch darum, dass der immer größer werdende Spardruck bei den Öffentlich-Rechtlichen zu noch größerer Abhängigkeit führen könnte.

Freie, womöglich immer schlechter bezahlte Beschäftigte, deren Interessen dar­über hinaus nicht stark genug in den Häusern vertreten werden, sind anfälliger, Diskriminierungen über sich ergehen zu lassen. „Die Linke ist eine Verteidigerin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, stellt der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch deshalb gleich zu Beginn der Präsentation klar. Und Dagmar Enkelmann, die Leiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung, warb deshalb auch gleich mal für eine „vernünftige Finanzausstattung“ von ARD, ZDF und Co.

Menschen mit Migrationshintergrund häufiger betroffen

Wenig überraschend erfahren laut der Studie Frauen deutlich häufiger Diskriminierungen als Männer: 35,9 Prozent zu 19,8 Prozent der Befragten. Und sie beobachteten auch häufiger Diskriminierungen als ihre männlichen Kollegen. Und auch Befragte mit Migrationshintergrund werden häufiger diskriminiert: 45,7 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund haben selbst Diskriminierung erlebt. Bei den Befragten ohne Migrationshintergrund waren es nur 26,7 Prozent.

Diese quantitative Analyse stütze die qualitative Analyse, die Monika Wulf-Mathies im September vorgelegt hatte, sagte Jörg Langer. Wulf-Mathies hatte den Westdeutschen Rundfunk durchleuchtet, mit Mitarbeiter*innen gesprochen und war zu dem Schluss gekommen, dass sexuelle Belästigung nur die „Spitze des Eisbergs“ an Diskriminierungen sei. Langer erwarte nun, dass „jede Anstalt selbst tätig wird“.

Doris Achelwilm, die medienpolitische Sprecherin des Linken-Bundestagsfraktion, machte gleich mal ein paar Vorschläge: Personalvertretungsrechte ausbauen, Gleichstellungsbeauftragte stärken und geregelte Verfahren für Diskriminierungsanzeigen einführen.

Allerdings hat auch diese Studie wie so viele ein Problem: Repräsentativ für alle frei Mitarbeitenden ist sie nicht.

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2 Kommentare

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  • Der letzte Satz bezüglich der Relevanz ist dummes Zeug. Wenn 2000 von über 12 000 Freien teilgenommen haben, bedeutet das einen Rücklauf von 16% - da dürfte so manche Wahlumfrage mit nur 1000 Interviewten bei 80 Millionen Einwohner reine Kaffesatzleserei sein. Also entweder hat der Autor mehr Information, die an der Relevanz der Studie Zweifel begründen, oder ihm passen Auftraggber und Richtung nicht.....



    Ach ja und die Studie von Frau Wulf-Matthies erstreckt sich nicht nur auf das Macho-Gehabe der WDR-Herren. Sie übte vor allem Kritik am Führungsstil und sozial inkompetenter Redaktionsleitungen - dazu brachte der Fachdienst Medienkorrespondenz einen aufschlussreichen Bericht. Versucht es in der taz doch mal einfach mit Recherche!

    • Jürn Kruse , Autor des Artikels,
      @Philippe Ressing:

      Moin Herr Ressing!

      Es geht in dem letzten Satz nicht um Relevanz, sondern um Repräsentativität. Stichwort Selbstselektion. Wir wissen nicht, ob die Menschen, die sich an der Befragung beteiligt haben, besonders negativ von den Honorarbedingungen oder Diskriminierung betroffen sind, und sich viele, die das in ihrer eigenen Wahrnehmung nicht berührt, nicht teilgenommen haben. Es wurde keine systematische Stichprobe gezogen. Das kann (muss aber nicht) die Ergebnisse verzerren.

      Bei einer seriösen Wahlumfrage sollten die Regeln der systematischen Stichprobenziehung eingehalten werden. Sie sollte deshalb repräsentativ sein. Diese Studie ist es nicht, was - wie gesagt - aber nichts mit der Relevanz der Fragen zu tun hat und auch nichts damit, wer Auftraggeber ist und welche Richtung die Studie hat.